Abgründe

Ich durchlebte in den vergangenen fast schon drei Jahren so manche Höhen und Tiefen. Wunderschöne Erinnerungen haben sich mir in das Gedächtnis eingebrannt, genauso ist aber auch der eine oder andere Tiefpunkt nicht in Vergessenheit geraten. Als Segler ist man es gewöhnt, sich selbst zu helfen. Es ist schließlich niemand da, wenn auf dem Ozean etwas kaputt geht. Über das Problem nachdenken, eine Lösung finden und dann mit den gegebenen Mitteln umsetzen.

Strand in Aruba im April 2020

Corona

Das ist so eine Geschichte, die man vorher nicht planen kann. Dass im März 2020 meine Reise in Aruba ihr vorläufiges Ende finden könnte, hatte ich so nicht eingeplant. Doch in der gesamten Karibik wurden die Grenzen geschlossen. Nur wenige Länder hätten uns noch genommen, Länder die nicht wirklich auf meiner Reiseliste standen. Von März bis in den Mai ist es nicht lange, also habe ich mich damals entschieden, die Hurrikansaison in Aruba auszusitzen. Das war meine Entscheidung. Deswegen hatte ich überhaupt keine Probleme damit.

Es hat sich eine tolle Zeit im Donkey Sanctuary ergeben.

Die Zeit im Donkey Sanctuary und die Freunde, die ich im Laufe der Zeit gefunden habe, machten den Aufenthalt in Aruba nicht nur erträglich, sie machten ihn zu einer Bereicherung meines Lebens.

Kuba

Vor einer Reise nach Kuba sollte man sich sehr gut bewusst machen, dass man den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlässt. Selbst ohne eigenes Zutun kann lediglich die Anwesenheit des falschen Gepäckstücks zu einem Problem werden. Wir hatten eine Drohne an Bord, diese auch bei der Einreise deklariert und damit war die Sache für uns erledigt. Nicht aber für die Kubaner, die nach einem Drohnenflug über ein Gefängnis die einzige offiziell registrierte Drohne im Umkreis von vielen Kilometern beschlagnahmten. Außerdem unsere Schiffspapiere, Handys, Tablets, Computer, Kameras und das Satellitentelefon. Sie nahmen die Sachen zu einer Untersuchung mit. Nachdem die Deutsche Botschaft in Havanna sich ein wenig verwundert geäußert hat, dass wir nicht im Gefängnis sind, hatten wir zumindest davor keine Angst mehr.

Unser Liegeplatz in Santiago de Cuba

Uns war klar, dass unsere Drohne nicht geflogen sein kann, schließlich war sie schon eine ganze Weile defekt. Das würden die Kubaner früher oder später herausfinden, deswegen kamen wir mit der Situation einigermaßen zurecht. Dass wir die Insel ein wenig fluchtartig verließen, als wir unsere Sachen wieder bekamen, kann sicherlich jeder verstehen. Wir hätten in Kuba aufgrund von steigenden Corona-Zahlen sowieso nicht mehr viel unternehmen können, denn Reisen zwischen einzelnen Provinzen wurden untersagt. Wermutstropfen war Jens’ geklaute Festplatte, auf der sich viele unwiederbringliche Erinnerungen befunden haben.

Motor

Seit ich unterwegs bin, habe ich im Zweifel lieber den Diesel an der Straßentankstelle gekauft. Dort ist er meistens frisch. Bei den Bootstankstellen weiß man nicht, wie lange er schon in den Tanks gelegen hat. In Aruba wurde er jede Woche vom Tankwagen geliefert, weil die Fischerboote einen großen Umsatz machten. Da wir viel Diesel brauchten, fand ich das Risiko Bootstankstelle in Bonaire erträglich. Auch in Bonaire gibt es Fischerboote wie in Aruba, die müssen ebenfalls tanken. Vielleicht hätte ich noch ein paar Minuten länger nachdenken sollen, denn Aruba hat einfach fünfmal mehr Menschen, die dort leben, viel mehr Touristen und damit viel mehr Umsatz an der Tankstelle.

Fred mal wieder am Motor

Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich von Fred halten soll. Nachdem er vorgestern gar nicht aufgetaucht ist, kommt er einen Tag später. Ein Berufsschiff hätte ein Problem gehabt. Was soll ich tun? Ich kann gar nichts tun. Er baut die Einspritzpumpe wieder ab, stellt den Zeitpunkt der Einspritzung anders ein und montiert sie wieder. Die Erklärung ist plausibel, es ist aber auch klar, dass es sein erster Mercedes Motor ist. Der Motor mag trotzdem nicht starten, nur mit Startpilot bekommt man ihn zum Laufen. Er geht im Leerlauf dann sofort wieder aus. Die Arbeitshypothese ist momentan, dass die Einspritzpumpe und die Einspritzdüsen zu viel von dem schlechten Diesel abbekommen haben. Inzwischen sind die Einspritzdüsen bei Bosch, sie kommen wohl heute noch zurück. Oder morgen. Und es ist die Frage, ob er dann wirklich anspringen wird. Und ob er richtig eingestellt sein wird.

Es ist diese Hilflosigkeit, die am stärksten an der Psyche frisst. Die Tatsache, dass man sich im Moment nicht selbst helfen kann, dass man auf Hilfe Dritter angewiesen ist über deren Kompetenz man nichts weiß. Es ist die Ungewissheit, ob und wann der Motor wieder fit ist. Selbst eine kubanische kriminaltechnische Untersuchung findet irgendwann ihr natürliches Ende. Finde ich dann morgens vor dem Kaffee noch eine tote Kakerlake auf dem Rücken liegend im Salon, die beim Versuch sie einzusammeln munter in einer Ritze verschwindet, ist der Tag eigentlich schon gebraucht. Es fällt mir wirklich schwer, meine gute Laune zu behalten.

Scheiden tut weh…

Wenn dieser Beitrag erscheint, hat es wirklich geklappt mit unserem Plan. Dann sind wir auf jeden Fall in internationalen Gewässern und nicht mehr in Aruba.


Ich habe keine Ahnung, warum mir das Verlassen dieses kleinen, staubigen mit Kakteen bewachsenen Felsens so viele Schmerzen bereitet. Die kleinen vorbereitenden Schritte sind alle getan. Es tut mir gut, nicht mehr zu den bekannten Plätzen zu gehen. Diese Woche waren wir nicht beim Music Bingo. Wir waren nicht im Donkey Sanctuary und im Animal Shelter waren wir auch nicht. Eigentlich haben wir uns nach dem Ende unserer Isolation weitestgehend weiter isoliert. Auf keinen Fall wollen wir uns einen weiteren positiven PCR-Test einfangen. Das trennt mich auch mental von den Menschen, die ich hier kennengelernt und lieb gewonnen habe. Das tut mir gut.

Kaum zu glauben, was es in Aruba zu kaufen gibt.

Mein Schnelltest an Bord lässt endlich die böse Linie vermissen. Also entscheiden wir, am folgenden Tag zu testen. Zum Glück habe ich uns für zwei Tage einen richtigen Mietwagen besorgt. Eike darf ihn einmal fahren, er ist begeistert. Ein Auto, das nicht quietscht und das nicht klappert. Ansonsten ist mir das bei dem Mietwagen zu gefährlich. Wenn wir den kaputt machen, kostet es richtig viel Geld. Wir bringen die Wäsche noch einmal in die Wäscherei und fangen (mal wieder) mit der Verproviantierung für eine Woche Bonaire an.

Auf dem Weg zum Testcenter noch schnell den Müll wegbringen

Wir stehen recht früh am Morgen auf, schließlich wollen wir den Test so schnell wie möglich hinter uns bringen. Nach dem Kaffee steigen wir ins Auto und fahren weitestgehend schweigend zum Testcenter. Das Radio spielt nicht, nur die Klimaanlage rauscht. Es hängt so viel an diesem Test. Das Ergebnis muss einfach negativ werden. Morgen ist Eike einen vollen Monat in Aruba. Soraida hat mir den Tipp mit diesem Testcenter gegeben. Hier kostet ein PCR-Test nur 75 US$. Das spart mir zusammen 120 Dollar für zwei Tests ein. Wir warten eine Viertelstunde. Die Anmeldung ist schnell erledigt, die Belastung der Kreditkarte ebenso. Ich erzähle den Damen die Geschichte von meinem Test in der vergangenen Woche. Entweder habe ich ihnen Leid getan oder sie arbeiten immer so schlampig, jedenfalls war das der unprofessionellste und schnellste Mund-/Nasenabstrich, den ich je erleben durfte. Danke!!! Das gibt bestimmt ein positives Ergebnis.

Anschließend kaufen wir noch die frischen Lebensmittel für die Fahrt ein. Die dürfen auch in Bonaire noch ein paar Tage halten. Wir wollen in den ersten Tagen nicht so viel unter Menschen gehen, fünf Tage nach unserer Ankunft ist ein weiterer PCR-Test fällig.

Am Flughafen. Ich habe den Mietwagen zurückgegeben und warte nun darauf, dass es Zeit ist, zur Bushaltestelle zu gehen. Es fühlt sich an, als würde ich wirklich die Insel verlassen können.

Ein paar Stunden später fahre ich wieder rüber zum Flughafen und werde den Wagen zurückbringen. Dieses Auto hat sich voll gelohnt. Für nur zwei Tage gemietet, zum Test und zu den großen Supermärkten konnten wir fahren. Auch die Wäsche haben wir waschen lassen. So lange bleiben wir noch an Bord und vertreiben uns die Zeit. Ich kann nicht zu früh zur Autovermietung fahren.

Im Bus zurück zur Marina

Der Bus zurück zur Marina fährt nur fünf Mal am Tag. Als ich einsteige, fragt mich der Busfahrer, ob ich wirklich mit diesem Bus fahren will. Nur wenige Fahrgäste sind unterwegs. Nach meiner Rückkehr wird Sissi gereinigt. Der Wassertank wird gefüllt. Das Testergebnis wurde uns für 20 Uhr versprochen. Etwas nervös sind wir schon.

Für das heutige Abendessen und die Überfahrt habe ich Frikadellen vorgesehen. Ein herzhafter Snack, der sich mit den Fingern essen lässt. Heute schwitzen wir auf dem Boot bei absoluter Windstille. Morgen, wenn wir die Windstille brauchen würden, wird es wieder etwas rauer werden. Gegen 21 Uhr trifft das Testergebnis ein. Wir sind beide negativ. Ich setze mich an den Computer und fülle die Formulare aus. Nach wenigen Minuten trifft die Bestätigung aus Bonaire ein, dass wir kommen dürfen.

So leer soll der Platz von Sissi bald sein.

Vor etwa einem Jahr, als wir Kuba quasi fluchtartig verlassen haben, habe ich mich kein Bisschen um die Wettervorhersage gekümmert. Wir sind einfach losgefahren und waren bereit, unterwegs jedes Wetter zu erdulden. So ähnlich geht es mir heute auch. Diesen Beitrag schreibe ich mit Tränen in den Augen. Adieu Aruba, Scheiden tut weh.

Bonaire, wir kommen!!!

Frohe Weihnachten

Es ist Heiligabend. Bei 32°C im Schatten fühlt sich das aber nicht so an. Das dritte Weihnachtsfest, an dem ich nicht zu Hause bin. Ich erinnere mich gut an das erste Weihnachten. Damals waren wir auf dem Weg von Teneriffa zu den Kapverden.

Unser Weihnachtsbaum 2019

Damals hatten wir noch nichts von dem neuen Virus gehört, das sich kurze Zeit später über die ganze Welt verbreiten sollte. Außer Jens und mir war Jakob mit an Bord, ein junger Österreicher. Sein Plan war damals, die Welt zu umrunden, ohne ein Flugzeug zu benutzen. Das ist ordentlich schief gegangen. Wir feierten Weihnachten auf hoher See und es war eine Bombenstimmung an Bord. Die Weihnachtslieder der Roten Rosen machen wahrscheinlich den meisten Menschen gute Laune.

Weihnachten 2020 in Santiago de Cuba

Das Weihnachtsfest 2020 feierten wir in Kuba gemeinsam mit dem Hafenmeister vom Dienst, dem Sicherheitsmann und der Putzfrau. Auch hier lassen wir wieder die Weihnachtsmusik von den Roten Rosen laufen, sie kommt auch in Kuba gut an. Wir ahnten noch nicht, dass zwei Tage später eine Drohne über ein Gefängnis fliegen wird und wir für eine ganze Weile unsere Telefone und Computer abgeben müssen. Dennoch habe ich die Zeit in Kuba als sehr angenehm in Erinnerung. Die einzelnen Menschen repräsentieren nicht das Regime.

Spontanbesuch bei den Kätzchen. Nur nicht so spontan.

Am Heiligen Morgen fahren wir zunächst ins Tierheim. Was sich jetzt vielleicht spontan anhört, ist in Wirklichkeit die Folge penibler Planung. Beim Verkauf meines Autos habe ich nämlich den Staubsauger im Auto liegen gelassen. Mit dem Käufer habe ich vereinbart, dass ich das gute Stück heute im Tierheim abholen kann. So ist es auch. Ich hätte mich geärgert, wenn das erst vor wenigen Monaten gekaufte Gerät verschwunden gewesen wäre.

Eike trägt einen kleinen Welpen

Nicht nur die Babykatzen haben es Eike angetan, er schnappt sich den kleinsten Welpen, der im Hof zu finden ist. Ich wende mich von meinem Neffen ab und unterhalte mich wieder mit den anderen Anwesenden. Plötzlich höre ich Schreie. Eike ist aufgesprungen und macht komische Geräusche. Es sind die Laute einer Person, die sich gerade unglaublich stark ekelt. Ich sehe mir die Bescherung an. Der kleine Welpe hat kurz zuvor ein Entwurmungsmittel bekommen. Jetzt entleerte er den Magen und die Würmer verteilten sich über Eikes Hose. Lecker. Dafür fühlt sich der Welpe jetzt viel besser.

Würmer

Natürlich gab es vor Weihnachten noch die große Inseltour für Eike. Wir haben sie Stück für Stück gemacht, denn wir dachten, dass wir ab dem 25. Dezember ohne Auto sind. Der Wagen ist nämlich einer anderen Person versprochen worden. Wir füllen die Vorräte des Boots noch ein wenig auf.

Eike in Casibari
Suchbild mit Eike

Es geschieht ein kleines Weihnachtswunder. Die Person, die sich den Wagen von Edward leihen wollte, ist nicht nach Varadero gekommen. Damit können wir den Wagen vorerst behalten. Auch Edward freut sich für uns, denn er konnte sich irgendwie nicht vorstellen, dass ein Leben ohne Auto möglich ist. Frohes Fest! Wir hören am Abend selbstverständlich wieder die traditionellen Weihnachtslieder der Roten Rosen. Eike klettert noch auf den Mast. Die Fahrt mit dem Dinghi muss leider ausfallen, weil das Schloss am Dinghimotor komplett verrostet ist. Eine neue Baustelle…

Frohe Weihnachten 2021 in Aruba

Ursprünglich wollte ich den Beitrag an dieser Stelle schließen. Doch ich möchte vorher noch das neue Auto vorstellen. Ein roter Nissan. Die Farbe ist geschickt gewählt, denn es ist schwer zu unterscheiden, wo die rote Farbe vom Lack und wo sie vom Rost kommt. Der Wagen hat vier unterschiedliche Reifen, die unterschiedlich breit sind. Deswegen hat er einen gesunden Rechtsdrall auf der Straße. Definitiv kein Wagen, in dem man die Hand vom Lenkrad nehmen darf. Aber die Klimaanlage funktioniert. Sie ist aber keine Option, denn sie schluckt so viel von der Motorleistung, dass man besser ohne sie fährt. TÜV hat der Wagen nicht. Die Beifahrertür lässt sich nur von außen öffnen. Aber er fährt.

Der neue Wagen