Es ist wieder einmal Sonntag. Diesen Sonntag haben wir uns gut vorbereitet, denn wir wollen wandern gehen. Jens hat gestern Abend Pasta als Beilage zum Thunfisch gekocht, von der genug übrig ist, dass sie ihn mit einem Glas Pesto über den Tag bringen kann. Für mich ist nichts übrig geblieben. Das ist mir egal, denn ich mag sowieso keine kalte Pasta mit Pesto. Wir wollen nach Sete Cidades fahren, ganz in der Nähe von Mosteiros im Westen der Insel. Diesen Ausflug habe wir für den Sonntag geplant, denn sonntags fährt der letzte Bus zurück nach Ponta Delgada am spätesten.
Unser Bus fährt früh um 9 Uhr ab, der Supermarkt öffnet um 8:30 Uhr. Also stehen wir mitten in der Nacht um 7 Uhr auf. Eine unchristliche Zeit am christlichsten Tag der Woche. Pünktlich sind wir am Supermarkt, ich hole mir eine Hand voll Brötchen, sowie Wurst und Käse zum Belegen. Dann eilen wir an die Bushaltestelle, wo mir die Zeit reicht, das erste Brötchen des Tages zu verspeisen. Der Bus ist auch pünktlich und bringt uns in einer guten Stunde zum Miradouro da Lomba do Vasco, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung.
Zur Stärkung esse ich gleich das zweite Brötchen, dann geht es los. Der Weg ist breit, steil und sehr gut begehbar. Außer uns sind noch ein US-Amerikaner und zwei Franzosen in diese Richtung unterwegs. Es ist sehr lustig, denn wir sind alle mehr oder minder im gleichen Tempo unterwegs. Mal bleibt das eine Grüppchen für ein Foto stehen, dann das andere Grüppchen und dann der Solist.
Jetzt bin ich schon an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr viel zu schreiben habe. Deswegen möchte ich die Bilder für sich sprechen lassen, sozusagen ist es diesmal ein Bilderblog.
Inzwischen kommen uns immer wieder Wanderer entgegen. Wir sind ein wenig verwundert, doch wir grüßen brav. Wenn wir Franzosen hören, grüßen wir mit “bonjour”. Hören wir Englisch, sagen wir freundlich “hello”. Portugiesen mit “bom dia”, nur Deutsche hören wir nicht. Es grüßt uns allerdings niemand zurück, das wundert mich insbesondere bei den Franzosen. Wenn man in Frankreich wandern geht, kommt man manchmal aus dem “bonjour” überhaupt nicht mehr hinaus. Etwa eineinhalb Stunden haben wir gebraucht, bis wir die Hotelruine am Miradouro da Vista do Rei sehen. Das ist das Zwischenziel auf unserer Wanderung, es befindet sich mehr oder minder am höchsten Punkt.
Der Parkplatz ist gut belegt, jetzt wird uns klar, wo die ganzen anderen Menschen herkommen. Ich nenne sie jetzt nicht mehr Wanderer, sondern Spaziergänger. Und Spaziergänger grüßen nicht – oder wie ist das?
Der Blick vom Miradouro herunter auf den Doppelsee und Sete Cidades ist jedenfalls den anstrengenden Aufstieg wert. Gut fünf Kilometer stecken uns jetzt schon in den Beinen. Doch eines ist klar. Die ganzen anderen schönen Aufnahmen, die wir während unseres Aufstiegs geschossen haben, fehlen den gehfaulen Ausflüglern. Ich bin sehr froh, hier hochgekommen zu sein. Demnächst erscheint Teil 2!
Jetzt schreibe ich einmal etwas zum Thema Kultur. Beziehungsweise zum Thema Kunst. Also zum Thema Musik und Tanz. Micha von der Samai fragte mich vor ein paar Tagen, ob ich Interesse am Musikfestival in der Altstadt hätte. Ich wusste ja, dass es in der Stadt die eine oder andere Bühne gibt, doch ich habe an den Abenden den Hintern nicht hoch bekommen und bin an Bord geblieben. Die Blasmusik von der Bühne in der Nähe der Bushaltestelle hat mich auch nicht gerade motiviert, Sissi zu verlassen und mich in die Reihe der Zuschauer einzusortieren.
Bei einem meiner Spaziergänge in den Abendstunden kam ich schon einmal an einer der Bühnen vorbei. Es wurde Fado gespielt, traditionelle portugiesische Musik. Das ist nicht so mein Ding, ich finde es etwas fade. Auch die Blasmusik von dieser Bühne konnte ich bis zum Boot hören. Das hat mich nicht motiviert, Sissi zu verlassen und mich in die Reihe der Zuschauer einzusortieren.
Mir war gar nicht klar, dass Blasmusik und Fado schon Teile des Musikfestivals waren. Als ich mit Sandra und Micha in Richtung Altstadt spaziere, dabei mehrere Flaschen Sagres Bier im Rucksack trage, stelle ich mir die Frage, ob ich nicht Eulen nach Athen trage. Das Sagres hat mir Rebecca geschenkt, ich mag es gar nicht so sehr. Mir ist das Superbock lieber, doch Sandra steht auf Sagres. Also ist die Gelegenheit günstig, diese Flaschen mal ausgetrunken zu bekommen.
Nun steht die Bühne an einer anderen Stelle, es gibt andere Musik. Die Bühne wird innerhalb weniger Tage an verschiedenen Stellen in der Altstadt auf- und abgebaut. Mir wäre es egal, wo sie nun genau steht, aber dahinter ist sicher ein Plan. Zum Glück habe ich die Bierflaschen im Gepäck, denn im Gegensatz zu jedem anderen mir bekannten Musikfestival gibt es hier genau gar keine Verkaufsstände. Dafür gibt es heute traditionellen Volkstanz von den Azoren, genauer gesagt von Sao Miguel.
Die Tanzgruppe tritt in traditioneller Kleidung auf. Das Publikum besteht aus Touristen und Einheimischen. Die Sitzplätze sind zumeist von den Einheimischen belegt, wir stehen mit den meisten anderen Touristen am Rand. Das gibt mir aber die Gelegenheit, ein wenig herumzulaufen und Bilder und Videos anzufertigen. Von der Musik her ist es nicht wirklich mein Fall, doch es ist nicht so langweilig wie Fado. Dafür ist die Tanzperformance echt gut. Die Leute sind mit viel Engagement dabei, auch das Publikum geht mit. Okay, der einheimische Teil des Publikums klatscht den Rhythmus mit.
Nach ziemlich genau einer Stunde ist die Darbietung beendet. In dieser Zeit konnten wir zu dritt noch gar nicht den Sixpack Bier leeren. So schlendern wir noch etwas über den Kirchplatz. Die Zuschauer jedenfalls zerstreuen sich schnell, als hätten sie noch einen anderen Termin an diesem Abend.
Fünf Minuten nach dem Ende ist niemand mehr zu sehen. Nur der Bettler mit seinem Fahrrad versucht, bei den wenigen noch verbliebenen Touristen den einen oder anderen Euro zu bekommen. Auch wir schlendern gemütlich wieder in Richtung der Marina. Insgesamt ist es ein schöner Abend geworden.
Am folgenden Tag lassen wir das Festival aus, es wird Kinderunterhaltung geboten. Doch am Tag darauf gibt es Jazz. Angekündigt ist das Azorean Jazz Quartet. Sandra bleibt an Bord, Jens legt sich ins Bett, Micha und ich ziehen los.
Jazz hat offenbar nicht so viele Fans wie der Volkstanz, heute sind in den Sitzreihen noch viele Stühle frei. Auch diesmal sitzen vor allem die Einheimischen auf den Stühlen, wir Touristen stehen wieder ringsum. Ich habe nicht besonders viel Ahnung von Jazz, weiß allerdings, dass mir Free-Jazz ganz und gar nicht zusagt. Hier wird eher klassischer Jazz geboten. Micha nennt es “Gassenhauer”. Sicherlich die richtige Musik für diesen Anlass an diesem Ort.
Noch nie zuvor habe ich einem Saxofonisten so sehr beim Spielen zugesehen. Noch nie ist mir aufgefallen, wie dick die Backen beim Spielen werden. Auch diese Gruppe legt sich ins Zeug, jeder Spieler bekommt Raum für Soli. Als der Pianist plötzlich zur Toilette muss, schauen die anderen drei erst einmal blöd aus der Wäsche, dann stimmen sie zu dritt ein weiteres Lied an.
Die Kirchenglocke schlägt 22 Uhr. Der Pianist läutet auf seinem Piano mit. Eine feine Sache. Auch wenn die wenigsten dieses Video bis zum Ende schauen werden, filme ich eines der Stücke mal von Anfang bis Ende. Auch diesmal ist die Vorstellung nach einer Stunde vorbei, Micha und ich gehen gut unterhalten zurück zu unseren Booten.
Mal wieder zieht es uns in die Tiefe, in die Dunkelheit, die nur durch ein paar elektrische Lampen erhellt wird. Wir haben eine Reservierung für die kurze Tour in der Gruta do Carvao, der Kohlengrotte.
In dieser Grotte gibt es nur geführte Touren. In den beiden Grotten auf Terceira konnten wir so herumlaufen bzw. mussten es machen, hier dürfen wir es nicht. Ich plane das ganz präzise. Mit der gelben Minibuslinie kann man bis auf 200 Meter an den Eingang der Grotte fahren. Das ist praktisch, günstig und erspart das Laufen immer den Berg hinauf. Am Tag meines Anrufs sind keine Plätze mehr frei, doch für den Folgetag kann ich zwei Plätze für die 11:30 Uhr Führung buchen. Für die lange, dreistündige Führung sind sie den gesamten Sommer über ausgebucht. Für die kurze Führung von einer Dreiviertelstunde Dauer haben wir nun die Plätze.
Ganz entspannt frühstücken Jens und ich. Der Termin um 11:30 Uhr ist bequem zu erreichen. Eine gute halbe Stunde vorher spazieren wir zur Bushaltestelle. Dort ist gerade kein Bus zu sehen. Regen setzt ein. Ich starte die Minibus-App um zu sehen, wo sich der nächste gelbe Bus befindet. Die App zeigt mir nur einen leeren Bildschirm. Einen fast leeren Bildschirm, denn irgendwo am Rand fährt ein einsamer Bus auf der blauen Linie. Es fällt mir wie Schuppen aus den Haaren, heute ist Samstag! Eingeschränkter Verkehr. Den Bus zur Grotte können wir uns abschminken, er fährt heute nicht.
Der Regen wird stärker. Zuerst wollen wir zur Grotte laufen, doch zeitlich wäre das eine echte Herausforderung. Außerdem regnet es, ich habe keine Lust zu laufen. An der Ecke steht ein Taxi, das wir uns sofort schnappen. Nach einigen Sprachproblemen gelingt es mir, den Namen der Grotte so auszusprechen, dass ihn der Taxifahrer auch versteht. Fünf Minuten und fünf Euro später sind wir vor der Tür. Schneller als erwartet, der Regen hört auch schon wieder auf. Im Besucherzentrum habe ich noch genug Zeit, das obige Foto des Luftbilds zu machen.
Die Führung geht los, wir steigen viele Treppenstufen hinunter in den Keller. Dann werden alle Besucher mit Helmen ausgestattet. Anschließend geht es noch weiter in die Tiefe und durch eine Betonröhre, bis wir uns im nördlichen Bereich der Grotte sammeln und die Führerin in gutem Englisch loslegt. Man merkt, dass sie diese Führung schon sehr oft geleitet hat, sie leiert ein wenig und spricht sehr, sehr schnell. Das tut den Informationen aber keinen Abbruch. Zum Beispiel der Name Kohlengrotte. Er kommt daher, dass man gehofft hat, Kohle in der schwarzen Umgebung zu finden. Hat man natürlich nicht, auf den Azoren gibt es keine Kohle.
Sie erklärt uns die zwei verschiedenen Arten von Lava, die schnell oder langsam fließen und in verschiedenen Formationen erkalten. Das kann ich mir nicht alles merken. Außerdem darf ich noch für eine ältere Französin übersetzen, die neben mir etwas verloren im Tunnel steht. An den Wänden befinden sich vielerorts Bakterien, die noch nicht gut erforscht sind und die man töten würde, wenn man an die Wände fasst. Deswegen darf man nicht an die Wände fassen. Die Französin will an die Wände fassen, ich übersetze ihr die Worte der Führerin.
Entdeckt wurde die Höhe übrigens bei der militärischen Kartierung der Insel. Das Militär braucht genaue Karten und so sind sie auch auf die Höhle gekommen. Da die Höhle unter Ponta Delgada bis hin zum Hafen führt, ist sie innerhalb der Stadt zu großen Teilen eingestürzt oder durch Haus- und Straßenbau schwer beschädigt. Deswegen sind nur noch zwei Kilometer zugänglich, auf der kurzen Tour sind es lediglich zweihundert Meter. Die lange Tour sei jedoch schon für den ganzen Sommer ausgebucht.
Nach nur wenigen Schritten erklärt uns die Führerin, dass wir mit dem nördlichen Tunnel jetzt durch sind und uns frei bewegen und fotografieren können. Nur in den hinteren Bereich sollen wir nicht gehen, dort würde lediglich die lange Tour hinführen. Die lange Tour sei aber schon den ganzen Sommer über ausgebucht. Die Französin will erst in diesen Bereich klettern, ich übersetze für sie. Sie war schon auf Island in verschiedenen vulkanischen Tunneln, die jedoch völlig anders gewesen seien. Sollte ich einmal nach Island kommen, sehe ich mir auch dort einen Lavatunnel an.
Jetzt werden wir wieder durch die Betonröhre geführt, dann durch eine zweite Betonröhre und wir stehen in einer weiteren Halle. Die Führerin erklärt uns, dass der Bau der Betonröhren erforderlich wurde, als die Autobahn gebaut wurde. Durch die Verdichtung des Bodens beim Autobahnbau ist ein Teil des Lavatunnels eingestürzt.
Des weiteren bekommen wir erzählt, dass es in der Gruta do Carvao drei Stellen gibt, an denen das Tageslicht einfällt. Davon ist eines hier auf der südlichen Seite zu sehen, es ist jedoch zugeschüttet. Die beiden anderen, von denen nur noch eines offen ist, sind Teil der langen Tour, doch die lange Tour ist ja bekanntermaßen auf Monate ausgebucht. Diesen Fakt wiederholt sie sehr oft.
Das Verfüllen der Oberlichter ist notwendig geworden, weil die Einwohner dort ihren Müll hineingeworfen haben. Als die Grotte für die Besucher zugänglich gemacht wurde, musste man knapp 25 Tonnen Müll aus der Grotte entfernen. Insofern ist das Zuschütten der Löcher eine sinnvolle Alternative. Das offene Oberlicht, das man bei der langen Tour sehen würde, sei wunderschön und würde vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum geben. Aber die lange Tour ist….
Wir gehen tiefer in den Lavatunnel hinein. Nun dürfen wir uns auch mit den Händen an den Wänden abstützen. Hier wohnen keine Bakterien mehr. Einige wenige Insekten leben in der Grotte in der Dunkelheit, es ist praktisch nicht möglich sie zu sehen, da sie das Licht meiden.
Auf dem obigen Bild unten rechts ist ein kleines Loch, das den Start der langen Tour bildet. Die Führerin fragt uns, wie weit wir hier wohl unter dem Erdboden sein mögen, sind wir doch einige Meter in Richtung Süden gelaufen und davor viele, viele Treppenstufen in den Keller herunter geklettert. Wir sind an dieser Stelle lediglich drei Meter tief und können Baumwurzeln sehen, die ihren Weg in den Tunnel gefunden haben.
Die Führerin reicht uns ein wenig Vulkangestein, das wir anfassen dürfen. Sie lässt auch einen größeren Brocken Lava in der Runde herumgehen. “Meine” Französin ist verwundert über das Gewicht. Die Lava auf Island sei wesentlich leichter gewesen. Wir werden eingeladen, über den gemaserten Felsbrocken zu streichen und etwas davon abzubrechen. Die Führerin lacht anschließend und sagt, man könne sich höchstens die Fingernägel daran abbrechen.
Dann erklärt unsere Führerin die Führung für beendet. Jeder könne jetzt noch Fotos machen und ein paar Minuten bleiben. Anschließend solle man zum Ausgang gehen. Ich gönne mir noch eine Aufnahme von der wirklich stimmungsvoll beleuchteten Höhle. Dann machen Jens und ich uns über die Treppe wieder auf den Weg nach oben.
Die im Souvenirshop angebotenen T-Shirts gefallen mir nicht, außerdem wollen Jens und ich noch auf den Rathausturm klettern. Heute zieht es uns nicht nur in die Tiefe, heute führt es uns auch in die Höhe. Es regnet nicht mehr. Am Rathausturm haben wir kein Glück, der hat nur an Werktagen geöffnet. Werktage sind in Portugal Montag bis Freitag. Pech gehabt, dann müssen wir am Montag wiederkommen.