Internet-Entwicklungsland Deutschland

Ich möchte jetzt nicht über fehlende Mobilfunkmasten, die Internetanbindung auf dem platten Land oder die teuren Tarife im internationalen Vergleich lamentieren. Ich möchte über die Infrastruktur schreiben, die die Bundesregierung uns Deutschen im Ausland zur Verfügung stellt – Elefand.

Elefant. Hat nichts mit Elefand zu tun. Ist verdammt schlau.

Die Bundesregierung weiß nicht, wo sich die Deutschen im Ausland so herumtreiben. Woher soll sie das auch wissen? Wir lenken Sissi schließlich dort hin, wo uns der Wind hintreibt. Es sollen sich auch über 100000 Deutsche im Ausland befinden, manche sind nur für einen Wochenendtrip nach Wuhan gefahren, andere verbringen Monate und Jahre in fernen Ländern.

Um Unterstützung von der deutschen Botschaft zu bekommen bzw. nach Deutschland heimgeholt zu werden, kann man sich in die sogenannte Elefand-Liste eintragen. Dabei steht Elefand nicht für das Tier, sondern ist ein Akronym für “Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland”. In der Presse habe ich davon gelesen und dachte gestern, dass es nicht schaden kann, wenn wir uns dort registrieren. Also los.

Ich klappe das Notebook auf und beginne mit der Arbeit, rufe die URL auf. Die Webseite antwortet mir mehrfach mit Fehler 503. Das bedeutet, dass der Server quietscht und überlastet ist. Ich probiere es ein paar Mal dann darf ich die Startseite sehen und muss mich zunächst einmal registrieren.

Elefand Startseite

Schon nach vier oder fünf Versuchen habe ich mich registriert, danach bekomme ich eine Email mit einem Aktivierungslink. So weit, so gut. Der Aktivierungslink funktioniert sofort. Ich will weiter arbeiten.

Ich muss nur drei oder vier Mal die Login-Daten eingeben, da erscheint vor meinen Augen ein Formular, das sich hinter einem gewöhnlichen Immigrationsformular eines Karibikstaates nicht verstecken muss. Deutschland gehört definitiv zu den führenden Ländern in Sachen Formularentwicklung. Ich kann sogar sehen, dass es die erste Seite von fünf Seiten ist. Toll, ich fülle gerne Formulare aus.

Passnummern, Ausstellungs- und Ablaufdaten unserer Reisepässe habe ich im Kopf. Das ist kein Problem, die musste ich in den letzten Monaten so oft in Formulare eintragen, da bleiben sie irgendwann hängen. Kurz stellt mich die Frage auf die Probe, welche diplomatische Vertretung denn für uns zuständig ist auf Aruba. Natürlich – Amsterdam. Ist doch logisch. Unsere Adresse im Ausland (eigenes Segelboot, Renaissance Marina, Oranjestad) kann ich schnell googeln. Die leeren Felder im Formular füllen sich nach und nach und es dauert nur eine knappe halbe Stunde, bis ich fertig bin. Dann drücke ich den Knopf “Senden”. Dann erhalte ich wieder einen Fehler 503.

Übliche Elefand Fehlermeldung

Ich drücke die Taste “Zurück” in meinem Browser und probiere es noch zwei- oder dreimal mit der Übermittlung der Daten. Schließlich möchte ich mit den Eingaben nicht wieder von vorne anfangen müssen. Der blöde Server merkt jedoch, dass ich es mehrfach mit der Zurück-Taste probiert habe. Er weigert sich nun, die Daten anzunehmen. Statt dessen erscheint wieder das leere Formular. Das kotzt mich an. Ich hole mir ein Bier aus dem Kühlschrank.

Wenn die Infrastruktur der Bundesregierung es nicht hergibt, dass sich 100000 Deutsche dort registrieren, dann sollen sie mir dem dem Scheiß gestohlen bleiben. Wieviele Leute können auf Amazon gleichzeitig ihre Hamster bestellen? Oder Netflix gucken? Wir wollen ja gar nicht nach Hause geflogen werden, wir wollen selbst fahren. Es ist mit Elefand wahrscheinlich so wie mit den meisten Hafen-WLANs. In der Nacht funktioniert es besser. Ich werde es noch einmal probieren, wenn es Nacht ist auf der Welt.

Wenn es hier wirklich hart auf hart kommt, laufe ich mit meinem Papierkram zur freundlichen Honorarkonsulin und mache das da vor Ort.

Abschiedsessen und Ausklarieren

Unsere Zeit auf Teneriffa geht dem Ende zu. Deswegen haben wir uns mit den Crews der Roede Orm und der Grace zu einem gemeinsamen Abschiedsessen im Restaurant verabredet. Erfahrungsgemäß ist es besser, wenn man die Feierlichkeiten zum letzten Abend am vorletzten Abend laufen lässt. Dann startet man ausgeschlafen und ausgeruht in den Segeltag.

La Hierbita

Ich spaziere also am Nachmittag durch die Stadt und versuche, ein Restaurant wieder zu finden, das mir vor ein paar Tagen schon aufgefallen ist. Wenn man zur besten Essenszeit mit sieben Personen irgendwo einfällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie einen wieder davon schicken.

Der Kellner, der meinen Reservierungswunsch in das dicke Buch einträgt, meint zu mir, dass es ein hässlicher Abend sei. Es sei viel los, weil ein Festival stattfindet. Tatsächlich bauen sie schon seit Tagen das Konzertgelände direkt neben der Marina auf.

Konzertgelände

Jens und ich machen uns langsam ausgehfertig und gehen noch einmal unter die Dusche. Beinahe wollen wir schon von Bord gehen, da klopft es an die Bordwand. Drei einigermaßen abgerissene Gestalten stehen dort und mein erster Gedanke ist, dass da schon wieder Anhalter über den Atlantik mitgenommen werden wollen.

Spanish Customs
Der erste der drei hält mir einen offiziellen Ausweis unter die Nase und wenige Minuten später sitzt der spanische Zoll bei uns im Cockpit. Wir werden ausgefragt über unsere Reiseroute, müssen alle möglichen Schiffsdokumente hervorzaubern und anschließend wird Sissi noch fotografiert. Gleich nach der Ankunft meint der Oberzöllner zu uns: “I apologize in the name of the Spanish Kingdom for the man that is going to sing!” Auf gut Deutsch: Der Zöllner hat sich für den Kerl entschuldigt, für den sie die Bühne aufgebaut haben. Noch hören wir nichts. Der Zöllner bemerkt außerdem, dass seine Großmutter ein großer Fan des Sängers sei.

Schlange am Einlass

Wir treffen uns also mit der Roede Orm und der Grace vor den Marinatoren. Dabei sehen wir zu, wie die Schlange am Einlass langsam vorrückt. Wir hoffen, dass wir beim Abendessen das Konzert verpassen.

Die Sitzreihen füllen sich.

Meine Nase hat mich nicht betrogen. Das Restaurant ist gut. Das Restaurant ist richtig gut. Wir schlemmen ordentlich. Als dumme Deutsche haben wir uns pro Person eine Vorspeise bestellt, davon eine Vorspeise drei Mal. Das war Blödsinn, denn die Spanier sind es gewohnt, ihre Vorspeisen am Tisch zu teilen. Ein Teller wäre auch genug gewesen, da hätten wir besser noch eine andere Vorspeise dazu bestellt. Auch der Hauptgang ist lecker, ein Dessert passt bei keinem mehr rein.

Drei Segelboote an einem Tisch

Mit prall gefülltem Magen rollen wir uns wieder zurück an Bord. Schon mehrere hundert Meter vor der Marina ist das Konzert zu hören. Es bringt nichts, dass einige der Protagonisten noch an verschiedenen Geldautomaten Zeit schinden, wir hören das Konzert auch an den Geldautomaten.

Konzert läuft

Also setzen wir uns noch gemeinsam ins Cockpit der Sissi und feiern weiter, denn man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Bei dem Gejodel aus dem Konzert ist an Schlaf nicht zu denken. Ach ja, wir haben den Hauptdarsteller auf Youtube gefunden:

https://www.youtube.com/watch?v=rAmHlGPXpmw&feature=youtu.be
Der Zöllner tat recht daran, sich zu entschuldigen.

Am Mittag des folgenden Tages gehe ich zur Hafenpolizei. Ich habe alle Papiere von Sissi und der Crew dabei.

Das Ausklarieren ist in 10 Minuten erledigt, viel länger hat es gedauert, den Polizisten vor dem Gebäude zu erklären, was ich von ihnen haben möchte.

Nun haben wir mit Sissi offiziell die Europäische Union verlassen und müssen innerhalb der nächsten 24 Stunden (oder so ähnlich) den Hafen verlassen. Nichts anderes haben wir vor. Adios Espana. Tschüß Europa. Karibik, wir sind fast schon unterwegs.

Segelbürokratiepapierkram

Ende gut, alles gut. Wir haben eine neue Genua gekauft und diese ist bei uns auf dem Schiff. Insofern hätte das alles schlechter enden können. Immerhin haben wir jede Menge Mehrwertsteuer eingespart. Allerdings frage ich mich, ob wir diese Genua überhaupt noch einmal mit in die EU nehmen dürfen. Vielleicht sollte ich nicht darüber schreiben?

Es fing alles damit an, dass wir unsere Genua während der Überfahrt zu den Kanaren zu spät gerefft haben und uns deswegen das Unterliek abgerissen ist. Es fing eigentlich schon beim Kauf von Sissi an, denn die Genua war nicht mehr richtig taufrisch. Der Segelmacher in Stavoren hat uns schon gesagt, dass sie nicht mehr lange halten wird. Deswegen war sowieso schon geplant, unterwegs eine neue Genua machen zu lassen. Blauäugig und unerfahren wie ich bin, wollte ich das auf den Kanaren erledigen. Dort sind viele Segelboote, wo Segelboote sind gibt es Segelmacher und Segelmacher machen Segel. Dachte ich. Und auf den Kanaren gibt es keine Mehrwertsteuer, also muss das Segel dort billiger sein. Dachte ich.

Genua beim Segelmacher

Wir trugen unsere Genua also in Puerto Calero zum Segelmacher. Der sollte uns das Unterliek annähen und eine neue Genua machen. Ersteres konnte er anbieten. Danach war die Genua zumindest wieder verwendbar. Letzteres konnte und wollte er nicht.

“Hier auf den Kanaren bestellen alle Leute ihre Segel entweder in Deutschland oder in England. Die Segel sind dort schneller fertig und kosten weniger.” So viel also zu meinem Plan. Also klemmte ich mich ans Telefon und fand einen Segelmacher in Deutschland, der uns schnell eine Genua nähen und nach Lanzarote schicken wollte. Da wir sowieso eine Woche in Frankfurt eingeplant hatten, war das mit der Wartezeit nicht so schlimm. Mit wurde genau erklärt, was wir alles ausmessen müssen, damit das neue Segel passt. Der Segelmacher in Puerto Calero hat uns noch beim Messen geholfen. So weit, so gut.

Ausmessen

Dann ging ich schnell noch an den Computer, habe die Anzahlung nach Deutschland überwiesen und telefonisch geklärt, wie das mit der Lieferung sein soll. Die Lieferadresse habe ich mir aus dem Internet heraus gesucht (Marina Rubicon) und übermittelt. Wir haben inzwischen so viele Lieferungen bekommen, dass es schon zur Gewohnheit wird, der Lieferadresse den Schiffsnamen und meinen Namen voran zu stellen. So weit, so gut.

Montag, 25. November
Während unseres Aufenthalts in Frankfurt ruft mich der Segelmacher an und teilt mir mit, dass die Genua versandfertig ist. Er will wissen, ob ich sie nicht lieber nach Frankfurt geliefert haben möchte, damit ich sie selbst mitnehmen kann. Das hätte ich sogar gemacht, wenn unser Rückflug nicht am nächsten Tag gewesen wäre. Das Segel wird also UPS anvertraut. Immerhin haben wir mit diesem Paketdienst noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Dienstag, 26. November
UPS sendet noch vor unserem Rückflug eine Email, dass unsere Genua am Donnerstag geliefert werden soll. Wow, dachte ich. Nur drei Tage von Deutschland bis Lanzarote. Da können sich andere Paketdienste einige Scheiben abschneiden.

Mittwoch, 27. November
UPS sendet eine Email, dass unser Segel in Gran Canaria eingetroffen ist. Dann folgen im Dreistundentakt weitere Emails, übrigens alle auf Spanisch, die eine Exception für die Lieferung vermeldeten. Mit Hilfe von Leo können wir herausfinden, dass es darum geht, dass die Genua im Zoll festhängt und es nicht an UPS liegt, dass sie nicht weiter transportiert wird. Egal. Die Genua ist schon ganz in der Nähe.

Donnerstag, 28. November
Der Tag der angekündigten Auslieferung. In meiner Mailbox sind schon wieder mehrere Mails von UPS, die weiterhin die Zollabfertigung vermelden. Liebe Leute in Deutschland, ihr wisst gar nicht, wie gut wir es mit der europäischen Zollunion haben. Die Genua bleibt im Zoll, ich komme kaum hinterher, die ganzen Mails von UPS zu löschen. Die haben da eine echte Spam-Maschine installiert.

Freitag, 29. November
Es kommt eine Mail von UPS, die die Auslieferung des Pakets für Montag, den 2. Dezember ankündigt. Schön. Das reicht uns. So weit, so gut.

Montag, 2. Dezember
Am frühen Nachmittag bekomme ich eine Mail von UPS, dass das Paket hätte ausgeliefert werden sollen, die Marina aber die Annahme verweigert hat. Wir finden heraus, dass es darum ging, dass 210€ Zollgebühren fällig gewesen wären und dass die Marina nicht “das Paket”, sondern “den Papierkram” abgelehnt hat. UPS sendet eine Mail, dass das Paket nun auf dem Rückweg sei. UPS fragt an, ob die Ware vernichtet werden darf. Jens und ich drehen durch. Die Marina hat uns erklärt, dass bei der Adresse der Zusatz “yacht in transit” fehlt. Wie bekommen wir diesen Zusatz auf die Adresse? Bei UPS meldet sich niemand mehr.

Dienstag, 3. Dezember
Wir versuchen, UPS auf Gran Canaria zu erreichen. Aussichtslos. Bei UPS in Spanien spricht man kein Englisch. Wir sprechen kein Spanisch. UPS in Deutschland können wir von hier aus nicht anrufen, weil die 0180er Nummer nicht aus dem Ausland anrufbar ist. Wir versuchen, die Adressänderung über den Segelmacher zu erreichen. Ich rufe Marcos an, meinen ehemaligen Chef, der Spanisch als Muttersprache kann. Er erklärt sich bereit, mit UPS in Spanien zu telefonieren. Außerdem kann er mit UPS in Deutschland telefonieren.
Jutta von der Chapo ruft ihren Sohn an. Der spricht ebenfalls fließend Spanisch. Ihm gelingt es, den Paketfahrer Alberto zu erreichen. Der hat das Paket noch in seinem Auto liegen. Jens überredet den Chef von der Marina, das Paket doch anzunehmen. Zum Glück hat Alberto die schwere Kiste noch nicht wieder aus dem Auto ausgeladen. Alberto will am folgenden Tag noch einmal vorbei kommen.

Lieferwagen

Mittwoch, 4. Dezember
Wir warten gespannt auf Alberto. Ich campiere mit einer Brotzeit in der Nähe des Marinabüros im Schatten. Jens wartet am Boot, falls Alberto das Paket direkt an den Steg fährt. Derweil darf er das Deck weiter streichen. Am frühen Nachmittag ist es dann so weit. Der Lieferwagen kommt.

Daumen hoch!

Alberto liefert das Segel im Marinabüro ab und kassiert die 210€ Zollgebühren. 30 Sekunden später bekomme ich von der Marina eine Rechnung über 270€. Die schlagen einen Haufen Gebühren für die Annahme des Pakets drauf. Egal. Scheißegal.

Alberto bringt uns das Segel dann noch an den Steg und bekommt von Jens ein freundliches Trinkgeld in die Hand gedrückt. Vielleicht wird er noch ein Segel für einen anderen Segler transportieren. Auf jeden Fall macht er keinen unglücklichen Eindruck auf mich, als er die Marina wieder verlässt.

Paket mit dem Segel drin

Nun liegt sie da, unsere neue Genua. Wir würden sie gerne hochziehen, doch das ist mit den Windböen derzeit gerade nicht möglich. Das Paket haben wir ausgepackt, die Genua in der Vorschiffskoje verstaut und darauf ein Bier getrunken.

Einerseits hat der Spaß eine Menge Zoll- und Marinagebühren gekostet, andererseits haben wir durch die Lieferung nach Lanzarote eine Menge Mehrwertsteuer gespart. Das ist das Gute daran. Hätten wir das Segel nach Frankfurt liefern lassen, wäre das nicht der Fall gewesen.

Segel

Ob wir die neue Genua allerdings wieder nach Deutschland einführen dürfen, weiß ich nicht. Vielleicht müssen wir sie dann noch versteuern. Ich hebe sicherheitshalber mal die Rechnung mit den Gebühren auf. Es geht westwärts, da gilt das deutsche Zoll- und Steuerrecht nicht.

Danke an alle, die uns geholfen haben oder helfen wollten, das Tuch aus dem Zoll zu bekommen. Danke an Alberto, David, Jutta, Marcos, Stefan und Frau N. von der Segelmacherei. Alles ist gut.