Caledonian Canal

In Inverness sind wir in den Caledonian Canal gefahren, der die Nordostküste Schottlands mit der Westküste verbindet. Eine Gelegenheit, mit einer hochseetauglichen Segelyacht durch die Highlands zu fahren, hat man nur hier. Für die Frachtschifffahrt gebaut, wird er heute gerne von Seglern genutzt, die sich die Umrundung der nördlichen Spitze Schottlands sparen möchten. Dafür zahlt man allerdings auch kräftig Geld. In unserem Fall kostete die Durchfahrt 273 Pfund (für ein 8-Tage-Permit).

Weg von Whitehills nach Inverness

Der größte Teil des Kanals besteht aus natürlichen Seen (Lochs), die durch Kanalstücke miteinander verbunden sind. Wenn du mehr wissen möchstest, folge dem Link zu Wikipedia, den ich oben gesetzt habe. Das berühmteste Loch ist Loch Ness – nur echt mit dem Monster.

Inverness
Unser erster Stopp im Kanal war in der Seaport-Marina in Inverness. Dort haben wir den Dieseltank wieder aufgefüllt und uns erst einmal von den Strapazen der Anreise erholt. Ich kann jedem Segler nur empfehlen, möglichst gleich in den Kanal zu fahren. Vergangenes Jahr waren wir zuerst in der Inverness-Marina und haben dort die erste Nacht verbracht. Das hat ein Heidengeld gekostet. Die erste Nacht in der Seaport-Marina ist in den Kanalgebühren inbegriffen.

Blick auf die Seaport-Marina

Auch die Bevorratung in der Seaport-Marina ist sehr einfach, denn der Coop ist nur 200 Meter entfernt. Letztes Jahr sind wir eine Dreiviertelstunde von der Inverness-Marina zu Aldi gelaufen und mit einem Taxi wieder zurückgefahren. Insgesamt war das ein teurer Einkauf.

Direkt nach der Marina kommt eine Schleusentreppe mit vier Schleusen. Dort übt man sich in Kanalschleusen. Anschließend geht es entspannt weiter.

Der Kanal wird im Sommer von 8 Uhr bis 17 Uhr betrieben. Das bedeutet, dass man irgendwann um 8:30 Uhr mit der ersten Schleusen- oder Brückenbedienung rechnen kann und dass die letzte Schleusung etwa gegen 16:30 Uhr stattfindet, weil der Schleusenwärter pünktlich Feierabend machen möchte.

Der Schleusenwärter an der Seeschleuse (Clachnaharry Sea Lock) hat uns den Pub in Clachnaharry wärmstens ans Herz gelegt. Getreu dem Motto “wenn du nicht im Pub warst, hast du den Ort nicht besucht” haben wir uns den Ratschlag natürlich zu Herzen genommen. Und genauso natürlich war es, dass uns nach dem Eintritt in den Gastraum der Schleusenwärter begrüßt und eine Bierempfehlung abgegeben hat.

Eisenbahn-Drehbrücke in Clachnaharry

Nach der Durchfahrt durch die Seeschleuse mussten wir erst einmal auf den Zug warten, denn es kreuzt eine Eisenbahnstrecke den Kanal. Auf diesem Bild ist einmal die Drehbrücke für die Züge zu sehen, am rechten Rand ist das Bahnwärterhäuschen der Brücke.

Zug auf der Drehbrücke

Auf unserem Weg zum Pub mussten wir die Eisenbahn auf einer Brücke überqueren. Der Blick von dort war so gut, dass meine Eisenbahn-Fotografie-Gene mich zu einem Stopp nötigten. Okay, ich gebe zu, dass ich vorher einen Blick in den Fahrplan geworfen habe. Wir mussten nur fünf Minuten auf den Zug warten.

Clachnaharry Inn

Die fünf Minuten Wartezeit können lang werden, wenn der Pub gleich um die Ecke ist. Auch das Bild vom Clachnaharry Inn ist von der Brücke aus geschossen worden. Nach der Aufnahme des Zuges war der Durst so groß, dass wir sofort weiter in den Pub gegangen sind.

Begrüßung im Clachnaharry Inn

Das Bier anschließend war sehr lecker. Jens musste noch ein paar Nachrichten verschicken, bis er endlich sein Glas an den Bart bekam. Der Bart braucht mal wieder eine Klinge, sonst trinkt er zu viel von dem guten Bier mit.

Jens im Beergarden

Während wir das Bier tranken, hörten wir den nächsten Zug pfeifen, bevor er über die Drehbrücke kam. Also nahmen wir die Kameras ein weiteres Mal hoch und das Ergebnis ist folgendes:

Zug vor dem Clachnaharry Inn

Auch die anderen Gäste im Pub haben sich nach dem Zug umgedreht. Es ist ja nicht so wie in Frankfurt, wo auf den Bahnstrecken ständig Züge unterwegs sind. Scotrail fährt keinen Taktfahrplan, verbindet aber die wichtigsten Orte Schottlands miteinander. Die Passage eines Zuges wird jedenfalls gewürdigt.

Am nächsten Tag hatten wir den passenden Wind, um über das Loch Ness zu segeln. Wir konnten unseren Parasailor ausführen und wurden von der Crew der Fairytale fotografiert. Am Abend lagen wir nebeneinander und konnten Bilder austauschen, denn auch wir haben die Fairytale ablichten können.

Sissi mit Parasailor auf dem Loch Ness (Foto: sy-fairytale)

Fort Augustus
Unser nächster Stopp im Caledonian Canal war in Fort Augustus. Der Ort liegt am Ausgang von Loch Ness, ist komplett mit Touristen überlaufen und es gibt dort eine Besonderheit, eine Schleusentreppe mit fünf Schleusenkammern. Hier starten Loch Ness “Kreuzfahrten” und es werden Busladungen von Japanern in dem Ort ausgekippt. Da hat man es als Segler nicht leicht, denn man gehört zur Dekoration.

Japaner auf dem Anlegepontoon für Boote

Die Japaner haben gar keinen Grund, runter auf den Anlegepontoon zu kommen, denn der Fußweg zum Loch Ness befindet sich oberhalb der Treppenstufen. Es kommen jedoch Dutzende herunter und hantieren mit ihren Smartphones. Und sie fassen fremde Schiffe an. Ich wundere mich, dass sie nicht auf die fremden Schiffe klettern.

Japaner posieren vor Sissi

Niemand hat mich um Erlaubnis gefragt, sie haben Sissi einfach so angefasst. Was würden diese Menschen wohl sagen, wenn ich in Japan ihre Autos oder gar ihr Haus anfassen würde, um für ein Foto zu posieren. Ich denke nicht, dass sie glücklich darüber wären. Es macht auch keine Spaß, wenn man beim Morgenkaffee diesem Terror ausgesetzt ist.

Auch in der Schleusentreppe ist man als Segler Attraktion und Dekoration. Es wird gefilmt, fotografiert und es werden blöde Fragen gestellt: “Fahrt ihr aufwärts oder abwärts?” (Der Bug aller Schiffe in der Schleusenkammer zeigte nach oben.) “Wozu sind die Schleusen? Könnt ihr nicht einfach so hochfahren?” (Im Physikunterricht nicht aufgepasst.) “Seid ihr aus Deutschland?” (Deutsche Flagge weht am Heck.) Diesmal habe ich es den Leuten gezeigt, ich habe zurück fotografiert.

Wir haben auch Kameras dabei!

Ich finde es weniger schlimm, in der Schleusenkammer “bei der Arbeit” fotografiert zu werden als morgens beim Frühstück, wenn ich noch nicht richtig wach bin. Wer die Öffentlchkeit nicht ertragen kann, sollte nicht in Fort Augustus durch die Schleusen fahren. Oder nur bei extrem schlechtem Wetter.

Laggan
Der nächste Stopp war in Laggan. Über den Ort gibt es wenig zu schreiben, denn er existiert schlichtweg nicht so richtig. Laggan ist vor allem eine Schleuse, die den Kanal vom Loch Lochy trennt. Auf dem Weg von Fort Augustus nach Laggan sind wir eine ganze Weile an der Schleuse in Kytra hängen geblieben, weil diese ihren Betrieb aufgrund des Gewitters zeitweise eingestellt hat. So schafften wir es bis 17 Uhr nur noch nach Laggan. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn in Laggan gibt es zwar nicht viel, jedoch gibt es einen Pub. Einen schwimmenden Pub. Den haben wir letztes Jahr schon kennen gelernt und mussten ihn dieses Jahr natürlich wieder besuchen.

Eagle – the Inn on the water

Ein altes holländisches Frachtschiff wurde in den Caledonian Canal geschafft und zu einem Pub umgebaut. Die Maschine ist noch voll funktionstüchtig und die Besitzerin mein, dass sie gelegentlich angeworfen wird, damit man sehen kann, ob sie noch funktioniert. Spezialität sind Currys und es gibt auch ein Hot Chili, das seinem Namen alle Ehre macht. Wenn man sowieso gerade vor der Schleuse auf den nächsten Tag wartet, ist ein Besuch eigentlich Pflicht.

Wahre Worte. Eines der besseren Pubschilder

Der Wirt hat eine Challenge ausgerufen. Wer seine scharfe Sauce isst und das gut verträgt (genaue Teilnahmebedingungen hängen aus), kommt in die “Hall of flame” und braucht das Essen nicht zu bezahlen. Es sind nicht viele, die das geschafft haben.

Eagle von innen

Man befindet sich hier übrigens auf dem höchsten Punkt des Kanals, von Inverness kommend ist Laggan Lock die erste Schleuse, in der man abwärts geschleust wird. Der Ausgang führt auf das Loch Lochy. Das Wetter war ein Traum.

Loch Lochy

Zu dem Nebel und dem gelegentlichen Regen kam hinzu, dass der Wind uns mit 30 Knoten genau ins Gesicht blies, einige Böen gingen sogar bis 38 Knoten hoch – also Windstärke 7-8. Das liegt daran, dass das Loch von hohen Bergen gesäumt ist und somit eine perfekte Düse darstellt. Die Kanuten, die in der Gegenrichtung unterwegs waren, wussten das sicherlich zu schätzen. Wir hatten es einfacher, wurden nicht nass und während der Autopilot den Kurs hielt, konnten wir noch etwas Lasagne im Ofen aufwärmen. Das Leben auf einem Segelboot ist gar nicht so schlecht.

Und wenn der Wind so stark bläst, können die Midgees nicht fliegen. Ist also das beste Wetter, das ich mir für einen Schottland-Aufenthalt so vorstellen kann.

Banavie
Der folgende Stopp war in Banavie. Hier stoppten wir zwangsweise, weil ein Gewitter die Eisenbahn-Drehbrücke unterhalb von Neptuns Staircase beschädigt hat. Unserer Stimmung tat das keinen Abbruch, schließlich haben wir Zeit. Nach einem leckeren Steak vom schottischen Rind zum Abendessen haben wir noch einen Spaziergang zum Pub gemacht.

Eisenbahn-Drehbrücke mit Harry-Potter-Dampfzug

Auf dem Weg zum Pub kamen wir an der bewussten Drehbrücke vorbei. Ich konnte noch schnell ein Foto vom Jacobite-Express, dem Harry-Potter-Dampfzug, machen. Irgendwas ist immer mit dem Kanal, wir sind vergleichsweise gut durchgekommen. Im vergangenen Jahr hatten wir Stromausfall an der Schleuse in Gairlochy, ein Kreuzfahrtschiff ist in einer Schleuse stecken geblieben und eine Drehbrücke konnte aufgrund der Hitze nicht mehr öffnen. Insofern ist der Blitzschlag eine Kleinigkeit.

Im Pub war eine gute Stimmung, wie es sich für einen Sonntagabend gehört. Wir kamen mit mehreren Schotten ins Gespräch, die von den äußeren Hebriden (Barra und Harris) kommen und auf dem Festland arbeiten. Der eine hat erzählt, dass bis 2002 in seinem Elternhaus kein Fernsehen empfangbar war und auch kein Telefon funktioniert hat (weder Festnetz noch mobil). So einsam ist es auf den äußeren Hebriden.

Stimmung im Locky

Am folgenden Tag öffnete sich das Schleusentor zu Neptunes Staircase für die 8-Uhr-Schleusung schon um 7:50 Uhr, wir waren die ersten in der Schleusenkammer. Knapp zwei Stunden später waren die fünf Segelboote, die gemeinsam herunter geschleust worden sind, in der letzten Kammer und damit direkt vor einer Straßen- und einer Eisenbahnbrücke.

Das Schleusentor öffnete sich und die Straßenbrücke begann zu klingeln und sich zu öffnen. Die Eisenbahnbrücke bewegte sich aber keinen Zentimeter. Ich bekam einen Lachanfall. Beim zweiten Versuch eine Viertelstunde später war das anders. Beide Brücken gingen auf und wir konnten uns aus dem Staircase befreien.

Corpach. Das Ende des Caledonian Canal