Für die 80 Meilen von Douglas nach Dublin haben wir 102 Meilen gebraucht. Das kann man schön an der Kurslinie sehen, die ich versucht habe, auf der Karte nach zu zeichnen.
Der Wind wehte uns immer entgegen. Also mussten wir aufkreuzen. Das ist anstrengend, weil man andauernd irgendwelche Segelmanöver fahren muss. Okay, ich gebe zu, es waren drei Wenden, die wir auf den 100 Meilen fahren mussten. Die erste Wende kurz nach der Abfahrt in Douglas, also so ca. drei oder vier Stunden nach der Abfahrt. Dann kam die nächste Wende gegen Mitternacht und zuletzt änderte der Wind gegen vier Uhr am Morgen seine Richtung und es kam die dritte Wende hinzu.
Kurz vor Dublin schlief der Wind dann ein und die letzten 10 Meilen legten wir mit dem Motor zurück. Insgesamt war es aber eine gute Segelquote.
Die Einfahrt nach Dublin war ähnlich wie die nach Belfast. Wir meldeten uns diesmal unaufgefordert bei der Verkehrsleitzentrale. Dann durften wir auch gleich in den großen Hafen hinein. Im Minutentakt verkehren dort Frachter und Fähren, so dass man höllisch aufpassen muss. Nur wenige Minuten später lagen wir nach knapp 24 Stunden Fahrt im Yacht Club am Steg.
Das Ambiente ist von Industrie und dem großen Hafen geprägt, eine Ausfallstraße aus der Stadt sorgt für ständige Beschallung von der einen Seite, das Be- bzw. Entladen der Frachtschiffe bringt eine Menge Lärm von der anderen Seite. Insgesamt kein Ort, um ein paar ruhige Tage zu verbringen. Aber wir sind ja wieder in einer Großstadt.
Nach 10 Minuten Fußweg erreicht man die Straßenbahn, mit der es dann in die Innenstadt weiter geht. Wir haben uns eine Tageskarte geleistet und sind einfach mal kreuz und quer mit der Straßenbahn durch die Stadt gefahren.
Auch Irland hat viele Kanäle. Dieser hier, neben den man die Straßenbahnstrecke gebaut hat, ist wohl nicht mehr so richtig in Betrieb. Die Wassertiefe ist gering und die Schleusen sehen aus, als wären sie seit Jahren nicht benutzt worden. Müll schwimmt in den Schleusenkammern.
Die Innenstadt ist relativ klein, mit der Straßenbahn ist sie in wenigen Minuten durchquert. Im Norden der Innenstadt konnte ich diese Aufnahme machen, der Straßenbahnfreak steckt noch immer tief in mir drin.
Andererseits ist die Straßenbahn auch das beste Verkehrsmittel, um eine unbekannte Stadt näher kennen zu lernen, einen Eindruck von ihr zu bekommen. Dublin hat zwei Linien, die rote und die grüne Linie. Die rote Linie fährt von der Marina in die Innenstadt und dann weiter zur Guinness Brauerei. Die Brauerei haben wir nicht besichtigt, weil die Gierhälse 25 Euro Eintrittsgeld pro Nase haben wollten. Das war uns zu viel, um gemeinsam mit Busladungen anderer Touristen den vollkommen gewöhnlichen Prozess des Bierbrauens anzusehen. Ich habe lieber im benachbarten Pub ein Guinness getrunken. Jens mochte keins. Es wird auch nie mein Lieblingsbier werden, aber in Dublin habe ich eins getrunken.
Von der oben abgelichteten Brücke ist es nicht mehr weit bis in das Touristenviertel. Oder Kneipenviertel. Oder die Altstadt.
Im Prinzip ist das alles austauschbar. Ob man sich in Frankfurt in Alt Sachsenhausen befindet, im Kneipenviertel von Belfast oder in dem von Dublin. Es ist voll – voll von Menschen, voll von Kneipen und es tönt Musik an allen Ecken. Das gibt es auch in hunderten anderer Städte. In Frankfurt kann ich bislang sehr gut damit umgehen, weil ich da nur gezielt hingehe, wenn ich das möchte. In Dublin weiß ich nicht, wo ich hingehen kann und wohin ich besser nicht gehen soll.
Zum Glück sind meine Großstadt-Instinkte noch in Ordnung. Den Kerl, der mir an den Rucksack gehen wollte, habe ich mehr kommen gefühlt als gesehen, ich konnte mich jedoch umdrehen, bevor er mit seinen Dreckfingern an meinen Rucksack kam. Seine Arme hatte er aber schon ausgestreckt. Mit einem schmierigen Grinsen meinte er zu mir „I was just kidding“ und verpisste sich. Großstadt eben.
Wir haben seit Wochen das Schiff nicht mehr abgeschlossen, der Zündschlüssel steckt immer. Das sollten wir zumindest in Großstädten ändern. Denke ich. Wenn wir überhaupt noch viele Großstädte besuchen.
Kneipen, Menschen, Souvenirläden, Taschendiebe, Taxifahrer, Touristen, noch mehr Menschen, noch mehr Touristen, Lärm und Dreck. Ein Kulturschock nach der Ruhe auf Islay. Bin ich wirklich in einer der größten Städte Deutschland aufgewachsen?
Wir machen uns auf den Rückweg. Mit der Straßenbahn zur Endhaltestelle, dann zu Fuß über die Brücke. Die Marina ist nur noch ein paar hundert Meter entfernt, als Jens einen Reiher entdeckt. Der Reiher hat für die Kamera zu posieren.
Das war jedenfalls der Gedanke. Kaum kommen wir des Wegs, startet der Reiher durch und fliegt 100 Meter weiter. Oder 100 Meter zurück. Jens bekommt ihn nicht richtig vor die Kamera. Aber Geduld zahlt sich aus, irgendwann klackt der Apparat und der Reiher ist im Bild.
Zurück im Yacht Club haben wir uns nach dem anstrengenden Tag eine Dusche gegönnt, um den Schweiß abzuwaschen und uns zu erfrischen. Nach der Dusche musste ich erst einmal ein eiskaltes Bier an der Bar trinken, um mich aufzuwärmen. So etwas hatten wir noch nicht. Die Duschen im Yacht Club spucken nur kaltes Wasser aus! Morgen fahren wir ab.