Während wir in Camarinas waren, wollten wir einen Ausflug nach Santiago de Compostela machen. Der örtliche Busfahrplan war zwar von den Abfahrtszeiten her sehr übersichtlich, ansonsten ließ er aber Übersichtlichkeit vermissen. Ich bin sehr geübt in der Lektüre von Fahrplänen und mache dabei normalerweise nur wenige Fehler. Diesmal saßen wir zu dritt vor dem Fahrplan und verstanden nur Bahnhof.
Wir hatten den Eindruck, dass um 11:00 Uhr ein Bus nach Santiago de Compostela fährt. Der Fahrplan hing an der Touristeninformation aus, ein Haltestellenschild vermissten wir. Es gab nirgendwo einen baulichen Hinweis (Schild, Wartehäuschen, Markierung auf der Straße) auf die Haltestelle, auch der Taxifahrer, der gerade auf Kundschaft wartete, konnte uns da nicht weiterhelfen. Eine begründete Vermutung hatten wir jedoch, denn an unserem ersten Tag in Camarinas saßen wir zum Mittagessen in einem der Restaurants an der Uferpromenade und sahen einen Bus abfahren. Also warteten wir etwa an dieser Stelle. Mit schlappen 20 Minuten Verspätung erschien der Bus dann auch. Leider verkaufte uns der Busfahrer keine Fahrkarten nach Santiago, sondern nur nach Muxia. Dort mussten wir umsteigen.
Nach einer knappen Stunde Fahrt gelangten wir nach Muxia. Mit Sissi wären wir einmal über die Bucht gefahren und in 20 Minuten da gewesen. Muxia ist von den Gebäuden her Camarinas sehr ähnlich. Auch hier vermischen sich alte und neue Gebäude zu einem Konglomerat der schönen Hässlichkeit. Muxia hat aber einen Vorteil gegenüber Camarinas, nämlich eine Bushaltestelle mit Aushangfahrplan. Dort stellten wir fest, dass es erst um 14:30 Uhr weiter nach Santiago geht. Eher blöd, denn wir wollten ja auch noch am selben Tag zurück fahren und uns außerdem noch den Ort ansehen. So vertrieben wir uns die Wartezeit mit einem Spaziergang durch Muxia zur Zeit der beginnenden Siesta.
Während in Camarinas praktisch keine Touristen zu sehen sind, sieht man sie in Muxia zahlreich. Hier ist scheinbar ein beliebter Zwischenstopp auf dem Jakobsweg, denn neben radfahrenden Pilgern gibt es auch viele Wanderer.
Leider konnte ich keine Aufnahmen des Wochenmarkts anfertigen, denn die Marktbetreiber waren bei unserer Ankunft schon fleißig am Abbauen ihrer Marktstände. So blieben für Jens und mich nur die Straßen und Gässchen des Orts.
Von den grotesken Auswüchsen des Massentourismus ist Muxia jedoch verschont geblieben. Außer den paar Wanderern, Radfahrern und Seglern, die sich hierher verirren, gibt es keine Touristen. Das hat mir gut gefallen, alles wirkt sehr authentisch.
Die alten Gebäude müssen schon einige hundert Jahre auf dem Buckel haben. Die neuen Gebäude dazwischen sind jedem Genehmigungsverfahren durch Baubehörden entwischt. Der Ort ist Camarinas sehr, sehr ähnlich. In Camarinas ist alles vielleicht noch etwas mehr verbaut.
Läuft man höher und höher, bekommt man einen schönen Überblick und sieht wieder die Wälder im Hintergrund. Die muss ich unbedingt erwähnen, denn bei meinem letzten Besuch in Spanien mit dem Motorrad war ich mehr im Landesinneren und weiter im Süden unterwegs. Damals kam mir Spanien vor wie eine Wüste, in der Sand und Staub gedeihen. Hier an der Nordwestecke ist alles grün, weite Wälder beherrschen die Landschaft zwischen den kleinen Dörfern.
An der westlichen Küste des Ortes hat man eine Strandpromenade gebaut. Der Strand besteht aus Steinen. Dennoch gibt es Leute, die sich hier ins Wasser trauen.
Ein älterer Mann kam vom Markt her mit einem großen Eimer Fischabfälle gelaufen. Er stieg die Treppe herunter, die hier im Bild zu sehen ist. Dabei imitierte er täuschend echt die Schreie der Möwen, von denen es wie an jeder Küste nicht wenige gibt. Anschließend leerte er den Eimer mit den Abfällen auf dem Steinstrand aus. Innerhalb weniger Bruchteile von Sekunden hatte sich das unter den örtlichen Möwen herumgesprochen und unter einer brutalen Geräuschentwicklung wurden die Abfälle entsorgt.
Ich war so fasziniert, dass es mir zunächst nicht eingefallen ist, die Videokamera zu aktivieren. Dann dachte ich doch daran und es gibt in diesem kleinen Filmchen zumindest einen kurzen Eindruck. Das mit dem Finger über dem Objektiv ist ein wenig schade. Auch waren die meisten Fischreste schon gefressen, jedoch lag der Lärm immer noch in der Luft.
Zurück an der Bushaltestelle sahen wir zwei Dutzend Pilger im Schatten auf den Bus warten. Wir rechneten damit, dass der Bus recht voll sein würde. Nach einer weiteren Konsultation des Fahrplans vor Ort stellten wir fest, dass es uns unmöglich sein würde, am selben Tag nach Santiago de Compostela und wieder zurück nach Camarinas zu kommen. Also brachen wir den Versuch ab und nahmen uns ein Taxi. Wir waren sowieso auf dem Weg nach Vigo, weil Christoph uns dort verlassen und in den Flieger steigen wollte. In Vigo gibt es eine Bahnverbindung nach Santiago und die fährt regelmäßig und wo der Bahnhof ist, müssen wir auch nicht raten. Bahnhöfe erkennt man besser als virtuelle Bushaltestellen.