Santiago de Compostela

Wir wollten diesen Ort nicht verpassen, deswegen sind wir mit dem Segelboot nach Vigo gefahren, haben von dort den Zug nach Santiago de Compostela genommen und sind den letzten Kilometer des Jakobswegs vom Bahnhof bis zur Kathedrale zu Fuß gepilgert.

Altstadtszene

Im Gegensatz zu den Orten, in denen wir bisher Sightseeing gemacht haben, ist die Altstadt von Santiago wirklich schön. Wie in so vielen alten Orten befindet sie sich auf einem Hügel, deswegen ist der Aufstieg vom Bahnhof her im prallen Sonnenschein ein wenig anstrengend. Niemand hat jedoch behauptet, dass Pilgern eine leichte Sache wäre. Das meinten wohl auch die anderen Pilger, die sich mit Rucksack, Wanderstock und Jakobsmuschel ebenfalls mit dem Zug haben fahren lassen.

Souvenirläden gibt es ohne Ende

Die Vermarktung als Endpunkt des Jakobsweges (der vielen verschiedenen Jakobswege) bringt der Stadt natürlich einen Haufen Touristen. Und Religion ist von der Jahreszeit unabhängig, daher ist der Tourismus dort kein Saisongeschäft. Dafür hat Santiago auch richtig was zu bieten. Bis auf den Schädel haben sie in der Kathedrale den Rest des Heiligen Jakob aufbewahrt.

Kleine Kirche in der Altstadt

Jakobus der Ältere war der vollständige Name des Hl. Jakob. Er wurde auf die Iberische Halbinsel geschickt, um dort zu missionieren. Anscheinend war er dabei recht erfolgreich, denn er hat das nicht überlebt und fand sein Grab in Santiago.

Universität

Seit den 1970er Jahren (so schreibt Wikipedia) nimmt der Pilgertourismus mehr und mehr zu, der Papst kam 1982 zu Besuch und hat durch diesen Marketing-Kunstgriff der Pilgerei noch größeren Schwung gegeben.

Ich bin mir sicher, dass man während einer mehrwöchigen Wanderschaft schön zu sich selbst finden kann und vielleicht auch das eine oder andere Zwiegespräch mit seinem Gott führen kann. Wenn ich dann aber vor den Souvenirläden stehe und die Pilger beobachte, die dort alle kräftig einkaufen, dann habe ich meine Zweifel. Wurden nicht irgendwann die Händler aus dem Tempel geworfen?

Kathedrale

Doch ist es sehr beeindruckend, wenn man dann am Ende des Wegs auf dem weiten Platz vor der Kathedrale steht. Vorher ging es noch durch schmale, verwinkelte Altstadtgassen, dann plötzlich öffnet sich das alles und man ist auf einem riesengroßen Platz. An dessen Rand sind mehr oder minder erschöpfte Pilger, die mit ihren Smartphones versuchen, eine besonders originelle Instagram-Pose einzufangen. Da ist nach meinem Eindruck schon sehr viel Folklore und wenig Religion dabei.

Baustelle in der Kathedrale

Positiv anmerken möchte ich, dass kein Eintritt für den Besuch der Kathedrale genommen wird. Die Museen am Rande sind mehr oder minder teuer, die Rundfahrt mit der Touristen-Bimmelbahn (Gummiräder und imitiertes Dampfzuggeräusch) auch. Gott nimmt aber keinen Eintritt. Leider war zur Zeit unseres Besuchs das Innere der Kathedrale eine riesige Baustelle. Vielleicht kommen wir in ein paar Jahren noch einmal vorbei, dann könnte die Baustelle beendet sein. Oder es endet wie in Paris. Wollen wir mal nicht hoffen, es stehen Feuerlöscher an jeder Ecke.

Kapelle im Nebenschiff

Die Hauptattraktion in der Kathedrale ist die Figur des Hl. Jakob, dessen Gebeine darunter in der Krypta liegen sollen. Wir haben uns auch in die Schlange eingereiht, um der Statue ganz nahe kommen zu können. Dabei führt der Weg an einem wirklich schönen Kirchenfenster vorbei.

Jakob in Glas

Die Statue ist – wie sollte es anders sein – mit Jakobsmuscheln ausgestattet. Ich mag die Dinger nicht essen, sie schmecken mir einfach nicht.

Hl. Jakob

Die Wartezeit bis zur Jakobsschulter war mit einer Stunde noch erträglich. Das hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Irgendwann war es dann so weit und wir konnten der Statue auf die Schulter fassen.

Vielleicht bringt das was für unser Vorankommen, ich denke aber, es ist eher neutral. Sissi wird deswegen nicht besser oder schlechter segeln. Schaden kann es aber auch nicht und der Ausblick von oben auf die reichen Verzierungen ist die Wartezeit allemal wert.

Jens in der Altstadt

Draußen haben wir dann auch gemerkt, dass ein längerer Aufenthalt in einer Kirche bei der großen Hitze sehr angenehm ist. Es ist ruhig und kühl.

Wir hatten Hunger und suchten nach Nahrung. Vor einigen Tagen kam bei uns schon einmal die Idee auf, einen Dönerladen zu finden und einen Döner zu essen. Werbung für Burger King und KFC hatten wir in Santiago schon gesehen, aber noch keine sich drehenden Grillspieße.

Noch ein Foto mehr kann nicht schaden, nicht wahr Jens?

Dann aber war es so weit. Der Hl. Jakob hat uns den Weg zum Dönerladen gewiesen. Ganz typisch stand „Newroz“ über dem Restaurant und hinter der Theke drehten sich die Grillspieße. Wir essen immer sehr gut auf unserer Segelreise und versuchen auch immer, lokale Spezialitäten zu uns zu nehmen. Diesmal war es für Jens keine Lasagne-Unterversorgung, sondern eine akute Unterdönerung, wegen der wir auf die lokalen Speisen verzichteten.

Preiset den Herrn. Ein Dönerteller mit Reis und Cola. Amen.

Es war ein Döner, fast wie zu Hause. Leider war die Knoblauchsauce ein Industrieprodukt und Ketchup gehört wirklich nicht auf den Döner drauf. Ansonsten war es aber lecker. Bis zum letzten Reiskorn haben wir die Teller geleert.

Während wir da so beim Essen saßen, hatte ich einen direkten Blick auf die Straßenkreuzung und die Fußgängerampel mit animiertem Ampelmännchen. Die habe ich nach dem Essen dann mal kurz gefilmt.

Ampelmännchen

Anschließend sind wir noch zum Bahnhof gelaufen. Die Züge zwischen Santiago de Compostela und Vigo fahren etwa einmal in der Stunde. Also war die Wartezeit nicht so lang. Ich habe unseren Zug bei der Einfahrt fotografiert, der uns dann mit 180 km/h über die Neubaustrecke zurück nach Vigo gebracht hat. Für 9,55€ sind wir auf dem Hinweg eineinhalb Stunden mit dem Bummelzug gefahren, für 11,50€ konnten wir den Weg zurück mit dem Schnellzug auf 50 Minuten verkürzen.

Der Zug kommt. Pünktlich auf die Minute!

Ach ja, da wäre noch was. Wir haben erlebt, dass es nicht mehr notwendig ist, den Hl. Jakob selbst zu besuchen. Er ist inzwischen auch mit dem Smartphone erreichbar und gibt seinen Segen dann fernmündlich.

*ring ring* Anruf für Jakob
*ring ring* Anruf für Jakob

¡Gracias amigo Santiago, hermano Santiago, por ayudarme a llegar hasta aquí! ¡Gracias por tu persona, por tu compañía, por tu testimonio, por tu legado!

Diese Worte bekommt er immer wieder zu hören, leider ist seine Antwort am Telefon nicht bis zu uns herunter gedrungen.