Ende

Nach mehr als einem Jahr greife ich noch einmal in die Tasten, durchwühle meine Bildarchive und stottere einen Text hin. Wie ging die Geschichte weiter? Wie sieht die Zukunft aus?

Auf dem Weg nach Stavoren legt mir die DB mal wieder Steine in den Weg

Ich habe Sissi von den Werftleuten in Stavoren anschauen lassen und wir haben einen Plan gemacht, das Boot so schnell wie möglich wieder ins Wasser zu bekommen. Außerdem habe ich die Reste des extrem bleihaltigen Antifoulings aus der Karibik herunter schrubben und ein EU-Antifouling (wahrscheinlich zur Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet) auftragen lassen. Alle zwei bis drei Monate fahre ich außerdem direkt nach Stavoren und kümmere mich um die Kakerlaken (bzw. das, was noch davon übrig ist). Die letzte tote Kakerlake finde ich im Sommer 2023. Ich lege jedoch noch den ganzen Rest des Jahres Gift aus. Allerdings mache ich mir langsam Sorgen darum, ob ich in 2023 noch ins Wasser komme.

Das ist das Seeventil, über das die Fäkalien aus der Toilette nach draußen gespült werden. Es ist nicht mehr viel davon übrig.

Ich bin etwas sauer auf die Werftleute, die mich nicht darüber informiert haben, dass eines der Seeventile komplett von außen korrodiert ist und jederzeit ins Innere von Sissi fallen kann. Dann würde sie in wenigen Minuten sinken. Mit der Werft vereinbare ich den Austausch dieses Seeventils und weitere Arbeiten. Ich bekomme sogar schon eine Rechnung über den halben Betrag, die ich auch bezahle. Aber es geschieht nichts. Bei den Arbeiten gibt es keinen Fortschritt. Es wird Herbst, die Bundesliga fängt wieder an und Sissi steht in der Halle.

Ich habe über die lange Zeit meine Dauerkarte gesichert.

Das obenstehende Foto entstand während des Spiels gegen Dortmund. Man könnte sagen, dass ein 3:3 gegen Dortmund eigentlich gut ist, doch die Eintracht hat den Sieg auf den letzten Metern vergeben. Ich nehme mir immer wieder vor, in Holland anzurufen und bei der Werft etwas Druck zu machen. Dabei bleibt es.

Es ist ca. 19:00 Uhr. Ich warte auf die S-Bahn um 19:05 Uhr.

So lebe ich mein Leben hier in Frankfurt. Sissi ist nicht mehr präsent in meinem Leben, außer wenn es um die Bezahlung von Rechnungen geht, die in unregelmäßigen Abständen aus Holland eintreffen. Wartung der Rettungsinsel. Streichen von Antifouling. Stellplatz in der Halle. Mein neuer Job ist anspruchsvoll und verlangt viel Zeit. Nach einer 40-Stunden-Woche bin ich fix und fertig. Dazu tritt mir die DB immer wieder gegen das Schienbein, wenn ich mal wieder das Home-Office verlasse und das Büro in Wiesbaden aufsuche. Für die Fahrten zu Sissi finde ich die Lösung, einfach ein Auto zu mieten. Das ist günstiger als eine Fahrkarte und zuverlässiger als die DB. Selbst die Staus bei Köln halten mich nicht so sehr auf, wie eine Stellwerksstörung in Oberhausen.

Die „Enterprise“. Kommt immer pünktlich an. Ein Mitsubishi Space Star von Enterprise Rent-a-Car.

Der Herbst ist vorbei, der Winter kommt, die Temperaturen fallen. Jetzt kann ich Sissi monatelang alleine lassen. Ich überwinde mich und rufe doch bei den Holländern an, habe ein längeres Telefonat mit dem Chef der Werft. Wir vereinbaren einen Zeitplan, um Sissi im Frühjahr 2024 wieder ins Wasser zu bringen. Kurz vor Weihnachten bin ich guter Dinge, dass sich alles einrenken wird.

Legendäres Spiel gegen Bayern

Immer gerne gesehen als Gäste sind die Bayern. Kurz vor Weihnachten macht mir die Eintracht ein schönes Geschenk. Das Geschenk ist nicht das Ergebnis, das Geschenk ist eine Erinnerung, die in mir hochflammt. Im November 2019 war die Welt noch in Ordnung. Das Corona-Virus war noch nicht erfunden und wir lagen in Lagos (Portugal). Und die Eintracht putzte Bayern mit 5:1 weg. Wir waren grenzenlos optimistisch und neugierig auf unseren ersten Ozean. Genau wie all die anderen Segler um uns herum. Einige haben wir später wieder getroffen, litten mit ihnen unter den Corona-Beschränkungen.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. 5:1 ist ein tolles Ergebnis!

Das Jahr 2023 geht, 2024 kommt. Sissi steht weiterhin in der Halle herum. Ich fliege in die Karibik und habe nur wenig Flugscham. Immerhin bleibe ich drei Wochen in Aruba. Die Werft hat mir zugesagt, das Sissi bis Ostern fertig sein wird. Das ist doch schön, dann kann ich die schöne Jahreszeit mit dem Boot verbringen und mich vorher noch in der Karibik erholen. Fast 12 Monate hatte ich keinen Urlaub.

Die einzige Leistung der Werft bis Ostern ist die beauftragte Gasprüfung. Natürlich kommt die Rechnung innerhalb weniger Tage. Die Gasleitung muss erneuert werden. Im Mai treffe ich meine Entscheidung.

Sissi in der Halle

Ich werde Sissi verkaufen oder verschrotten. Ich kann mir das Boot nicht mehr leisten. Dabei geht es nicht um die finanzielle, sondern um die mentale Belastung. Außerdem kann ich in Frankfurt mit einem hochseetauglichen Segelboot nichts anfangen. Wenn Sissi im Wasser wäre, müsste ich für mehrere Jahre meinen Urlaub quasi verpfänden und mich um die Reparaturen kümmern. Und ich wäre praktisch auf immer an die Urlaubsregion Friesland gebunden. Zumindest noch bis 2037, wenn ich hoffentlich in Rente gehe. Die erste Bootsbesichtigung findet ein paar Wochen nach dem Inserat statt. Die Interessenten verlieben sich sofort in das Boot und schauen besonders gründlich hin. Dabei fällt ihnen ein Schaden am Rumpf auf, der mir bislang unbekannt ist. Autsch. Ich justiere den Verkaufspreis in der Anzeige nach unten, habe mehrere Telefonate mit potentiellen Käufern und komme nicht weiter.

Außerdem gebe ich meine Dauerkarte an den Fanclub zurück. Ich fühle mich nicht mehr wohl im Stadion. Die letzten Besuche waren eine Qual (und damit meine ich nicht die vielen unnötigen Unentschieden). Die Menschen haben sich während Corona ziemlich verändert, sind viel radikaler geworden. Das macht keinen Spaß mehr. Ich habe mich während Corona auch verändert. Wenn ich mit vielen Menschen an einem Ort bin, fühle ich mich nur noch in Ausnahmefällen wohl.


Dann meldet sich Schorsch. Er würde das Boot gerne ansehen. Da er praktisch vor Ort ist, darf er sich Sissi ansehen. Was will er dem Boot auch antun?


Schorsch ruft mich mehrere Male an und fragt mir Löcher in den Bauch. Warum ist das und das soundso? Wo ist dies und wo ist jenes? Nach zwei Tagen Besichtigung entschließt er sich zum Kauf. Er besucht mich in Frankfurt und wir unterschreiben den Vertrag. Vom 13. Juli bis zum 15. Juli fahre ich noch einmal nach Stavoren und erkläre Schorsch das Boot.

Mein letzter Besuch bei Sissi

Als ich die Halle betrete, steht nur noch Sissi dort. Die Unterzeichnung des Kaufvertrages ist drei Wochen her. Schorsch hat das Boot ausgeräumt, meine letzten Habseligkeiten stehen in einem Pappkarton an Deck. Ich trage sie zur Enterprise.


Schorsch lädt mich zum Essen ein. Wir teilen unser Seemannsgarn. Er hat schon einige Schiffe in seinem Leben hergerichtet und freut sich auf Sissi. Die soll später in Griechenland wohnen. Sie wird nicht umbenannt, sondern weiterhin unter dem Namen Sissi segeln. Allerdings muss sich Schorsch von mir in Zukunft „sissy“ nennen lassen. Ich verstehe es nicht. Ich kann es nicht glauben. Schorsch hat zwei riesige Löcher in den Rumpf geschnitten und Sissi bekommt ein Bugstrahlruder…

Sissy bedeutet im Englischen „Feigling“

Am nächsten Tag steuere ich die Enterprise über die A3 nach Frankfurt. Ich stehe in der Großbaustelle am Kreuz Kaiserberg fast eine Stunde herum. Zur Erheiterung starte ich den DB-Navigator und schaue mir die Zugverbindungen an. Mit dem Zug wäre alles viel schlimmer geworden. Ich freue mich für Sissi, dass es für sie eine Zukunft gibt.


Hiermit endet das Blog sy-sissi.de offiziell. Ich habe glaube ich wieder Spaß am Schreiben gefunden. Wenn ich weiter blogge, wird das unter ebbelex.de sein.

Back on bord

Ich sitze in meiner neuen Wohnung und schaue aus dem Fenster. Regen fällt über die Stadt. Zugegebenermaßen ist bei solchem Wetter eine feste Wohnung praktischer als ein Boot. Ich kann die Heizung einschalten und sitze nicht in dem feuchten, kalten Keller, den ich sonst Salon nenne. Doch genau dort möchte ich wieder hin, ein Mietwagen steht schon vor der Tür. Jetzt hole ich all die Dinge von Bord, von denen ich nicht dachte, dass ich sie brauchen würde, die ich aber dringend brauche.

Die Regenwolken hängen tief

Trotz des schlechten Wetters gestaltet sich die Fahrt nach Stavoren einigermaßen entspannt. Ich muss nur eine Stunde im Stau herumstehen. In Holland wird dann das Wetter schöner, auf den letzten Kilometern nach Stavoren blendet mich die tiefstehende Sonne. Sissi liegt genau so am Steg, wie ich sie vor knapp zwei Wochen verlassen habe. Ich schließe das Boot auf und steige in den Salon hinab. Der Strom ist ausgeschaltet, das Boot ist wie in einer Totenstarre. Es ist still, die Luft riecht abgestanden. Es ist kalt. Ich schalte den Strom ein und langsam erwacht Sissi wieder zum Leben. In der folgenden Nacht schlafe ich tief und fest, besser als in jeder der Nächte im Hotel.

Sissi in Stavoren. Viele Boote sind schon aus dem Wasser gegangen.

Am nächsten Tag gibt es viel zu tun. Die Schränke an Bord leeren sich und der Kofferraum des Kleinwagens wird immer voller. Gefrierschrank und Kühlschrank sind nach zwei Wochen ohne Strom prima abgetaut, ich reinige sie und befreie sie von den Schmelzwasserfluten. Den Watermaker konserviere ich für den Winterschlaf. Leider hat die Kibbeling-Bude am Bahnhof geschlossen. Den gebackenen Fisch hätte ich mir gerne zum Mittagessen gegönnt. Ich bin nicht der einzige hier, der sein Boot auf lange, dunkle Wintermonate vorbereitet. Alleine an meinem Steg werden drei Boote ausgeräumt. Lediglich die Charterboote werden bewegt. Auch so spät im Jahr haben Skippertraining und Führerscheinvorbereitung offenbar noch Konjunktur. Die Leute wohnen aber scheinbar nicht mehr auf ihren Booten. Nach Einbruch der Dunkelheit enden die Aktivitäten und nur auf Sissi brennt noch Licht. Auch in der zweiten Nacht schlafe ich hervorragend. Die Stille ist atemberaubend, nur ein leichtes Plätschern der Wellen gegen den Rumpf ist zu hören.

Auf Regen folgt Sonnenschein

Auf dem Rückweg nach Frankfurt regnet es mit jedem Kilometer etwas stärker, das Wasser steht irgendwann auf der Fahrbahn. Ich wäre ja gerne noch einen weiteren Tag an Bord geblieben, doch auch in Frankfurt habe ich noch zu tun. Außerdem ist das Regenwetter auf dem Weg nach Norden. Es wird bald auch in Stavoren ankommen. Zum Glück haben meine Eltern ihre Covid-Erkrankung überstanden. Endlich kann ich sie besuchen, auch Jens kommt zum gemeinsamen Mittagessen. Anschließend räumen wir meine Sachen aus dem Keller, die dort seit dreieinhalb Jahren eingelagert sind. So langsam sind meine Sachen wieder sortiert. Jetzt muss ich nur noch mich selbst sortieren.

Aruba Bar Lounge

Direkt bei mir um die Ecke ist die Aruba Bar Lounge. Noch habe ich sie nicht besucht, sie steht aber bei mir auf der Liste. Im Inneren sind große Fernseher angebracht, die Bilder von den langen Stränden Arubas zeigen. Angeboten wird allerdings kein Balashi, sondern lediglich Binding Bier. Es löst aber trotzdem schöne Erinnerungen aus, wenn ich an der Bar vorbei gehe. Bald fahre ich wieder nach Stavoren, bald hat Sissi ihren Krantermin.

Ankommen in Frankfurt

Ich sitze in meinem Hotelzimmer, einem kahlen, engen Raum. Die Sauberkeit ist gerade noch akzeptabel. Das Zimmer hat angeblich 13 m², doch es fühlt sich enger an, als die 12 m² Wohnfläche, die mir Sissi die letzten Jahre geboten hat. Ich bin sowieso kein Freund vom Leben im Hotel, doch im Moment fehlen mir die Alternativen.

Sissi in ihrem Hotelbett

Für die nächsten Tage muss ich mit diesem Zustand leben. Das Hotelzimmer war das billigste, was ich in Frankfurt finden konnte. Dafür habe ich aus dem Fenster Ausblick auf die Mainzer Landstraße, der wichtigsten Ausfallstraße in Richtung Westen. Es ist sehr laut. Direkt um die Ecke ist eine Eisenbahnbrücke, über die im Minutentakt S-Bahnzüge fahren. Außerdem fahren hier Regionalzüge und Fernzüge, über fehlende Eisenbahngeräusche kann ich mich auch nicht beklagen.

Klassenfahrt

Eigentlich ist das Hotel eher ein Hostel, in dem entweder Backpacker oder Schülergruppen in günstigen Mehrbettzimmern nächtigen. Darauf wollte ich mich nicht einlassen und habe ein Einzelzimmer gebucht. Frühstück habe ich nicht dazu gebucht, denn das Frühstücksbuffet schließt schon um 10 Uhr morgens. Es wäre verschwendetes Geld. Außerdem gehe ich lieber auswärts in ein Café frühstücken, denn ich mag dieses Hotel nicht.

Flaschensammler bei der Arbeit

Der Pfandflaschensammler vor dem Gebäude fällt mir auf, er kommt jeden Morgen fast nach Fahrplan vorbei, er fährt wohl täglich seine übliche Runde. Anderswo habe ich nicht so viele Flaschensammler gesehen, anderswo gibt es kein Einwegpfand. Hier sehe ich sie ständig, etwa beim Warten auf die Straßenbahn. An stark frequentierten Haltestellen kommen sie manchmal im Minutentakt vorbei, um die Mülleimer zu untersuchen. Früher habe ich sie auch schon gesehen, sie sind mir aber nicht in diesem Maße aufgefallen. Ich muss zum Friseur, meinen letzten Haarschnitt hatte ich auf den Azoren.

Friseur

Ich finde einen Friseur, der gerade nichts zu tun hat. Das kommt meinem Wunsch entgegen, möglichst wenig zu warten. Als ich auf dem Stuhl sitze, muss ich innerlich lachen. Der Friseur spricht nur ein paar Worte Deutsch. Damit wird eine Tradition fortgeschrieben, die besagt, dass ich mich mit dem Friseur nicht unterhalten kann bzw. muss. Irgendwo auf der Welt gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass Friseure keine Fremdsprachen lernen dürfen. Und da ich kein Portugiesisch (Porto, Ponta Delgada), Spanisch (Lanzarote) und nur wenig Papiamento (Aruba) spreche, war die Konversation immer auf ein Minimum beschränkt. Das ist hier auch so. Lediglich in Guadeloupe musste ich mich mit der Friseurin unterhalten. In diesem Geschäft wäre Türkisch die Sprache der Wahl gewesen. Mit dem Haarschnitt bin ich zufrieden.

E-Scooter, hier einigermaßen ordentlich im Wartebereich der Straßenbahn in den Weg gestellt.

Ich habe Zeit. Ich nehme mir diese Zeit auch, weiterhin die Stadt zu erkunden. Was hat sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren verändert? Natürlich gibt es viele kleine Veränderungen. Gebäude sind fertiggestellt, für die bei meiner Abreise noch nicht einmal die Baugrube ausgehoben wurde. Andere Gebäude wurden abgerissen, die Stadt ist in einem ständigen Wandel. Die auffälligste Veränderung im Stadtbild sind jedoch die Elektroroller, die wirklich überall in der Stadt zu finden sind. Sie stehen oder liegen im Weg herum. Oder sie werden von ihren FahrerInnen rücksichtslos im Slalom zwischen den Fußgängern hindurch getrieben. Kurz denke ich darüber nach, mir auch eine Roller-App zu installieren, dann verwerfe ich den Gedanken. Für die letzten Meter von der Straßenbahn zu meinem Ziel brauche ich die Dinger nicht.

Kreuzung Miquelallee/Eschersheimer Landstraße

An den Straßenverkehr und den damit verbundenen Lärm muss ich mich erst wieder gewöhnen. In einer Stadt der Größe von Frankfurt war ich nicht mehr, seit ich Frankfurt verlassen habe. Beim Überqueren von Straßen schaue ich manchmal noch in die falsche Richtung, ich war wohl doch zu lange im United Kingdom. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind genial gut. Sie verkehren rund um die Uhr und sind ziemlich sauber und auch einigermaßen pünktlich. Die Preise sind fair. Die Züge und Busse sind schnell unterwegs. Warum schreibe ich das jetzt? Weil ich das vor meiner Abreise niemals, niemals so geschrieben hätte. Damals kannte ich nur Frankfurt und hatte viel zu meckern. Meckern kann ich allerdings über die Ausstattung. Selbst in Aruba bieten die Busse ihren Fahrgästen kostenlosen Internetzugang. Es gibt Lademöglichkeiten für die Telefone. In Frankfurt gibt es nur in den Elektrobussen Lademöglichkeiten und nur die S-Bahn bietet den Kunden Internetzugang an. Das ist rückständig.

Plakat in der U-Bahnstation: Unser Oberbürgermeister soll abgewählt werden.

Demnächst darf ich mal wieder an die Wahlurne gehen. Im ganzen Stadtgebiet ist Werbung für die Abwahl des Oberbürgermeisters plakatiert. Der war schon bei meiner Abreise nicht der beliebteste Politiker in der Stadt, in den vergangenen beiden Jahren hat er sich jedoch ein wenig zu oft daneben benommen. Ich bin gespannt, meine Wahlbenachrichtigung habe ich schon.

Staustufe Griesheim

Ich kann mich nicht erinnern, dass es mich früher so oft und regelmäßig an den Main gezogen hat. Irgendwie brauche ich den Blick auf das Wasser wohl noch. Es ist lange her, dass ich mit der Gaby, dem Schiff auf dem ich meinen Sportbootführerschein gemacht habe, durch die Schleuse in Griesheim gefahren bin. Zu Fuß habe ich den Main hier vielleicht ein- oder zweimal in meinem Leben überquert. Hier am Main, nur wenige Kilometer außerhalb der Innenstadt, ist es ruhig und friedlich.

Main bei Griesheim

Die letzten Wälder, in denen ich gewandert bin, waren auf den Azoren bzw. Guadeloupe. Tropische Regenwälder im Gebirge der französischen Karibikinsel und saftig grüne Mischwälder an den Hängen der Vulkaninseln im Atlantik. Das hat Frankfurt nicht zu bieten, doch es zieht mich natürlich auch in den Stadtwald.

Im Frankfurter Stadtwald

Es ist Herbst. Diese Jahreszeit habe ich seit 2018 nicht mehr gesehen. In der Karibik herrscht der ewige Sommer und auf den Azoren der ständige Frühling. Kaum habe ich die Straßenbahn verlassen, fliegt dröhnend ein Flugzeug in Richtung Flughafen über meinen Kopf. Ich spaziere von der Oberschweinstiege an den Goetheturm. Ich nehme all mein Gemecker über den Ankerplatz auf Terceira zurück. Dort gibt es keinen nervigen Fluglärm. Hier dröhnen die Flieger im Minutentakt.

Goetheturm. Wieder aufgebaut in meiner Abwesenheit.

Kurz vor meiner Abreise ist der Goetheturm abgebrannt. Inzwischen wurde er wieder aufgebaut. Ich stehe ein paar Minuten am Fuße des Turms und ringe mit mir. Soll ich die Treppenstufen erklimmen? Ich entscheide mich dagegen, meine innere Faulheit siegt. Ich trinke lieber einen Kaffee in der Gaststätte und warte einen kleinen Regenschauer ab. Die Rekonstruktion des Turms gefällt mir, sie sieht fast aus wie das Original.


An den Abenden treffe ich mich mit Freunden und Bekannten, die ich lange nicht gesehen habe. Ich freue mich darüber, die Menschen wieder zu sehen. Ich freue mich über jeden Abend, den ich nicht in meinem Hotelzimmer verbringen muss. Ich freue mich darüber, dass ich bei einem dieser Treffen eine Karte für das nächste Heimspiel der Eintracht gegen Leverkusen zugesagt bekomme.

Wieder im Waldstadion auf dem Stammplatz. Die Eintracht führt gerade einen Freistoß aus. Noch steht es 0:0 gegen Leverkusen.

Am Spieltag wird es für mich recht hektisch. Bis um 10 Uhr muss ich das Hotelzimmer räumen, dann kommt mein Gepäck erst einmal in ein Schließfach. Anschließend kann ich mich in der Stadt herum treiben lassen. Nach dem Spiel werde ich mein neues Apartment beziehen können. Voll bepackt mit zwei Rucksäcken und einem Jutebeutel mit meiner Kaffee-Ausrüstung starte ich bei leichtem Nieselregen in den Tag. Anschließend trinke ich in Ruhe erst einmal Kaffee. Ab morgen wird das Kaffee-Nomadentum beendet sein.

Mit dem Halbzeitpfiff fällt der Führungstreffer unserer Eintracht

Ich erreiche den üblichen Treffpunkt am Oberforsthaus sehr früh, doch die ersten Mitglieder unseres Fanclubs sind schon anwesend. Sie begrüßen mich mit großem Hallo und Freibier. Das elektronische Zugangssystem zum Waldstadion möchte mich erst einmal nicht hereinlassen. Der Vorsitzende des Fanclubs Bruno muss deswegen zweimal zum Kassenhäuschen und so verpassen wir den Anpfiff. Anschließend sehen wir ein munteres Spiel unserer Eintracht gegen eine eher lahme Leverkusener Mannschaft.

Endstand 5:1. Die Stimmung ist großartig!

Kurz vor der Halbzeit bekommt die Eintracht einen Elfmeter und verschießt diesen prompt. Doch der Videoschiedsrichter ist auf Zack. Der Torwart hat sich zu früh bewegt und so dürfen wir noch einen Versuch machen. Der Schiri pfeift den Elfmeter an, Kamada schießt den Ball ins Tor und es ist Halbzeitpause. Herrlich! In unserem Block ist die Stimmung auf einem ersten Höhepunkt. Später gibt der Schiri einen Elfmeter nicht, auch das sieht der Videoschiedsrichter genau wie zigtausende Eintracht-Fans vor Ort. Manchmal finde ich diesen Videoassistenten richtig gut. Der Jubel nach dem Abpfiff ist ohrenbetäubend.

Ein sensationelles Spiel ist gewonnen

Nach dem Spiel warten wir noch am Oberforsthaus, bis der größte Teil der Zuschauer abgefahren ist. Es gibt schließlich genug zu feiern. Bruno verspricht mir eine Eintrittskarte für das Champions League Spiel gegen Marseille. Alles hier fühlt sich so vertraut an. Bin ich wieder in Frankfurt angekommen? Als die Straßenbahnen wieder einigermaßen leer sind, bringt mich die Linie 21 umsteigefrei zu meinem neuen Apartment.

Die Mannschaft kommt und bedankt sich bei der Fankurve für die Unterstützung. Auch Adler Attila ist dabei.

Der Empfangstresen des Gebäudes ist verwaist. Der Concierge Service ist nur von Montag bis Freitag im Dienst. Um das Türschloss zu öffnen, musste ich eine App auf meinem Telefon installieren, einen Haufen Daten eingeben und bekam dafür meinen elektronischen Schlüssel. Nach ein paar Versuchen öffnet sich nach einem lauten Piep die Hauseingangstür für mich. Das System ist fucking shit und von fucking assholes entwickelt worden. Ich stehe vor der Apartmenttür und hantiere ein zweites Mal mit dem Gerät. Jetzt gibt das Türschloss keinen Ton von sich. Nach drei oder vier fruchtlosen Versuchen drücke ich die Türklinke und kann die Tür öffnen. Ich blicke auf eine Couch, in der eine Frau liegt. Upps. Ich entschuldige mich und schließe die Tür wieder. Ein zweiter Blick auf die Apartmentnummer zeigt mir, dass ich mich um eine Etage vertan habe. Auf der richtigen Etage öffnet sich am richtigen Apartment das Türschloss wieder mit einem Piep. Ich muss darauf achten, dass die Tür immer ordentlich ins Schloss gefallen ist. Das wird die junge Frau im fünften Stock wohl ab sofort auch machen.

Blick aus dem Eingangsbereich ins Zimmer. Es gibt eine Mikrowelle aber keinen Backofen.
Küchenzeile und riesige Schränke zum Verstauen meiner wenigen Sachen.

Die bis zur Decke reichenden Einbauschränke bieten Raum für alle Sachen, die ich habe. Außerdem kann ich dort wirklich alles unterbringen, was im Moment bei meinen Eltern im Keller gestapelt ist. Das Apartment ist sehr gut konstruiert. Ich gehe zum Schließfach und hole meine Sachen. Für das fucking Türschloss brauche ich auch beim zweiten Mal mehrere Versuche. Wenn am Montag der Concierge wieder arbeitet, werde ich mir einen physischen Schlüssel geben lassen. So lange darf der Akku meines Telefons nicht leer werden.

Endlich wieder ordentlichen Kaffee am Morgen

In meiner ersten Nacht schlafe ich sehr gut. Die Matratze meines neuen Bettes ist hervorragend. Am Morgen genieße ich es, mir endlich wieder meinen Kaffee selbst machen zu können. Dafür habe ich den Jutebeutel mit der Kaffee-Ausrüstung von Sissi bis nach Frankfurt geschleppt. Ich denke, ich bin jetzt endlich zu Hause angekommen. Jetzt muss ich nur noch einziehen.

Frankfurter Skyline bei Nacht