Kopfüber ins Aquarium

Ein paar hundert Meter von unseren Ankerplatz in der Carlisle Bay entfernt liegen drei Schiffswracks auf 3-5 Metern Tiefe auf dem Grund herum. Am laufenden Band werden Touristen in Ausflugsbooten zum Schnorcheln dorthin gekarrt. Der Preis für so eine Tour liegt zwischen 60 und 90 Dollar. Jörg Bauer und ich schnappen uns Schnorchel und Flossen, hüpfen ins Dingi und fahren auf eigene Faust los. In einem abgesperrten Bereich finden wir eine Boje zum Festmachen und springen ins Wasser. Ich war vorher noch nie so richtig schnorcheln. Wir treiben wie schwerelos mit dem Kopf nach unten auf dem Bauch im Wasser. Das Wasser ist angenehm warm. Ein tolles Gefühl.

Schiffswrack

Es dauert nicht lange, bis wir das erste Wrack finden. Als künstliches Riff bietet es Heimat für hunderte von kleinen, bunten Fischen, wie ich sie sonst nur aus dem Aquarium kenne.

Neugierig kommen die Fische näher und als ich mich umdrehe, tummelt sich ein ganzer Schwarm um meine Füße. Langsam gewöhne ich mich an das Atmen durch den Schnorchel. Ich könnte hier stundenlang herumtreiben.

Viele kleine Fische über ihrem Hausboot.

Sobald sich ein großer Fisch nähert, verschwinden die Kleinen in Sekundenbruchteilen im Schutze des Wracks.

Mehr als einen Meter entfernen sich die kleinen nicht vom Bug des Wracks.

Es soll hier auch Schildkröten geben, doch leider bekommen wir keine zu sehen. Statt dessen gleitet ein großer Meeressäuger langsam über mich hinweg.

Grazil und anmutig bewegt sich der schwere Meeressäuger durch sein Element.

Dschungelwanderung auf Barbados

Es ist Freitag der 24. Januar. Wir – Burti, Jörg Bauer, Jörg und ich haben uns heute vorgenommen, eine Busfahrt in Richtung Norden zu unternehmen. Dort soll es noch einen Teil des alten Urwaldes geben. Der passende Bus ist die Linie in Richtung St. Andrews Church. Der soll einmal pro Stunde fahren, nur wann genau wissen wir nicht. Also setzen wir uns an den Busbahnhof und warten.

Hier haben wir viel Zeit verbracht.

Und wir warten, warten und warten. Irgendwann spricht uns einer der Busfahrer an und fragt, wo wir hin möchten. Wir erklären ihm, dass wir in den Turner Hall Wood möchten, um den Urwald zu sehen. Er schüttelt ungläubig den Kopf: „Da ist doch nichts. Das ist langweilig. Wieso wieso wollt ihr denn da hin? Fahrt doch lieber zur alten Windmühle oder einer anderen Sehenswürdigkeit.“ Die Frage, wann denn unser Bus eigentlich kommt, kann er dann aber auch nicht beantworten. Wir vertreiben uns die Wartezeit mit den Ständen rund um den Busbahnhof. Hier gibt es kalte Getränke, gegrillte Hähnchen und WLAN.

Ein weißer Reiher posiert vor meiner Wartebank.

Nach etwa zwei Stunden kommt unser Bus. Wir fahren los und landen im dicksten Freitagnachmittags-Feierabendstau. Außerdem ist gerade Schulschluss und überall stehen Kinder in Schuluniformen, die in den Bus wollen. Der Bus ist voll und es ist heiß. Die Kühlung der offenen Fenster funktioniert im Stau nicht. Langsam macht sich Unmut und Gejammer unter meinen Mitfahrern breit. „Mein Wasser ist alle.“, „Ich will ein kaltes Bier.“, „Ich will eine kalte Cola.“, „Mir ist so heiß!“, „Wie lange noch?“, „Ich hab keine Lust mehr.“, „Sind wir bald da?“… Und so fahren wir durch den Dschungel durch bis an den nächsten Ort an der Küste. Dort bekommen wir etwas Kaltes zu trinken und warten zwei Stunden auf den Bus, der uns zurück fährt. Das hat sich voll gelohnt.

Burti, Jörg B. und Jörg klagen ihr Leid im Bus.

Es ist Samstag der 25. Januar. Mein Geburtstag. (Ok, jetzt wo ich diesen Beitrag schreibe, ist es schon viel später und wir sind mittlerweile auf St. Lucia. Ich möchte mich an dieser Stelle trotzdem nochmal für die zahlreichen Glückwünsche bedanken. Ich habe mich sehr gefreut.) Mein Wunsch für diesen Tag ist es, nochmals in den Dschungel zu fahren, früher auszusteigen und ein paar Kilometer zu wandern. Und zwar alleine. Ich will kein Gejammer hören und außerdem fällt mir die Decke von Sissi nach den Wochen auf See auf den Kopf.

Ich mache mich also wieder auf den Weg zum Busbahnhof. Der Bus kommt nach einer knappen Viertelstunde, der Verkehr in der Stadt ist moderat und nach etwa 30 Minuten steige ich in Porey Spring aus.

Porey Spring

Dem Anschein nach ist hier eine kleine Rasta Community zu Hause. An Palmen, Wänden und auf Schildern wird verkündet, dass Jah Liebe bringt und die Rastas den Krieg ohne Waffen gewinnen werden.

Rasta Palme

Ein Brunnen wird gemeinschaftlich zum Wäsche waschen und zur Körperpflege genutzt.

Rasta Brunnen

Mein Weg führt mich weiter an der Straße entlang. Kleine Kuhweiden und dichter Dschungel wechseln sich ab. Ich laufe durch kleine Dörfer mit Häusern umsäumt von Palmen und alten Bäumen.

Haus im Urwald

So richtig viel ist vom Urwald nicht mehr übrig. Aber es finden sich immer wieder kleine Oasen mit dichtem Wald.

Grüne Vorgärten

Nach etwa zwei Stunden Fußmarsch finde ich eine kleine Bar und kehre ein. Mein Magen knurrt. Auf dem Speiseplan steht Reis mit Hähnchen und Krautsalat. Die Portion ist riesig und das Hähnchen sehr lecker gewürzt. In einer Ecke der Bar steht ein kleines DJ Pult und laute Reggae Musik dröhnt aus dem Lautsprecher. Der DJ sieht aus, als könnte er der kleine Bruder von Snoop Dogg sein. Wie aus dem Gesicht geschnitten. Immer wieder wird er von der Barfrau ermahnt, die Musik leiser zu drehen. Sobald sie kurz nach hinten verschwindet, dreht Snoop Dogg die Lautstärke wieder hoch. Dazu tanzt er mit seinen Kumpels quer durch die Bar. Ob das an dem Rum liegt?

Nach dem Essen mache ich mich wieder auf den Weg. Ich finde einen gelben Bus auf einem Grundstück geparkt. Da wohnt wohl einer der Busfahrer.

Busparkplatz

An der nächsten Ecke biege ich von der Hauptstraße ab und gehe einen Pfad steil nach unten. Hier wollte ich gestern schon hin. In den Turner Hall Wood. So richtiges Dschungelfeeling kommt leider nicht auf, denn ich darf nur am Rand entlang laufen. Der eigentliche Urwald steht unter Naturschutz und ist für Wanderer gesperrt. Ich habe trotzdem meinen Spaß. Fotografiere Blumen und Gestrüpp. Kurz bevor mich der Pfad wieder auf die Straße führt, sehe ich ein paar Affen auf dem Weg sitzen. Die sollen ja eigentlich total frech und neugierig sein. Diese nicht. Als ich die Kamera aus dem Rucksack wurschtele, bemerken sie mich und verschwinden im Unterholz. Schade, aber ich habe zum ersten Mal Affen in freier Natur gesehen. Das war eine schönes Geburtstagsgeschenk.

Gelbe Blümchen
Dschungel von außen
Dschungel von innen

Kreuzfahrer-Dreck und Dreckskreuzfahrer

Diesen Beitrag schrieb ich am 14.12. vor der Abfahrt in Santa Cruz. Er gehörte zu den Beiträgen, die während unserer Atlantiküberfahrt erscheinen sollten. Aus verschiedensten Gründen habe ich auf die Veröffentlichung bislang verzichtet, nach dem Erlebnis heute Nacht ist es mir jedoch ein Bedürfnis, meine Meinung zu Kreuzfahrtschiffen mitsamt ihrer Fracht zu äußern.

Dezember 2019, Santa Cruz, Teneriffa: Vorgestern haben Jens und ich die neue Genua hochgezogen. Es war gerade eine gute Gelegenheit, denn der Wind hatte gerade abgeflaut. Dann geht der Segelwechsel am einfachsten von der Hand, denn das Segel wird nicht wild in der Gegend herum zappeln. Ich stand an der Winsch, um das Segel hoch zu kurbeln, Jens am Vorstag zum Einfädeln das Segels in die Rollanlage. Plötzlich blieb mir die Luft etwas weg, ich fühlte mich, als würde ich direkt am Auspuff eines VW Diesel einen tiefen Luftzug nehmen.

Queen Victoria rußt

Die Queen Victoria liegt heute in Santa Cruz. An derselben Stelle liegt jeden Tag ein anderes Schiff. Alle lassen ihren Dieselgenerator im Hafen laufen. Alle hinterlassen diese fette Rußfahne, die man auf dem vom Vordeck der Sissi aufgenommenen Bild gut erkennen kann. Das ist die eine Seite der Kreuzfahrerei. Ich kann sehr gut verstehen, dass die Venezianer, die Hamburger und eigentlich alle Bewohner der von Kreuzfahrtschiffen überlaufenen Städte dieser Umweltverpestung Einhalt gebieten wollen.

Der Ruß wird vom Wind in den Salon der Sissi getrieben. Den Ruß atmen wir beim Arbeiten auf dem Schiff ein, wir bekommen ihn auch in der Freizeit ab. Er zieht bis in unsere Schlafkoje. Erst wenn sich der Kreuzfahrer mit einem Höllenlärm von seiner Schiffströte mitten in der Nacht verabschiedet, zieht langsam wieder frische Luft durch unser Boot.

Kreuzfahrer mit E-Bikes

Außerdem fallen mit jedem Kreuzfahrtschiff auch Horden von Menschen in den Ort ein. Sie stehen im Supermarkt vor uns normalen Bootstouristen in der Schlange und tragen oft die Lebensmittel und Getränke raus, die wir eigentlich hätten selbst kaufen wollen. Die Supermärkte hier sind klein, meist werden sie erst am folgenden Tag wieder beliefert und aufgefüllt.

AIDS Logo auf dem E-Bike

Ändern können wir es nicht. Wir müssen damit leben. Wenn sie mich dann mit ihren E-Bikes aber auf dem Weg vom Boot zur Dusche fast über den Haufen fahren, dann möchte ich sie am liebsten ins Hafenbecken schubsen. Danke, AIDA, dass du so viele E-Bikes mitgenommen und an deine Passagiere verliehen hast. Könnt ihr nicht wenigstens mit Reisebussen durch die Gegend kutschen, wie die anderen Kreuzfahrer auch? Die Busse machen zwar auch Lärm, dafür fahren sie nicht mitten durch die Marina.


31. Januar 2020, 01:50 Uhr, zwischen Barbados und St. Lucia: Ich liege auf der Couch und döse ein wenig vor mich hin. Meine Wache ist fast zu Ende, in einer guten Stunde werde ich Jens wecken. Bislang war die Wache ziemlich ereignislos – wie fast immer auf dem Atlantik.

Ein penetrantes Piepsen bringt mich aus meinem Dämmerzustand schnell wieder in den Wachzustand. Der AIS-Kollisionsalarm meldet sich. In einer knappen halben Stunde wird die Britannia uns über den Haufen fahren oder ganz nah passieren. Hä? Unser AIS sendet. Unser AIS empfängt. Die können sehen, dass wir ein Segelboot sind. Die können unseren Kurs sehen. Ich mache mir keine besonderen Gedanken, denn viele Kreuzfahrer fahren nach Barbados.

Ich sitze im Cockpit und betrachte den hellen Lichtschein, der sich immer mehr nähert. In den ganzen hellen Lampen kann ich die Positionslampen nicht ausmachen. Unser Windpilot steuert seinen normalen Zickzack. Mal werden wir 30 Meter, mal 300 Meter entfernt von der Britannia den nächsten Begegnungspunkt haben. Und zwar in 20 Minuten. Ich probiere den Nachtfotomodus meines Handys aus, da kann man sogar was erkennen.

Noch 20 Minuten bis zur Begegnung

Die Kurslinie des Kreuzfahrers auf dem AIS ändert sich keinen Zentimeter. Er hält auf uns zu. Ich entscheide mich erst einmal für unsere Kurshaltepflicht, die wir als Segler schließlich haben. Das muss auch der Kerl am Ruder der Britannia wissen. Allerdings unterstütze ich den Windpiloten in seinem Zickzack. Das Zick erlaube ich ihm, das Zack nicht. Eine Viertelstunde später steht fest, dass wir den Kreuzfahrer etwa in 100 bis 200 Metern Entfernung passieren werden. Auf dem Handy erscheint eine Begrüßungs-SMS für das Bordnetz der Britannia. Letztendlich war der kürzeste Abstand weniger groß als die Länge dieses Dampfers.

Unfallfrei passiert, die Britannia ist durch

Frachtschiffe haben bislang immer ihren Kurs für uns geändert, auch die 300 Meter langen Brocken. Fähren sind immer einen großen Bogen um uns gefahren. Nur die Kreuzfahrtschiffe sind eine Gefahr, die machen nach unserer Erfahrung nämlich gar nichts.

Die Dreckskerle fahren einfach stur ihren Kurs weiter. Wenn Passagiere vor den Häfen ausgebootet werden, fahren auch die Dinghis eine schnurgerade Linie, ob da ein Segler vorbei kommt oder nicht. Dies soll keine Verallgemeinerung oder ein Vorurteil sein, dies ist mein Urteil nach 6000 Seemeilen unserer Welttournee und ein Fazit aus mehreren Dutzend Begegnungen mit diesen leuchtenden Trümmern.


Jetzt habe ich meinen Dampf abgelassen. Wir haben noch 10 Meilen bis zur Rodney Bay vor uns, werden wohl bei Tageslicht einlaufen. Dann zwei Stunden duschen und anschließend ein riesiges Steak im Marinarestaurant. So stelle ich mir den Abend vor.