Nach dem Abendessen haben wir genug. Wir haben genug von den Wellen, die immer wieder quer zum Schiff laufen. Wir haben genug vom Schlagen des Segels. Wir haben genug vom Scheppern in den Schränken. Wir fahren eine Halse in der Hoffnung, dass wir nun einen brauchbaren Kurs Richtung Barbados anlegen können und eine angenehmere Fahrt machen. Und die machen wir. Bei konstantem Wind zwischen 22 und 24 Knoten fahren wir ab sofort mit knapp 6 kn einen Kurs, der uns über kurz oder lang an der Küste von Barbados stranden lassen wird. Da ist keinerlei Panik angesagt, die Strandung wird erst in einigen Tagen stattfinden. Wind und Wellen kommen exakt von hinten, Sissi gleitet über die Wellenberge und durch die Täler, es ist eine wahre Freude.
Da wir nur noch ein paar Süßkartoffeln (unbedingt bevorraten, halten sich ewig!), ein paar frische Zwiebeln und Knoblauch haben, ernähren wir uns inzwischen aus Dosen. Das schafft natürlich ein Problem, ein Müllproblem. Während der Biomüll bei der Zubereitung frischer Speisen in die große, blaue Biotonne geworfen wird, können wir das mit den Dosen nicht machen. Die Dosen direkt in unsere Oskar-Tonne zu werfen ist aber auch nicht gut, denn die Tonne ist dann nach zwei oder drei Mahlzeiten voll. Unsere Lösung des Problems ist eine improvisierte Dosenpresse, die aus unserer Rohrzange besteht. Damit machen wir die Dosen so platt, als wären sie ein Blatt Papier, bevor wir sie in die Tonne werfen.
In der Nacht habe ich wie immer die erste Wache. In meiner Wache kommt der Herr Atlantik zweimal zu Besuch ins Cockpit. Was ein Glück, dass wir die untere Hälfte des Steckschotts fast nie rausnahmen. Es ist zwar unbequem, immer darüber zu klettern, hält aber den Salon trocken. Außerdem kommt in meiner Wache der Herr Regenschauer ebenfalls zweimal zu Besuch. Der Wind steigt an auf 25 bis 30 Knoten, ich muss der Windfahne ein paar Mal helfen und dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Keine Squalls! Einfach nur ein paar Schauer. Die Schauer sind angenehm erfrischend, wenn man gegen Mitternacht noch 27°C Außentemperatur hat. So schön kann es auf dem Atlantik sein.
Ich habe ausprobiert, was ich in Büchern der frühen Weltumsegler gelesen habe, nämlich in einem Squall zu duschen. Das macht aber keinen Spaß, mehr Spaß macht es unter unserer Borddusche. Der pfeifende Wind, die Massage durch die Regentropfen und dazu muss man ständig den Kurs zum Wind im Auge behalten, das ist kein Duschvergnügen. Das ist Langfahrer-Romantik vergangener Tage.
Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, Sissi befindet sich auf der Zielgeraden nach Barbados. Deswegen eröffne ich hiermit ein kleines Ratespiel. Wann werden wir ankommen? Schreibt es in die Kommentare zu diesem Beitrag. Datum und Uhrzeit sind gefragt. Der Gewinner bekommt ein tolles Foto zugesendet, das nicht im Blog war und das den Atlantik in seiner ganzen Schönheit zeigt. Wer schon einmal kommentiert hat, dessen Kommentar wird automatisch veröffentlicht. Die anderen Kommentare kann ich erst freigeben, wenn wir wieder normales Internet haben.
Wo haben wir eigentlich Fender und Festmacher verstaut?
12. Etmal: 124 nm
Position um 12 Uhr: N14°21′ W45°56′
Noch 798 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1335 Meilen hinter uns.