Immer und immer wieder

lebe ich meine Routine und mache dabei dieselben Fehler. Ich bin zu nett. Der Katamaran ist Anfang August in die Marina gekommen. Das hatte zunächst für mich keine besonderen Auswirkungen. Bis dann gegen Ende August der Eigner auf mich zukam und mich fragte, ob ich meinen Landstrom von einer anderen Steckdose beziehen könnte. Meine Antwort war damals dieselbe, die ich heute geben würde – selbstverständlich. Er möge ins Marina-Büro gehen, nach einer anderen Steckdose für mich fragen, den Zähler fotografieren und dann könne er mich umstecken. Auf seine Frage, ob ich das nicht für ihn machen könnte, habe ich mit Nein geantwortet. Ich hatte ja Landstrom und es gab für mich keinerlei Handlungsbedarf. Am 25. August steckt er mich schlussendlich um.

Einen Tag später erreicht mich morgens im Tierheim die Nachricht aus dem Marina-Büro, dass ich eine Steckdose benutze, die jemand anderem gehört. Ich kann gerade nicht weg, doch Judith meldet sich Minuten später mit den Worten „I was just kidding“. Okay, dann wollte sie mich etwas verarschen. Das ist schon in Ordnung, sie ist eine Frau mit viel Humor und kann auch selbst einen Scherz vertragen.

Freude im Tierheim über die Presseberichterstattung

Wir freuen uns im Tierheim über die Resonanz in der Presse. Unsere Videos von den Überwachungskameras haben auf Facebook viel Zuspruch erhalten und auch das örtliche Printmedium bringt einen Bericht über eine halbe Seite. Das ist toll. Seit dem wurden keine Tiere mehr außerhalb der Öffnungszeiten ausgesetzt. Ich bekomme immer noch die Alarme der Kameras auf mein Telefon geschickt, doch es geschieht nur noch sehr, sehr selten. Meist sind dann ein Auto und eine Person auf dem Bild zu sehen. Die Person liest sich die Öffnungszeiten durch, dann steigt sie wieder ins Auto und fährt davon. Wenn das an unserer Kampagne liegt, bin ich stolz darauf, meinen Teil dazu beigetragen zu haben.

Mutter und gleichzeitig Amme

Die Katzenmutter mit drei Kätzchen wurde vor dem Tierheim ausgesetzt. Eines der letzten Tiere, bevor der Bericht in der Zeitung erschien. Das mittlere Kätzchen ist eines der ihren. Die beiden anderen sind ebenfalls vor dem Tierheim ausgesetzt worden und brauchen die Muttermilch. Es ist ein Glücksfall für sie, dass sie von der Mutterkatze angenommen werden und mittrinken dürfen. Sie haben es besser, als die vier Katerchen, die ich vor einigen Wochen an Bord hatte. Menschen können Katzenmütter eben nur in Grenzen ersetzen.

Nach der Raubtierfütterung und der Reinigung der Katzenkäfige fahre ich noch zum Einkaufen. Dabei kommt mir eine Kolonne von Polizeimotorrädern entgegen, die die Seitenstraßen absperren und die einzige Ampelkreuzung Arubas blockieren. Der Gouverneur ist auf dem Weg zum Parlamentsgebäude. Es ist deutlich an der Flagge erkennbar.

Der Gouverneur auf dem Weg zum Parlamentsgebäude

Zurück an Bord will ich mein Elektroprojekt noch über die letzten Meter schieben. Natürlich fehlen mir noch Kabel, es fehlt immer an irgendwas. Also muss ich zu Budget Marine, im Baumarkt gibt es die guten, verzinnten Kabel nicht zu kaufen. Ich muss aber auch in den Baumarkt, weil mir Terminals fehlen, die es bei Budget nicht zu kaufen gibt. Wenn ich morgens etwas schneller im Kopf wäre, hätte ich das Zeug vor dem Gang zum Supermarkt geholt. Mein Portemonnaie zeigt mir die große Leere, also kommt der Besuch beim Geldautomat ebenfalls auf meine innere Todo-Liste. Meine Sachen sind schnell gepackt, als es an meinem Boot klopft. Jemand rumpelt an meinem Anker, es ist der Eigner des Katamarans. Die Sonne brennt vom Himmel, er verwickelt mich in eine Konversation und möchte sich verabschieden. Er müsse am kommenden Tag die Marina verlassen, weil der einzige Katamaran-Platz reserviert sei. Ich habe keine Lust auf Smalltalk und mir wird es in der Sonne zu warm. Ich gebe eine gewisse Eile vor und es rutscht mir die Bemerkung raus, dass ich zum Baumarkt muss. Wie dumm von mir.

Waschbecken, ein weiteres Corona-Produkt aus dem Alltag

Eine Stunde später stehe ich im Baumarkt vor eine Reihe Waschbecken, die ich mir an aller Ruhe ansehen kann. Ebenfalls die Toiletten und die Spülkästen und Badezimmerfliesen. Meine überschaubaren Einkäufe sind im Einkaufswagen. Außerdem haben wir schon die große Runde durch den Baumarkt hinter uns. Farbe für die Gasflaschen des Katamarans, die die Rostbildung verhindert. Toilettenreiniger. Sonstiges. Nun fehlt nur noch ein WC-Sitz für den Kat. Mein Mitfahrer steht vor einer Überschaubaren Aufgabe. Von den Maßen her sind ca. fünf der 36 Toilettensitze geeignet. Ich werde nach meiner Meinung gefragt. Warum? Mir muss er doch nicht gefallen. Ich zeige auf den erstbesten Sitz. Dann entdeckt der Mann über den drei Reihen zu je 12 Toilettensitzen noch zwei weitere Reihen, die sich in über zwei Meter Höhe der direkten Begutachtung entziehen. Die Suche nach einem Mitarbeiter des Baumarkts zieht sich ein wenig in die Länge, das ist hier in Aruba nicht anders als bei uns. Der erklärt dann, dass oben in der Höhe nur Dekoration ist, es seien die gleichen Sitze, die auch unten hängen. Der Mitarbeiter darf dann ebenfalls noch seine Meinung zu den Produkten äußern. Er zeigt auf den teuersten Sitz. So einfach geht das. Gekauft wird dann ein anderes Produkt. Ist mir doch egal, Hauptsache ist, dass wir endlich wieder aus dem Laden heraus kommen. Ich will schließlich mein Elektroprojekt weiter treiben. Wir fahren noch schnell zu Budget Marine, den Laden kennt mein Begleiter in- und auswendig. Dieser Einkauf ist schnell erledigt. Ohne Begleitung wäre ich eine Stunde früher wieder an Bord gewesen. Warum kann ich nicht Nein sagen?

Küchenbeleuchtung. Die Deckenbeleuchtung kann man auf Rotlicht umschalten.

Die Restarbeiten an Bord sind überschaubar. Der Kühlschrank bekommt eine komplett neue Stromversorgung auf anderem Weg als vorher, da das alte Kabel tief im Inneren vergraben ist und sich meinem Zugriff erfolgreich entzieht. Ich müsste die Achterkoje komplett auseinander nehmen, insbesondere die beiden Matratzen entfernen. Da schneide ich die beiden zugänglichen Enden des Kabels lieber ab und werde den Rest der Leitung so lange an Ort und Stelle belassen, bis sich eine Gelegenheit ergibt. Auch die Küchenbeleuchtung hat eine neue Stromversorgung und bessere Lampen. Die Arbeitsfläche ist jetzt angenehm hell, bei nächtlichen Fahrten lassen sich die Deckenleuchten auf Rotlicht umschalten. Nun sind nur noch die Navigationsbeleuchtung und einzelne Geräte zu verkabeln. Dann bin ich fertig. Die Lampen für den Salon liegen in der Firma von Sönke, dem Eigner der Pamina. Die Familie fliegt bald für eine Woche nach Deutschland und sie werden mir die Lampen mitbringen. Dann kann ich auch die Salondecke schließen. Ich schalte das Landstrom-Batterieladegerät aus und teste die Batterien. Erwartungsgemäß reicht im Hafen die Stromproduktion nicht für den Verbrauch, doch es ist schön anzusehen, wie gleichmäßig sich die Batterien nun entladen. Das Minus-Kabel des Kühlschranks muss sehr weit weg von der zentralen Masse angeschlossen gewesen sein. Ich ersetze das Antennenkabel durch ein neues. Das alte Kabel hatte einen Gleichstrom-Widerstand von 100000 Ohm. Mit dem neuen Kabel sind es noch 3 Ohm. Außerdem schließe ich den Außenlautsprecher an das Funkgerät an.

Neues Antennenkabel und der Außenlautsprecher werden angeschlossen

Wie teste ich das nun? Ganz einfach: Ich lege ein Telefon neben das Funkgerät, das auf einen unverdächtigen Kanal eingestellt ist, und drehe die Lautstärke auf. Dann nehme ich das zweite Telefon und rufe das erste Telefon an. Ich habe eine Verbindung an Bord. Neben dem Telefon kommt noch das Handfunkgerät mit ins Auto. Dann fahre ich langsam vom Boot weg und rufe immer wieder über Funk durch. Der Lautsprecher des Telefons quäkt und ich höre mit der üblichen WhatsApp-Telefonieverzögerung meinen Ruf aus dem Telefon. Das geht über 500 Meter, einen Kilometer und zwei Kilometer noch gut, die Sprache ist verständlich. Dann verliert sie sich in einem Rauschen. Eine Handfunke aus einer Seemeile Entfernung zu empfangen ist ziemlich im Bereich des Optimums. Es gefällt mir. Ein Radiocheck mit Arubaport wird mit „loud and clear“ beantwortet. Das gefällt mir auch. Auf dem AIS-Bildschirm werden sogar Schiffe in mehr als 30 Meilen Entfernung angezeigt. Ich bin stolz, denn ich hatte mit den Steckern des Antennenkabels das erste Mal seit meinem Praktikum im Studium wieder einen Lötkolben in der Hand.

Die Stromverteilung ist fertig verkabelt und beschriftet. Drei Stromkreise sind frei.

Auch der Test des Radars verläuft erfolgreich. Der Licht-Check für die Navigationsleuchten ebenso, genau wie für die Lampen im Mast. Ich fühle mich richtig gut, während ich den Controller des Autopiloten anschließe. Ich drücke die Power-Taste und nichts passiert. Habe ich eine Sicherung für diesen Stromkreis eingesetzt? Leider ja. Jetzt muss ich doch unter meiner Matratze nachsehen, denn dort ist der Autopilot montiert. Der Schweiß tropft mir überall vom Körper. An einer verborgenen Stelle hat der Vorbesitzer von Sissi oder gar dessen Vorgänger die Isolierung der Zuleitung des Kühlschranks entfernt und das Minus-Kabel des Autopiloten an das Minus-Kabel des Kühlschranks gefummelt. Ich bin frustriert. Ich habe mir wieder für zwei Tage Arbeit aufgehalst. Andererseits war die alte Konstruktion ein amateurhaftes Gefrickel, ich müsste froh sein, dass ich es los bin. Ich bin aber nicht froh, denn ich wollte gar keine neue Baustelle mehr haben. Meinen Frust teile ich kurze Zeit später mit dem Eigner des Katamarans, der mir zufällig auf dem Steg entgegen kommt.

Kabel, die ich aus Sissi entfernt habe

Das Teilen meines Frusts erbrachte mir der Toilettensitz-Tour zum Baumarkt auch eine gewisse Öffnung dieses einigermaßen zwanghaft agierenden Menschen zu mir hin. Er beginnt, seinen Frust vor mir auszubreiten. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man an einem Ort plant festzuhängen oder ob es ein ungeplanter Aufenthalt unbekannter Dauer ist. Die Familie mit zwei Kindern (5 und 12 Jahre) reibt sich gerade an dem Aufenthalt in Aruba auf. Seit Anfang August hängen sie fest, es sind noch Arbeiten am Boot zu erledigen und insbesondere der Kartenplotter tut es nicht. Die zu erwartenden größeren Ausgaben scheinen dem Mann geradezu körperliche Schmerzen zu bereiten. Dabei langweilen sich die Kinder, auch wenn die Kleine mit Lea von der Pamina spielen kann und die Große den Hund Charly von der Pamina ausführen darf. Es kommt Heimweh auf. Der Bordfrieden steht auf der Kippe. Als guter Fremdenverkehrs-Onkel empfehle ich, ein gewisses Kulturprogramm mit den Kindern durchzuziehen. Es gibt in Aruba unzählige Möglichkeiten, Kinder zu bespaßen. Die einzige Voraussetzung ist ein Mietwagen oder der Wille, ein Taxi zu der jeweiligen Attraktion zu bezahlen. Dafür ist mein Stegnachbar jedoch noch nicht bereit, dafür müsste er ja das Portemonnaie öffnen. Ich bin gespannt, auch wenn sie in Kürze die Marina verlassen, werde ich sicher noch von ihnen hören.

Olga wurde adoptiert

Ich bin im Tierheim und mache die kleine Olga fertig. Sie wurde adoptiert und wird in Kürze von ihren neuen Dosenöffnern abgeholt. Plötzlich erreicht mich eine Nachricht von Judith aus dem Marina-Büro. Der Eigner der Watashee hat sich darüber beschwert, dass ich ihm den Strom klauen würde. Als ich zurück im Hafen bin, ist Sissi vom Strom getrennt. Ich frage, woher ich meinen Strom denn nun beziehen soll, mir werden zwei Steckdosen an derselben Säule genannt. Leider sind beide mausetot. Ein Blick auf den Batteriemonitor zeigt mir, dass ich Landstrom nie nötiger hatte als heute. Die Batterien sind inzwischen zu etwas mehr als 50 Prozent entladen. Bei unter 40 Prozent Füllstand könnten sie ernsthaften Schaden nehmen. So weit wären wir dann nach der nächsten Nacht. Leider hat Judith keine Ahnung, woher ich sonst den Strom nehmen könnte.

Warum habe ich damals eigentlich nicht Nein gesagt? Als ich damals umgesteckt wurde dachte ich, dass der Eigner des Katamarans Judith gefragt hat, in welche Steckdose mein Stecker gesteckt werden muss. Hat er aber offensichtlich nicht. Hafenmeister Paul verspricht mir die Installation einer zusätzlichen 220V Steckdose, was mir in der aktuellen Situation aber nicht hilft. Ich gehe zum Katamaran und bedanke mich dafür, dass ich nun meinen Motor mal für ein paar Stunden laufen lassen darf. Der Mann meint zwar, er hätte mich genau in die Steckdose gesteckt, die Judith ihm genannt hat. Das kann meiner Meinung nach nicht sein, denn Judith weiß genau, welche frei sind und welche nicht. Aber ich darf wieder den Strom aus meiner alten Steckdose zapfen, er muss ja sowieso am folgenden Tag losfahren.

Hitze

Draußen auf dem Ozean zieht weit im Norden eine tropische Störung nach der anderen durch. Manche davon finden ihren Weg sogar in die Tagesschau, wenn sie auf karibischen Inseln oder in den USA Chaos anrichten. Nach Aruba finden sie glücklicherweise ihren Weg nicht, doch sie saugen wie gigantische Staubsauger den Passatwind weg und sorgen hier dafür, dass die üblichen Temperaturen unerträglich werden. Mit fünf Windstärken kann man auch bei 35°C angenehm im Schatten sitzen, bei nur drei Windstärken tropft der Schweiß auf den Boden.

Es ist heiß

Dafür sehe ich langsam das Ende meine Elektrobaustelle herannahen. Neben der Vorschiffskoje und dem Salon ist jetzt auch das Cockpit neu verkabelt. Anfangs war es noch sehr anstrengend und schweißtreibend, die Leichen der vielen Kabel von den vor Jahren ausgemusterten Instrumenten des Voreigners aus den engen Kanälen zu ziehen. Als ich endlich ein wenig Platz schaffen konnte, war es leicht die neuen Kabel durchzuziehen. Stolz war ich auf den neuen Kabelkanal, der viel ansehnlicher ist als der alte, mit Isolierband umwickelte Kabelstrang. Auch da waren noch einige Leichen drin verpackt. Ich verlege alle Kabel sauber, schließe sie an und prüfe sie auf Funktionsfähigkeit. Nach bestandenen Tests bringe ich die Verkleidung und den Instrumententräger wieder an ihren Platz und verschraube sie.

Cockpit

Dann will ich mich am Ergebnis erfreuen, finde jedoch fünf Minuten später im Salon noch den kleinen externen Lautsprecher, den ich an das Funkgerät anschließen möchte. Der Außenlautsprecher soll es möglich machen, den Funk auch zu verstehen, wenn der Motor läuft. Bislang musste ich immer runter in den Salon, wenn ich dachte, dass Sissi gerufen wird. In Zukunft werde ich wissen, dass Sissi gerufen wurde und kann dann entspannt zum Funkgerät gehen und antworten. Nur liegt dieser blöde Lautsprecher auf dem Salontisch zwischen allem möglichen anderen Installationsmaterial und ist nicht an seinem angedachten Einbauort. Also muss ich noch einmal die ganzen Verkleidungsteile abnehmen und den Lautsprecher an seinen Platz bringen.

Erste Messungen zeigen, dass die Solarzellen auf dem Cockpitdach mit den neuen Kabeln ca. 15% mehr Leistung liefern.

Was ist noch zu tun? Die Stromversorgung des Kühlschranks wird noch erneuert und dann habe ich den Elektrojobs alle erledigt. Fast alle. Ein neues Antennenkabel für die Funkantenne will noch gekauft und verlegt werden. Die Antenne ist noch gut, beim Durchmessen bietet sie einen Kurzschluss für den Gleichstrom des Messgeräts. Das alte Kabel war mehrfach unterbrochen und gelötet, da ist die Sende- und Empfangsqualität hingegangen.

Öffnungszeiten des Animal Shelter

Es ist doch eigentlich gar nicht schwer. Von Montag bis Freitag kann man zwischen 8 Uhr und 11:30 Uhr die nicht mehr gewollten Haustiere abgeben. Die Videoüberwachungskameras bieten auch eine Alarmierungsfunktion. Inzwischen werde ich alarmiert, wenn ein Tier abgeworfen wird. Okay, die Kameras geben Alarm, wenn sich auf dem Parkplatz etwas tut. Die Zahl der Fehlalarme ist überschaubar. Einmal war bin ich hingefahren um zu wissen, was sich in der Box vor der Tür befindet.

Drei Kätzchen in einer Box

Während ich noch überlege und mit Eva telefoniere, was wir mit den Kätzchen machen sollen, kommt plötzlich ein Wagen auf den Parkplatz gefahren. Eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern sitzt darin. Sie steigt aus und geht zu den Kätzchen, sammelt sie ein. Ich frage sie, warum sie die Tiere zuerst ausgesetzt, dann wieder eingesammelt hat. Ihre Mutter hat die Katzenkinder ohne zu fragen bei uns entsorgt. Es ist traurig, die Kätzchensaison hat gerade erst begonnen. Am nächsten Morgen finden wir vier Hundewelpen vor der Tür.

Auch ungeliebt von ihren Besitzern.

Im Hafen geht alles seinen normalen Gang. Drei deutsche bewohnte Boote liegen am Steg. Neben Sissi und Pamina noch ein deutscher Katamaran. Der Kat liegt so nah an meinem Boot, dass ich sehen kann, was da alles so veranstaltet wird. Die Besitzerfamilie hat das Boot in Aruba erworben und macht es nun langfahrtentauglich. Arbeiter von der Marina gehen jeden Tag ein und aus, das Boot muss perfekt werden. Der Eigner ist ein ehemaliger Lufthansa Pilot. Wenn die alle so sind, werde ich nie wieder in einen Lufthansa-Jet einsteigen. Das wird wahrscheinlich sowieso nicht passieren.

Anfangs fand ich die Leute ja ganz nett. Der Eigner hat noch keinerlei Erfahrung mit Langstreckensegeln und hatte eine Unmenge Fragen an mich. Allerdings hat er sich zu keiner der Fragen meine Antworten anhören wollen bzw. wenn er sie angehört hat, hat er nicht zugehört. Okay, es muss jeder seine eigenen Erfahrungen sammeln. Auch ich habe den Stein der Weisheit noch nicht gefunden, dabei gibt es in Aruba jede Menge Steine.

Swa bei seiner Lieblingsbeschäftigung

Er fragte mich am Anfang dieser Woche, ob ich Bescheid sagen würde, wenn ich wieder zum Supermarkt einkaufen fahre. Er würde gerne mitfahren. Am gestrigen Freitag war es dann soweit. Ich sehe ihn den Steg entlang laufen und kündige die Fahrt zum Supermarkt für etwa 16 Uhr an. Das geht bei diesem Menschen nur mündlich, denn der Katamaran ist das einzige Boot, mit dem ich länger im selben Hafen liege und von dem ich nie eine Telefonnummer bekommen habe.

Ziemlich pünktlich stehe ich vor dem Katamaran. Jetzt passt es ihnen gerade nicht, sie haben etwas anderes vor. Sie behandeln mich, als würde ich sie bei wichtigen Tätigkeiten stören. Also gehe ich wieder, schnappe mir Portemonnaie und Autoschlüssel und will losziehen.

Plötzlich steht die ältere Tochter vor meinem Boot und will wissen, ob sie und ihre Mutter doch mitfahren können. Das ist ja kein Problem für mich, es war sowieso geplant. Auf dem Parkplatz treffen wir Rebecca, die Hund Charly gerade ausführt. Die beiden bleiben erst einmal für einen ausführlichen Schnack stehen. Ich komme mir vor, wie der letzte Hanswurst. Ich habe keine Aktien mit dem Hund. Ich muss auch keine Kinder auf meinem Boot unterrichten. Ich will eigentlich nur in den Supermarkt fahren. Eine knappe Viertelstunde später sitzen wir gemeinsam im Auto. Die beiden fangen eine Unterhaltung auf Tschechisch an. Schön, sie sprechen eine Sprache mehr als ich. Das empfinde ich als sehr unhöflich. Ich muss lernen, öfter Nein zu sagen. Der Eigner möchte noch, dass ich ihm seinen Parasailor richte und ihm eine Einweisung gebe. Das geht nicht. Es gibt keinen Katamaran, der groß genug wäre, dass wir beide darauf gleichzeitig fahren könnten.

Music Bingo

Am Mittwoch habe ich den ersten Preis beim Music Bingo gewonnen, eine Flasche Rum aus Venezuela. Wie die meisten Gewinner auch habe ich mir von Sanne eine Ladung Gläser kommen lassen und eine Lokalrunde ausgegeben. Es kommt ja nicht auf den Rum an, sondern darauf, dass man einen schönen Abend hatte.

Gustav

Ich habe ein geregeltes Leben. Arbeiten auf dem Boot, gelegentlich im Tierheim oder bei den Eseln. Jeden Mittwoch fahre ich nach Oranjestad in das Jazz Café, dann gibt es Music Bingo und ich treffe ein paar andere Leute als in der Marina. Letzten Mittwoch fand eine der seltenen Änderungen der Routine statt. Ich warte auf den Beginn der ersten Bingo-Runde, als mein Telefon klingelt und der Name Gustav angezeigt wird. Gustav war Teil einer dänischen Crew, die mit 16 Personen auf einem Boot zwischen Aruba, Curacao und Bonaire hin und her gesegelt sind, wenn sie nicht gerade in Covid-Quarantäne waren. Gustav ist in Curacao und möchte über Aruba in die USA fliegen. Er möchte bei mir an Bord schlafen. Das geht für mich in Ordnung, er muss allerdings mit der Bank im Cockpit vorlieb nehmen. Mein Gästezimmer ist unbewohnbar.

Gästezimmer

Das macht ihm nichts aus. Er freut sich auf das Wiedersehen und meint noch, dass er in der Marina suchen wird, ob er nicht ein gemütlicheres Bett bekommt. Das ist für mich vollkommen in Ordnung. Als ich nach dem Music Bingo zurück zu Sissi komme, treffe ich auf dem Parkplatz Gustav und er hat tatsächlich ein anderes Boot für die Übernachtung gefunden. Sehr schön. Es sieht bei mir schlimm genug aus, da kann ich eigentlich gar keinen Gast gebrauchen.

Stromverteilung entkernt

Meine Stromverteilung ist inzwischen entkernt. Die Kabel hängen geordnet und beschriftet von der Salondecke herunter bzw. etwas ungeordnet in den Ecken. Die meisten davon wollen in den kommenden Wochen ersetzt werden. Meine inzwischen eingebaute und voll funktionstüchtige neue automatische elektrische Bilgepumpe ist ein Komfortgewinn ohne Gleichen. Ich kann nach Herzenslust duschen und noch während des Duschvorgangs kann ich mich an dem Pumpengeräusch im Keller unter mir erfreuen.

Halbwegs geordnet aber durchweg beschriftet

Ich muss nur noch dem Kühlschrank eine dickere Stromleitung verpassen, die Zuleitungen in die Achterkoje ersetzen, die Deckenlampen im Salon anschließen und darf nicht vergessen, zuletzt alles wieder zu verkabeln, was für den Betrieb des Schiffes erforderlich ist. Bei der letzten größeren Stromaktion vor mehr als drei Jahren hatte ich tatsächlich vergessen, den Kühlschrank wieder anzuschließen.

Es gibt noch viel zu tun

Am Donnerstag bin ich wie immer im Tierheim und kümmere mich um die Katzen. Dort erreicht mich eine ziemlich frustrierte Nachricht von Gustav. Sie lassen ihn nicht in die USA einreisen, weil er das falsche Visum hat. Deswegen muss er in Aruba bleiben, wo sie ihn nicht wieder reinlassen wollen, wenn er kein Flugticket für den Rückflug vorweisen kann. Er kauft ein Ticket nach Curacao und fragt mich, ob er in dieser Nacht in meinem Cockpit schlafen darf. Darf er. Am Abend unterhalten wir uns, ich will mehr über seine Pläne wissen. Eigentlich will er in die USA, um dort in New York auf einem Großsegler zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das kann er jetzt aber vergessen nach seinem Versuch, mit dem falschen Visum einzureisen. Nun sucht er eine günstige Möglichkeit, seine Zeit in Aruba zu verbringen und eine Passage nach Kolumbien oder Panama auf einem Segelboot zu erwischen.

Esel im Starkregen

In solchen Fällen denke ich immer „Esel“. Ich sehe nach, ob in einem der beiden Apartments Platz ist. Sie sind beide frei. Ich erkläre Gustav den Deal, dass er für 20 Stunden Arbeit in der Woche bei den Eseln ein Apartment und ein Auto bekommen kann. Diese Idee findet er total gut, ich schicke ihm Desriees Telefonnummer. Am Freitag fahre ich ihn ins Donkey Sanctuary. Er bekommt den Job, das Apartment und das Auto, jetzt ist er ein sehr glücklicher Mensch. Nun kann er sich weiter um ein neues Visum für die USA bemühen, eine Passage suchen und hat kein Problem mit drohender Obdachlosigkeit mehr.

Kamino in der großen Gruppe

Im Donkey Sanctuary gibt es auch gute Nachrichten. Kaminos Stumpf ist soweit in Ordnung, dass er in die große Gruppe gelassen wurde. Nun muss er mit den dicken Eseln um das Futter kämpfen. Zur Fütterungszeit stelle ich fest, dass es für ihn kein Problem ist, genug Heu zu bekommen. Er hat die Technik perfektioniert, seinen Körper auf dem vorderen Bein zu drehen und dann mit den hinteren Hufen zu kicken. Keiner mag neben ihm am Heu stehen. Das gefällt mir sehr gut.

Schlank und sehr schön – Kamino

Weitere Ausbrüche aus meiner Routine sind die teilweise schon sehr häufigen Besuche im Animal Shelter, um Videos von den Überwachungskameras zu sichern. Die Aufzeichnungen werden nach vier Tagen überschrieben, mehr passt nicht auf die Festplatte. Interessanterweise werden die Tiere vor allem an Tagen mit viel Regen ausgesetzt. Die fünf Tiere, die an einem Tag ausgesetzt wurden, habe ich schon einmal gezeigt. Jetzt ist es etwas kompakter. Zuerst werden drei Kätzchen gebracht. Dann kommt der erste Hund. Eine Stunde später informiert sich ein Mann über die Öffnungszeiten, fährt wieder davon und bindet eine halbe Stunde später einen Hund an den Baum. Auch das Pärchen im nächsten Schnipsel informiert sich über die Öffnungszeiten, dann werden eine hochschwangere Hündin und eine sehr junge Hündin aus dem Wagen gezerrt. Bei der Abfahrt des Wagens ist gut zu sehen, wie die werdende Mutter hinterher läuft und zu ihren Menschen möchte. Die beiden Hunde können wir durch Zufall retten, sie sind am nächsten Tag noch in der Nachbarschaft. Bei der Sichtung der Videos finde ich später dann den einzigen einigermaßen verantwortungsbewussten Tierhalter, der seine Welpen wieder mitnimmt. Ein wenig Slapstick, wie die Welpen immer wieder aus ihrer Box herauskommen wollen. Der letzte Hund wurde morgens um viertel vor Acht angebunden. Um acht Uhr öffnet das Tierheim.

In den meisten Fällen haben wir das Autokennzeichen. Diese Fälle werden zu einem tierlieben Polizist gebracht, der wiederum die Anzeige fertigt, welche zu einem Bußgeld führt. Der Polizist arbeitet übrigens bei der Hundestaffel. Nach der Sicherung der Videos fahre ich dann wieder zu Sissi und kümmere mich ums Strippen ziehen.