Countdown

Wir schreiben den 31.12.2021. Nur noch wenige Stunden trennen uns vom neuen Jahr. Nur noch wenige Tage, dann wollen wir die Insel verlassen.

Getreu dem Werbespruch einer großen Baumarktkette gibt es dafür auch bei uns immer noch einiges zu tun. Gestern zum Beispiel, den Tank von Sissi mit allerfeinstem Diesel zu füllen. Das wollte ich eigentlich an der Bootstankstelle in der Renaissance Marina machen, ich bin aber nicht bereit, irgendwelche Zuschläge zu zahlen, etwa für Kreditkartenzahlung oder dafür, dass ich kein Gast in der Marina bin. Da wir unser Auto noch haben, bietet sich die Straßentankstelle geradezu an. Außerdem brauchen wir noch ein paar Kanister. Von den in Spanien gekauften Dieselkanistern ist einer unterwegs zerbrochen und hat die Vorschiffskoje in unnachahmlich leckeren Dieseldunst gehüllt. Wir fahren schnell in den Baumarkt, holen die Kanister und eilen dann zur Tankstelle. Im Baumarkt erleben wir die Rückkehr längst vergessener Corona-Maßnahmen. Wir müssen jeder einen Einkaufswagen nehmen, sonst kommen wir nicht rein. Das gab es früher schon einmal.

Der Diesel muss in die Kanister.

Am Steigrohr lese ich den Pegel ab. Er ist ein wenig schwer zu erkennen, weil so viele Stromkabel hinzu gekommen sind. Noch 120 Liter im Tank, also müssen wir 160 Liter einfüllen, damit wir auf die vollen 280 Liter kommen. Okay, es sind drei Fahrten zur Tankstelle nötig. Mit der ersten Fahrt holen wir die vollen 100 Liter, auf der zweiten Fahrt noch einmal so viel und anschließend müssen wir noch drei Kanister füllen. So weit die überschlägige Kopfrechnung.

An der Tankstelle geht man normalerweise erst zur Kasse und bezahlt, dann schaltet die Kassiererin die Zapfsäule für die entsprechende Menge Sprit frei. Ich kaufe 100 Liter Diesel und bezahle sie mit US-Dollar in Bar. Ich habe nicht genug Florin. Beim zweiten Besuch kommen zu den 100 Litern Diesel (Bezahlung in US-Dollar mit Kreditkarte) noch ein paar Liter Superbenzin dazu, die ich in Bar mit Florin zahle. Beim dritten Besuch reichen die restlichen Florin aus für den Diesel. Die Kassiererin ist endgültig verwirrt, als ich ihr die bunten Scheine über den Tresen reiche. Sie hatte Dollars erwartet und mir den Betrag auch gleich umgerechnet.

Betankung per Schüttelschlauch

Auf dem Boot geht der Diesel dann per Schüttelschlauch in den Tank. Wer nicht weiß was das ist oder wie das geht, findet auf Youtube unzählige Videos. Der Inhalt der ersten sieben Kanister landet schnell im Tank. Am Steigrohr ist der Pegel nun bei ca. 250 Litern. Also passt der achte Kanister noch hinein. Doch nach wenigen Litern läuft der Tank über. Das passiert mir immer wieder, wenn ich an der Zapfsäule tanke. Genau das wollte ich mit den Kanistern vermeiden. Eine Küchenrolle geht dabei drauf, den übergelaufenen Diesel aufzunehmen. Und wir müssen das Cockpit durchwischen, der Geruch ist einfach zu penetrant.

Dinghi fahren, immer wieder ein Spaß

Das Dinghi muss weggepackt werden. Leider ist auf Sissi kein Platz, um es aufgeblasen an Deck zu transportieren. Auf vielen Segelbooten kann man das Dinghi zwischen dem Mast und dem Cockpit transportieren. Das Mittelcockpit von Sissi verbietet uns das. Vor dem Mast würden die Genuaschoten behindert werden. Hinter dem Cockpit würde es der Windfahne Windschatten geben, sie also funktionsunfähig machen. Also müssen wir es zusammenpacken und wegstauen. Vorher darf Eike noch eine Runde im und um den Hafen drehen. In Bonaire werden wir oft genug Dinghi fahren, dort liegen wir ja an einer Boje. Ich hoffe, die Boje neben der Samai bleibt frei.

Am Abend kommt Edward vorbei, um das Auto abzuholen. Eike trauert. Edward macht mit dem Wagen das Geschäft seines Lebens. Er hat die Schrottkarre für 300 Florin gekauft und in vielen Arbeitsstunden zum Laufen gebracht. Anschließend war der Wagen fast drei Monate lang für 220 Florin in der Woche an verschiedene deutsche Segler vermietet. Nun hat er einen Käufer, der ihm 1400 Florin für den Schrotthaufen ohne TÜV bezahlt. Der Motor ist in gutem Zustand, keine Frage. Auch die Bremsen sind sehr gut und die Klimaanlage funktioniert tadellos. Ansonsten braucht der Wagen lediglich eine neue Windschutzscheibe, neue Reifen, neue Stoßdämpfer, und ein paar Kleinigkeiten…

Eike trauert. Er möchte Edward seine in den letzten beiden Wochen erlernten Fahrkünste vorführen. Wir fahren noch eine Runde in die Nacht, es ist sowieso zu viel Benzin im Tank. In Aruba werden Autos nur verkauft, wenn die Tankanzeige auf „E“ steht. Edward lobt Eike. Er fühlt sich sicher. Und ja, Eike hat sich in den letzten beiden Wochen sehr gut entwickelt. Anstatt den Spaß in den Vordergrund zu stellen, bemüht er sich um eine ausgesprochen sichere Fahrweise. Das gefällt mir. Hier noch ein paar Eindrücke aus den ersten Tagen mit der Handschaltung. Ich entschuldige mich bei den Quietschboys und ACDC, den Song verwendet zu haben, doch kein Text passt besser. Zum Glück wurde die Tonspur nicht von Youtube gelöscht.

An dieser Stelle wünsche ich euch allen ein gesundes, schönes, erfolgreiches und perfektes Jahr 2022. Auf dass die Pest endlich endet! Prost Neujahr!!!

Klebrige Insel

Aruba hat es wieder einmal geschafft und mir von hinten in die Kniekehle getreten. Es ist Motortag. Endlich nehme ich die lange aufgeschobene Inspektion in Angriff. Ich hasse den Geruch von Diesel im Boot. Trotzdem wollen alle Filter gewechselt werden. Das gelingt mir sogar so erfolgreich, dass der übergelaufene Diesel in unzähligen Papiertüchern von der dicken Küchenrolle landet und das Öl ebenso. Leckeres schwarzes altes Öl. Nach zweieinhalb Stunden brummt der Motor wieder. Ein schönes Gefühl. Dafür läuft das Waschbecken im Badezimmer nicht mehr ab. Eike geht ins Wasser und entfernt jede Menge Bewuchs, bevor er überhaupt den Auslass findet. Nach etwas Kratzen und Schaben ist es soweit, gurgelnd läuft das Wasser wieder ab. So weit, so gut.


Nach der erfolgreich durchgeführten Motorinspektion will ich gleich noch den Watermaker wieder in Betrieb nehmen. Schritt für Schritt arbeite ich mich am Handbuch ab. Es kommt der Punkt, an dem steht, dass der Watermaker nun für drei Minuten gespült werden muss. Die Hochdruckpumpe fängt an zu arbeiten. Anfangs ist gut zu hören, wie die Luft aus dem System zischt. Das Pumpengeräusch wird vertrauter, kerniger und ich kann hören, wie das Wasser die Luft verdrängt. Ich stehe wieder am Navigationstisch und lese mir den nächsten Arbeitsschritt durch. Nun muss die Reinigungsflüssigkeit angemischt werden. Die benötigten Pülverchen waren bei Eike im Gepäck.

Ein Knall. Der Bereich vor dem Maschinenraum ist nass. Das Pumpengeräusch hat sich wieder verändert. Nun verteilt die Hochdruckpumpe das Spülwasser im Maschinenraum. Das Gehäuse des Feinfilters ist einfach geplatzt. Vielleicht hatte es einen Haarriss, vielleicht habe ich es zu fest zugemacht. Was auch immer die Ursache war, ich werde es nie erfahren. Wir wollen Sissi nach Bonaire segeln und dort an einer Boje festmachen. Trinkwasser per Dinghi an Bord schaffen? Ist nicht so mein Ding. Ein Platz in der kleinen Marina? Ist echt teuer. In Aruba auf das Ersatzteil warten…?

Filtergehäuse

Das Ersatzteil ist nach Bonaire bestellt. Ich habe meinem Händler geschrieben, dass ich bereit bin, Versandkosten in jeder Höhe zu zahlen. Hauptsache ist, dass das Teil schnell nach Bonaire gelangt. Wenn wir uns ein wenig einschränken, reichen die 500 Liter Wasser im Tank, bis das neue Gehäuse eingetroffen ist. Wir müssen nicht duschen, wir können uns auch am Waschbecken waschen. So leicht mache ich es dir nicht, Aruba!

Marinebedarf, rostfrei und salzwasserfest

So stimmungsvoll und ausgelassen wir den Weihnachtsabend verbracht haben, unsere kleine Feierlichkeit war nicht ohne eine ordentliche Enttäuschung. Eike fragt mich, ob er mit dem Dinghi im Hafen herumfahren darf. Weihnachtswünsche sollen in Erfüllung gehen. Außer uns ist kein anderes Boot im Hafen bewohnt. Selbst Hafenmeister Paul verbringt den Abend woanders.

Am 24.12. haben wir alles versucht, dieses Schloss wieder gängig zu machen. Die Klassiker „WD40“ und „On and off“ versagen auf ganzer Linie. Der Schlüssel lässt sich nicht in das Schloss stecken, geschweige denn drehen.

Ich hole den Schlüssel und eine Leine, an der der Motor später zum Dinghi heruntergelassen werden soll. Eike bläst das Dinghi auf. Wir verholen das Dinghi nach Achtern. Ich versuche, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, doch eine Mischung aus Rost und Salz verbietet mir das. Das im Marinebedarf erworbene, salzwasserfeste Schloss ist nicht so rostfrei, wie ich mir das vorgestellt habe. Mir kommt der Gedanke, dass es vielleicht klug gewesen wäre, das Schloss nur dann anzubringen, wenn es auch benötigt wird. Vielleicht wäre es ebenso klug gewesen, das Schloss nach jedem Segeln wieder mit Süßwasser zu reinigen. Es ist jedoch der Heilige Abend, ich kann heute wirklich niemanden fragen. Der Trennschleifer, der sich an Bord befindet, ist unbenutzbar. Ich kaufe mir nie wieder akkubetriebene Geräte. Wenn man sie braucht, ist der Akku kaputt. Nach der kurzen Enttäuschung gönnen wir uns einen kleinen Schluck Rum und erfreuen uns weiter an der Musik.

Bumms. Eine wichtige Lektion für Eike.

Bislang waren Eike und ich fast jeden Tag mit dem Auto unterwegs. Fahrstunden. Inzwischen hat er sich auch mit der Kupplung angefreundet. Mit meinem Auto habe ich an der Tankstelle den Tank immer randvoll machen lassen. Bei diesem Wagen traue ich mich nicht, so viel Geld zu investieren. Er könnte jederzeit zusammenbrechen. Also tanke ich nur für 25 Florin, wie es die Einheimischen auch machen. Deswegen sind wir in letzter Zeit oft an der Tankstelle zu Gast. Ich halte als letzter in der kurzen Schlange und stelle den Motor aus. Die Nadel ist sehr nahe an „leer“. Während wir warten und uns unterhalten, kommt ein anderer Wagen im Rückwärtsgang auf uns zugefahren. Er stoppt nicht, sondern schlägt vorne links im Kotflügel ein. Es ist eine wichtige Lektion für Eike, denn er kann sehen, dass man wirklich seine Augen überall haben muss. Am Steuer des Fahrzeugs sitzt ein Arbeiter der Marina. Wir einigen uns schnell, dass wir nicht auf die Polizei warten müssen. Wir klären das im Hafen.

Blick über die Ruinen der Goldmühle und Spanish Lagoon

Während wir darauf warten, dass die Weihnachtsfeiertage endlich vorbei sind, nehmen wir uns noch etwas Zeit für die touristischen Ziele. Spanish Lagoon mit den Ruinen der Goldmühle ist eines davon. Ich nehme die Treppe nach oben und nutze den perfekten Sonnenstand für ein schönes Foto. Dann wundere ich mich nicht, dass ich Eike gerade gar nicht sehen kann. Ich kann ihn hören. Er nimmt nicht die Treppe, sondern den direkten Weg nach oben. Kann man so machen.

Auch am Sonntag hat die Werft geschlossen. Also machen wir den obligatorischen Ausflug zu den Eseln. Wir haben keine Karotten dabei. Allerdings ist eine große Tüte mit den leckeren gelben Bohnen da. Ich stibitze mir ein paar dieser Leckereien und gebe sie meinen Lieblingseseln. Natürlich ist es nicht genug.

Lady Taco, Gipsy und Diva, nachdem sie ihre Bohnen bekommen haben. Sie wollen alle immer mehr.

Ich frage mich, ob diese Bohnen auf die Esel die gleichen Auswirkungen haben wie Bier in uns Menschen. Es sieht fast so aus. Ich kenne absolut keine Leckerei für Esel, die diese mehr durchdrehen lässt. Auch Kamino bekommt seine Bohne. So schlau diese Tiere auch sind, man kann sie mit den Bohnen locken und auf den Arm nehmen. Die Bohnen sind nämlich für Queenie gedacht, der es wirklich nicht gut geht.

Ich bin ja wirklich begeistert über die Qualität der Brote, die Eike in unserer Bordküche zaubert. Eike ist begeistert über das Klima in Aruba, das den Teig zu einer perfekten Reife bringt. Wir sind beide nicht begeistert über das Klima in Aruba, denn die schönste Kruste auf dem Brot wird schon nach wenigen Stunden weich, egal wie gut es gebacken worden ist. Am Abend fertigt Eike immer einen Vorteig an, der dann über Nacht im Kühlschrank geht und am nächsten Tag vollendet wird. Nur nicht am Heiligen Abend. In der Folge fehlt uns am nächsten Tag ein Brot. Eike möchte sich Mittagessen machen und ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich etwas zu kochen. Zu Hause holt er sich immer das Essen irgendwo. Hier stellt er erstaunt fest, mit wie wenig Aufwand sich eine echt italienische Carbonara herstellen lässt.

Wer das Backen vergisst muss kochen lernen.

Am Montag endlich sind die Arbeiter der Werft wieder am Arbeiten. Ich spaziere zu Richie und frage ihn, ob ich einen Bolzenschneider ausleihen kann. Ein paar Minuten später mühen Eike und ich uns mit dem Bolzenschneider am Schloss. Ich muss gestehen, dass ich da wirklich gute Qualität gekauft habe. Am Schloss sind keinerlei Spuren zu sehen und der Bolzenschneider ist leicht beschädigt. Da ich sowieso einen Trennschleifer kaufen wollte, fahren wir in den Baumarkt. Anschließend dauert es nur noch fünf Minuten und der Dinghimotor ist einsatzbereit. Eike möchte natürlich sofort los, doch es ist 12 Uhr und damit viel zu heiß. Nach 20 Minuten im Dinghi hätte er den Hautton eines frisch gekochten Hummers.

Mit dem richtigen Werkzeug geht es ganz leicht.

Am Abend erhalte ich eine Nachricht von Anneke. Die Regeln haben sich geändert. Ab sofort kann man den Booster auch schon drei Monate nach der zweiten Impfung bekommen. Ich beiße in ein Stück Teakholz.