Der Himmel ist bedeckt, die Wolkendecke fast komplett. So können wir auch am Nachmittag im Cockpit sitzen, ohne einen Sonnenbrand zu riskieren. Ich schätze, dass wir 4 kn Wind von hinten haben, denn im Cockpit steht immer wieder eine Wolke aus Dieselabgasen, die uns der Wind mit etwas mehr als der Bootsgeschwindigkeit um die Nasen bläst.
Draußen schwimmen immer wieder komische Dinger herum. Zuerst meint Jens, dass ein Frachtschiff einen Container mit Haarklammern verloren haben muss. Doch diese Dinger haben alle die gleiche Farbe. Jens macht ein Foto, als eins ganz Dicht an Sissi vorbei getrieben wird. Es sieht aus der Nähe dann doch nicht wie Plastikmüll aus, sondern als ob es natürlichen Ursprungs wäre. Wir wissen nicht, was das ist, es treiben davon viele Dutzend im Wasser an uns vorbei.
Die ständige und gleichförmige Geräuschkulisse macht müde und wirr im Kopf. Ich überlege, mich eine Stunde hinzulegen, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder. Aufgepumpt mit dem guten Morgenkaffee bin ich noch nicht so weit für ein Mittagsschläfchen.
Diesen ganzen Lärm müssen wir etwa 24 bis 30 Stunden ertragen, bevor wir wieder den Wind mit unseren Segeln einfangen können. In der Nacht hatte ich eine Mail an unsere Schwester geschickt, in der ich über den wenigen Wind gestöhnt habe. Heute kam ihre Antwort zurück. Sie weiß nun endlich, was der Begriff „Windjammer“ bedeutet. Danke für das Stichwort, Christine! Wir jammern hier nicht, wir leiden wirklich. Niemand möchte gerne neben einer lauten Maschine schlafen.
Am Nachmittag stürzt Jens aufgeregt in seine Koje und schnappt sich die Kamera. Er hat einen Wal gesehen. Ich unterbreche meinen Job in der Küche und tatsächlich schwimmt ein paar hundert Meter entfernt von uns ein kleiner Wal. Mit dem 50mm Objektiv wird das leider nichts, der Wal taucht ab und Jens sieht ihn eine Viertelstunde später weit achteraus.
Noch nie habe ich den Motor auf einer so langen Strecke so langsam drehen lassen. Normalerweise fährt Sissi bei 1600 Umdrehungen auf glatter See mit 5,5 kn bis 6 kn dahin. Dann braucht der Fünfzylinder aber auch seine 4,5 Liter pro Stunde. Jetzt brummt er mit 1000 Umdrehungen und ich kann den Dieselverbrauch kaum errechnen. Innerhalb von 12 Stunden ist der Pegel von 260 Litern auf 250 Liter gefallen. Letztere waren prima abzulesen, erstere hätten auch 280 Liter sein können. Eine Tankfüllung bei normaler Drehzahl reicht für etwa 350 Meilen. Jetzt sind wir langsamer, kommen aber bestimmt 500 Meilen weit. Möglicherweise sogar weiter, das zeigt sich in den nächsten Flauten.
Offline-Google-Bildersuche ist lustig. Wir schicken eine Email an unsere Schwester, die wiederum versucht, im Internet Informationen zu finden. Das schickt sie uns dann per Email zu. Bisher haben wir kein Ergebnis für die schwimmenden Haarklammern.
In der Nacht höre ich im Cockpit dem Röcheln des Auspuffs zu. Regelmäßig rotzt dieser das Kühlwasser vermischt mit den Abgasen nach draußen. Weiterhin weht kein Lüftchen. Der Himmel ist bedeckt, der Mond versteckt sich hinter Wolkenbändern. Es sieht nach einer Wetteränderung aus. Die Vorhersage verspricht Segelwind ab 6 Uhr morgens. Derweil wundere ich mich über die feuchte Bank im Cockpit. Es hat doch gar nicht geregnet. Dann fällt es mir auf. Seit nunmehr fast drei Jahren habe ich nicht mehr erlebt, dass sich Morgentau bildet. Die Zeit der tropischen Nächte ist vorbei.
Leider ist es nun schon Mittag, der Motor brummt immer noch. Wir haben noch für dreieinhalb Tage Diesel im Tank. Mal sehen, wie weit wir damit kommen. Bis nach Horta reicht er jedenfalls nicht.
13. Etmal: 96 nm
Position: 32°41‘N 51°57‘W
Reststrecke: 1182 nm