Überfahrt nach Barbados Tag 13 – Routine, Rekorde und Raserei

Unser 13. Seetag besteht aus Routine. Kaffee am Morgen. Frisches Brot, wobei uns langsam aber sicher das Mehl ausgeht. Wasser machen. Dann Schiffskontrolle, die Steuerbord-Oberwant schlackert ein wenig herum, obwohl sie an der Luvseite ist. Die schreit nach einem Schraubenschlüssel. Die Windfahne ist unauffällig, alle Schrauben sitzen fest. Erstmals. Ausruhen. Dann Skat spielen. Wir vergessen, während des Skats die Angel rauszuhängen. Jens angelt später und fängt nichts. Natürlich nicht! Wir hatten alle Bisse während des Skatspiels, aber nur, wenn die Angel draußen war. Duschen. Pasta Bolognese zum Abendessen. Ausruhen. Spülen. Jens und Jakob gehen ins Bett, meine Wache beginnt. Ich reffe das Segel ein Stück, weil mir ein Geräusch aus dem Rigg verdächtig vorkommt. Die Nacht ist ruhig, kein Squall, kein Regenschauer. Mitternachtskaffee mache ich noch für Jakob und Jens. Am nächsten Morgen fahren wir eine Halse, die Want wird nachgespannt. Noch eine Halse,
Erfolgskontrolle. Das Geräusch ist weg. Wir reffen wieder aus. Ende der Geschichte.

Aufgewühlt

Einen Rekord haben wir aufgestellt bei der Datenübertragung. Wir haben an unsere Schwester ein knapp 3 MB großes Bild gemailt. Ich habe den Upload gegen Mitternacht gestartet und als Jens um 4 Uhr die Wache übernommen hat, war das Bild schon versendet. Wenn die Datenleitung nur nicht so dürr wäre… was hätten wir ein tolles Internet-Leben. So ist die Seefahrt nur hart und entbehrungsreich.

Und die Raserei. Wir hatten in den vergangenen 24 Stunden das beste Etmal, das wir zwischen Sao Vicente und Barbados je gefahren sind. Das spült uns auch jede Menge Strom in die Batterien, den wir am Mittwoch/Donnerstag brauchen werden, denn dann soll der Wind abflauen. Hoffentlich nicht zu viel, ich will keine Wiederholung der ersten beiden Fahrtage. Ich will mehr Etmale wie heute! Das Bild des Tages habe ich gestern aus dem Bugkorb heraus aufgenommen. Dort kann man sich am besten an den Wellen erfreuen.

13. Etmal: 131 nm
Position um 12 Uhr: N14°10′ W48°09′
Noch 669 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1466 Meilen hinter uns.

Blaue Welle

Überfahrt nach Barbados Tag 12 – Rauschefahrt und Dosenfutter

Nach dem Abendessen haben wir genug. Wir haben genug von den Wellen, die immer wieder quer zum Schiff laufen. Wir haben genug vom Schlagen des Segels. Wir haben genug vom Scheppern in den Schränken. Wir fahren eine Halse in der Hoffnung, dass wir nun einen brauchbaren Kurs Richtung Barbados anlegen können und eine angenehmere Fahrt machen. Und die machen wir. Bei konstantem Wind zwischen 22 und 24 Knoten fahren wir ab sofort mit knapp 6 kn einen Kurs, der uns über kurz oder lang an der Küste von Barbados stranden lassen wird. Da ist keinerlei Panik angesagt, die Strandung wird erst in einigen Tagen stattfinden. Wind und Wellen kommen exakt von hinten, Sissi gleitet über die Wellenberge und durch die Täler, es ist eine wahre Freude.

Da wir nur noch ein paar Süßkartoffeln (unbedingt bevorraten, halten sich ewig!), ein paar frische Zwiebeln und Knoblauch haben, ernähren wir uns inzwischen aus Dosen. Das schafft natürlich ein Problem, ein Müllproblem. Während der Biomüll bei der Zubereitung frischer Speisen in die große, blaue Biotonne geworfen wird, können wir das mit den Dosen nicht machen. Die Dosen direkt in unsere Oskar-Tonne zu werfen ist aber auch nicht gut, denn die Tonne ist dann nach zwei oder drei Mahlzeiten voll. Unsere Lösung des Problems ist eine improvisierte Dosenpresse, die aus unserer Rohrzange besteht. Damit machen wir die Dosen so platt, als wären sie ein Blatt Papier, bevor wir sie in die Tonne werfen.

In der Nacht habe ich wie immer die erste Wache. In meiner Wache kommt der Herr Atlantik zweimal zu Besuch ins Cockpit. Was ein Glück, dass wir die untere Hälfte des Steckschotts fast nie rausnahmen. Es ist zwar unbequem, immer darüber zu klettern, hält aber den Salon trocken. Außerdem kommt in meiner Wache der Herr Regenschauer ebenfalls zweimal zu Besuch. Der Wind steigt an auf 25 bis 30 Knoten, ich muss der Windfahne ein paar Mal helfen und dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Keine Squalls! Einfach nur ein paar Schauer. Die Schauer sind angenehm erfrischend, wenn man gegen Mitternacht noch 27°C Außentemperatur hat. So schön kann es auf dem Atlantik sein.

Ich habe ausprobiert, was ich in Büchern der frühen Weltumsegler gelesen habe, nämlich in einem Squall zu duschen. Das macht aber keinen Spaß, mehr Spaß macht es unter unserer Borddusche. Der pfeifende Wind, die Massage durch die Regentropfen und dazu muss man ständig den Kurs zum Wind im Auge behalten, das ist kein Duschvergnügen. Das ist Langfahrer-Romantik vergangener Tage.

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, Sissi befindet sich auf der Zielgeraden nach Barbados. Deswegen eröffne ich hiermit ein kleines Ratespiel. Wann werden wir ankommen? Schreibt es in die Kommentare zu diesem Beitrag. Datum und Uhrzeit sind gefragt. Der Gewinner bekommt ein tolles Foto zugesendet, das nicht im Blog war und das den Atlantik in seiner ganzen Schönheit zeigt. Wer schon einmal kommentiert hat, dessen Kommentar wird automatisch veröffentlicht. Die anderen Kommentare kann ich erst freigeben, wenn wir wieder normales Internet haben.

Wo haben wir eigentlich Fender und Festmacher verstaut?

12. Etmal: 124 nm
Position um 12 Uhr: N14°21′ W45°56′
Noch 798 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1335 Meilen hinter uns.

Dosenpresse

Überfahrt nach Barbados Tag 11 – Halse, Online, Offline

Unsere Kurslinie hat sich über die letzten Tage immer weiter in Richtung Norden entwickelt. Deswegen beschließen wir, am Nachmittag eine Halse zu fahren, um mehr in Richtung des 13. Breitengrads zu kommen. Außerdem wollen wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Von der Joint Venture bekommen wir die Nachricht, dass man mit dem vorhandenen Wind problemlos den 13. Breitengrad entlang fahren und auf Barbados zuhalten kann.

Die Halse ist ein echter Komfortverlust. Bisher hatten wir die Wellen einigermaßen gerade von hinten, nur gelegentlich gab es einen Ausreißer, der uns durchgeschüttelt hat. Jetzt kommen die Wellen schräg von hinten und schütteln uns durch, nur gelegentlich gibt es einen Ausreißer, der uns ein paar Minuten Ruhe verschafft. Wir sind jedoch guter Dinge und schauen den Fischen beim Fliegen zu. Eingesammelt haben wir in den letzten Tagen nur noch ganz wenige, Sissi ist offenbar keine gute Landeplattform.

Unsere Internetverbindung ist weiterhin stabil, meine Reparatur mit Panzertape und Schraubenkleber hält sich in dem Geschüttel, Gerüttel und Geschaukel sehr gut. Das ist aber keine „echte“ Internetverbindung. Wir können Email senden und empfangen. Außerdem können wir die Wettervorhersage herunterladen. Das ist alles. Sollte zum Beispiel jemand auf die Freigabe eines Kommentars zu einem der Blogbeiträge warten, so muss sich diese Person gedulden, bis wir auf Barbados eine brauchbare Internetleitung installiert haben. Wir können von hier aus nicht auf das WordPress zugreifen. Da werde ich mir für die Zukunft auch noch etwas einfallen lassen.

Wir können allerdings auch nicht auf die Internetseiten einschlägiger Nachrichtenmagazine bzw. Zeitungen zugreifen. Wir wissen also nicht, was sich gerade in der Welt da draußen so tut. In dieser Hinsicht sind wir herrlich offline. Die Welt da draußen ist uns größtenteils auch ziemlich egal. Wir haben in unserem Mikrokosmos unsere eigenen Probleme, die täglich neu auftauchen oder schon länger da sind. Die müssen wir lösen, dann kommen wir auch sicher und komfortabel an. Lediglich die Verwandten und Freunde, mit denen wir Emails austauschen, sind eine wichtige Verbindung in die Außenwelt.

Bei nächster Gelegenheit installiere ich auch den Web-Browser für Iridium, dann werden wir die brutal hohe Geschwindigkeit für die Lektüre von Nachrichten und den Konsum der Tagesschau nutzen. Der Download eine normalen Tagesschau-Sendung sollte sich in 25 Stunden machen lassen.

Wir werden den jetzigen Kurs so lange beibehalten, wie wir das mental durchhalten. Dann fahren wir wieder eine Halse und hoffen, dass die Schiffsbewegungen wieder angenehmer werden. Der Atlantik ist unter uns, um uns herum und kommt manchmal zu Besuch an Bord. Der Atlantik ist immer noch wunderschön, blau und malerisch. Ich kann mich an diesem Film immer noch nicht satt sehen und verstehe meine beiden Mitreisenden nicht, die stundenlang auf ihre Smartphones starren und Filme aus der Dose schauen. Mir gefällt es hier und von mir aus könnte das alles auch noch ein paar Wochen länger dauern.

11. Etmal: 112 nm
Position um 12 Uhr: N15°07′ W44°08′
Noch 907 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 1211 Meilen hinter uns.

Der Atlantik – immer wieder schön!