Überfahrt nach Barbados Tag 2 – Zwiebelbrot und Müdigkeit

Unser erster vollständiger Seetag beginnt verschlafen, wie es auf der ganzen Welt bei den Menschen am 1. Januar eines jeden Jahres üblich ist. Allerdings sind wir nicht verschlafen, weil wir uns die Lichter mit Alkohol ausgeschossen hätten, sondern weil die erste Nacht auf See zumeist grausam ist. Der Atlantik lässt Sissi rollen, wir rollen in den Betten und haben uns noch nicht wieder daran gewöhnt. Deswegen haben wir alle nicht genug Schlaf bekommen.

Entsprechend langsam läuft alles an. Wir müssen ein neues Brot machen, das Zwiebelbrot ist aufgegessen. Wir machen zur Zeit ein neues Brot an jedem Tag. Wir machen jeden Tag ein neues Zwiebelbrot. Das muss aufhören, sonst haben wir weder genug Zwiebeln noch genug Mehl, um uns über den Atlantik zu backen. Aber ich setze noch einmal einen Teig an und dabei setze ich einen oben drauf. Ich leere eine Packung Schinkenspeck (ganz klein gewürfelt) in den Brotteig. Ein Brot mit Zwiebeln und Speck. Mein nächstes Brotprojekt wird dann ein Marmeladenbrot. Oder ich backe ein Leberwurstbrot.

Anschließend machen wir ein Chili con carne. Wir müssen essen, wir sind alle hungrig. Der Geruch der bratenden Zwiebeln für das Zwiebelspeckbrot macht uns wahnsinnigen Appetit. Ich hätte gerne einen Deich aus Reis um mein Chili herum gehabt, aber Jens rührt den Reis brutal in den Chilitopf rein. Er ist zu faul zum Anrichten. Dafür wird er bei der nächsten Lasagne büßen. Dann rühre ich ihm Nudeln in die Bolognesesauce und nenne es „Lasagne für faule“.

Die zweite Nacht auf See ist besser. Wir sind einerseits wieder mehr an das Schaukeln gewöhnt, andererseits hat das Schaukeln auch schwer nachgelassen. Die ganze Zeit haben wir versucht, vor einer Flaute in Richtung Südwest zu entkommen, beim Herunterladen der neuen Vorhersage können wir aber sehen, dass sich die Flaute in Luft aufgelöst hat. Um so besser. Die Halse ist schnell gemacht und jetzt laufen wir mehr oder minder direkt in Richtung West, direkt nach Barbados. Wir erklären Jakob die Handhabung des Radargeräts, damit er in der Nacht auf seiner Wache auch nach Squalls schauen kann.

Wir sehen nichts und niemanden. Hier sind keine anderen Schiffe unterwegs. Nur der endlos weite Atlantik ist vor der Tür unseres schwimmenden Wohnmobils mit dem besten Ausblick.

2. Etmal: 103 nm
Position um 12 Uhr: N15°42 W27°40
Noch 1860 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 195 Meilen hinter uns.

Atlantischer Ausblick

Überfahrt nach Barbados Tag 1 – Happy New Year!!!

Der letzte Tag des Jahres ist auch zugleich unser letzter Tag in Mindelo. Wir wollen gegen Mittag starten. Zuvor muss noch Diesel getankt werden. Marc von der Gentoo schreibt mir eine Warnung, nicht die Tankstelle in der Marina zu benutzen. Es hätten drei Boote der ARC dort getankt und Probleme mit dem Diesel bekommen. Das Risiko wollen wir nicht eingehen, wir tragen 130 Liter Diesel von der nächsten Straßentankstelle an Bord. Der Marina-Tankwart lacht uns aus, denn der Diesel kostet an der Straße 1 Eurocent mehr. Ich lasse mich lieber auslachen, als später mit Dieselpest irgendwo hängen zu bleiben.

Dann verlassen wir die Marina. Vollkommen unspektakulär, wir fahren einfach raus. Es steht niemand am Steg, um uns zu verabschieden. Wer auch? Alle anderen sind schon unterwegs. Wir werden sie auf Barbados bzw. Martinique wieder sehen. Ich mache uns einen Schweinebraten mit frischen Paprika und kanarischen Kartoffeln, die langsam gegessen werden wollen. Wir haben sie schnell gegessen. Die Sauce zum Schweinebraten dicke ich mit ein wenig Mehl an, damit sie nicht sofort vom Teller gesprungen kommt. Es funktioniert. Trotz des Rollens bleibt die Sauce auf dem Teller. Wir bauen Kartoffeldeiche.

Um Mitternacht löst mich normalerweise Jakob bei der Wache ab. Diesmal schalte ich um Mitternacht zusätzlich das Nebelhorn ein, läute die Schiffsglocke und drehe das Radio auf große Lautstärke. Wir machen unsere eigene Silvesterparty. Weil das alles so viel Spaß macht, beschließe ich, gleich mal die Zeitzone zu ändern, in der wir uns befinden. Die Kapverden ragen sowieso unangemessen weit in die nächste Zeitzone rein. Wir sind jetzt auf UTC -2 und damit drei Stunden hinter Deutschland. Außerdem haben wir noch einen Jahreswechsel vor uns, den wir um Mitternacht dann prompt feiern – mit Nebelhorn, Schiffsglocke und lauter Musik. Leider ist der Himmel bedeckt, wir können keine Sterne sehen.

Gegen zwei Uhr gehen Jens und ich dann ins Bett. Jens hat seine Wache noch vor sich, ich meine hinter mir. Alles wie immer, alles Routine. Sissi knarzt, das Wasser rumpelt im Tank und in den Schränken scheppert das Geschirr. Es läuft!

Ach ja, noch etwas: Auch diesmal hat Jens sein Abendessen nicht mit Neptun geteilt. So langsam gewöhnt er sich an das Leben auf See.

1. Etmal: 92 nm
Position um 12 Uhr: N15°58 W26°04
Noch 1954 Seemeilen bis nach Barbados.

Adieu Mindelo

Atlantik Tag 7 – Fish and chips and Muskelschmerzen

Die Windvorhersage für die kommenden Tage ist nicht wirklich berauschend. Wir versuchen, auf unserem Weg nach Mindelo so viel Strecke unter Segel zu machen, wie es möglich ist, bevor der Wind stark nachlassen wird. Der Nachmittag verläuft ohne weitere Schäden am Material, wir entspannen uns. Und wir beginnen zu spinnen. Als ob Mindelo nicht noch knapp 200 Meilen von uns entfernt liegen würde, sprechen wir über Landausflüge, Sightseeing und die Mahlzeiten, die wir einkaufen wollen. Trotz der eher rolligen See gelingt es uns allen, eine kalte Dusche zu nehmen. Erfrischend!

Jens angelt ein schönes Stück Fleisch aus dem Kühlschrank. Das wird zu Gulasch geschnitten. Dazu verarbeitet er all das Gemüse, das sich noch verarbeiten lässt. Jetzt sind wir ohne frische Ware. Die Sachen waren nach einer Woche auf See teilweise in grenzwertigem Zustand. Wir mussten insgesamt jedoch nur sehr wenig wegwerfen. Im Abendprogramm zeige ich die Rohfassung eines kleinen Films, den ich derzeit über unsere Passage nach Sao Vicente am schneiden bin. Danach schauen wir noch einen Film aus der bordeignen Videothek.

Jakob und ich baumen noch die Genua aus, bevor er sich ins Bett legt. Der Wind lässt langsam nach, fünf Stunden früher, als die Vorhersage versprochen hat. Während ich mit dem Baum hantiere, fällt mein Blick auf das Vordeck. Kaum zu glauben, wir haben einen Fisch gefangen! Unser erster fliegender Fisch liegt dort und wartet darauf, mit dem Stinken anfangen zu können. Die fliegenden Fische verwesen sehr schnell, besonders wenn die Sonne scheint. Ab sofort müssen wir Sissi regelmäßig auf fliegende Fische kontrollieren. Als ob wir nicht schon genug zu kontrollieren hätten. Ich hole mir eine Tüte Chips.

Während ich in den Schlaf gerollt werde, bemerke ich jeden Muskel an meinen Armen, an meinem Oberkörper, selbst in den Fingern. Es schmerzt. Seit einer Woche bin ich damit beschäftigt, mich immer irgendwo festzuhalten. Oder ich drehe eine Winschkurbel. Oder ich halte mich irgendwo fest, während ich eine Winschkurbel drehe. Das strengt an. Jahrzehnte der Vernachlässigung meiner Muskeln als Mausschubser an meinem Schreibtisch machen sich bemerkbar. Jens und Jakob haben diese Probleme nicht. Jens ist viel in Kletterhallen unterwegs gewesen, Jakob ist einfach nur jung. In dieser Situation fühle ich mich richtig, richtig alt.

Der folgende Tag begrüßt uns mit Sonnenschein. Wir haben keine neuen Defekte an Bord. Einen solchen 23. Dezember hatte ich noch nie in meinem Leben. Im Schiff sind es angenehme 24°C, draußen bläst eine erfrischende Brise. Wir sehen immer wieder mal einen Schwarm fliegender Fische vorbei ziehen und am Horizont das Segel eines anderen Segelboots. Das Leben ist schön.

7. Etmal: 117 nm
Position um 12 Uhr: N17°50′ W23°55′
Noch 79 Seemeilen nach Sao Vicente (Mindelo). Noch 2081 Seemeilen bis nach Barbados. Die gesamte zurückgelegte Strecke sind nun 827 Meilen.

Aua, aua. Muskelkater und blaue Flecken. Das hat mir vorher keiner gesagt.

Nur noch 80 Meilen bis Mindelo