Endlich mobil!

Es ist Hochsaison in Bonaire. Deswegen sind die Mietwagen alle ausverkauft. Ich habe mit vielen Autovermietern telefoniert und nur Absagen bekommen, doch wir sind nun trotzdem mobil. Wir sind unterwegs auf zwei Rädern. Irgendwie erinnert mich das alles an die Vergangenheit. Vor knapp zwei Jahren war ich schon einmal in Bonaire und habe mir gemeinsam mit Jens die Insel mit einem Motorroller angesehen.

Eike hat keinen Führerschein. Deswegen haben sie uns nur einen Roller vermietet. Der Esel daneben ist jedoch führerscheinfrei. So ist Eike ebenfalls mobil auf Bonaire.

Überhaupt weckt der ganze Aufenthalt auf dieser Insel eine Menge Erinnerungen in mir. Als würde ich langsam in der Zeit zurück reisen. Wir sind damals von Bonaire nach Aruba, von dort nach Kuba und wieder nach Aruba gefahren. Jetzt bin ich wieder in Bonaire und habe wieder einen Motorroller.

Salzgewinnung in Bonaire. Im Süden befindet sich eine riesige Saline.

Nach der Abholung des Rollers morgens um 10 Uhr kosten wir gleich einmal unsere neue Mobilität aus. Wir fahren am Flughafen vorbei in den Süden der Insel. Dort befindet sich eine riesige Saline, außerdem stehen an verschiedenen Stellen niedrige Hütten, die für die Sklaven gebaut worden sind. Sie wurden in der Salzgewinnung eingesetzt.

Sklavenhütten. Die Hütten selbst sind mit Dach vielleicht eineinhalb Meter hoch, durch den Eingang muss man hinein kriechen.
Das sind die gelben Hütten. Der Meerblick ist ja ganz schön. Zu jener Zeit war das Leben jedenfalls kein Zuckerschlecken.
Erst um 1850 herum wurden die Hütten aufgestellt.

Natürlich habe ich für Eike keinen Esel besorgt, sondern einen zweiten Helm. Es ist wirklich schade, dass er keinen Führerschein hat. Mit zwei Rollern könnten wir uns unabhängig auf der Insel bewegen. Eike hat so viel Spaß am Fahren, er wird sicherlich bei seinem nächsten Karibikaufenthalt einen eigenen Roller mieten.

Modell stehen für ein Foto ist möglich.

Weiter und weiter fahren wir in den Süden. Ich erinnere mich daran, dass bei meinem letzten Aufenthalt in dieser Gegend tausende und abertausende Flamingos in den Salzwiesen standen. Leider können wir nur ganz am Horizont eine größere Gruppe sehen. Fast schon außer Reichweite unserer Kameras finden wir wenigstens ein paar der leuchtenden Vögel für eine verschwommene Aufnahme.

Drei noch einigermaßen fotografierbare Flamingos. Alle anderen sind nur als rosa Streifen am Horizont zu sehen.

Es ist Ehrensache, dass uns unsere erste Tour in Bonaire zum Donkey Sanctuary führt. Mein zweiter Besuch. Auf der Straße finden wir dann aber unseren ersten Esel in Freiheit lebend. Er läuft gemütlich die Straße entlang, begrüßt uns freundlich und bittet um Karotten. Die haben wir natürlich nicht gekauft. Wir hätten uns besser vorbereiten können. Das holen wir aber nach.

Lebt in Freiheit und spaziert die Straße entlang.

Ich kann mich gar nicht mehr an die 9$ Eintrittsgeld erinnern, die ich jedoch gerne zahle. Das Geld geht schließlich zu den Eseln. Natürlich bekommen wir kein Futter verkauft, weil wir mit dem Roller ins Donkey Sanctuary fahren. In ein paar Tagen nehme ich noch einmal 18$ in die Hand und schmuggele einen Rucksack voll Karotten rein. Mit meiner Erfahrung aus Aruba werde ich auch mit diesen Kandidaten keine Probleme haben.

Erinnert mich ein wenig an Gipsy. Nicht ganz so dunkel, aber die schöne helle Nase.

Es ist ein großer Unterschied, ob man die Esel persönlich kennt oder nicht. Zu den unbekannten Eseln müsste man erst eine Beziehung aufbauen. Das braucht Zeit und so oft werden wir nicht wieder hierher kommen. Vielleicht sehen wir noch mehr Esel auf der Straße, denen wir Karotten anbieten können. Doch auch zu diesen wird es keine Beziehung mehr geben. Ich bin endlich wieder unterwegs.

Dieser Esel war total nett zu unserem Roller. Er hat ihn nicht umgeworfen. Das weiß ich zu schätzen, auch wenn Eike von eben die Videokamera darauf gehalten hat in der Hoffnung, dass der Esel den Roller umwirft. So ist die Kaution für den Roller noch nicht angetastet.

Leben an der Boje

Heute vor einer Woche haben wir Aruba verlassen. Damit sind wir nun schon fast eine Woche an unserer Boje in Bonaire. Mir fällt gerade auf, dass ich noch gar kein Foto von Sissi an dieser Boje gemacht habe. Kommt noch. Und es kommen natürlich auch die nächsten Katastrophen.

Zerlegte Kaffeemühle

Die erste Katastrophe des Tages ereignet sich vor dem Morgenkaffee. Das ist der Moment des Tages, an dem ich besonders verwundbar bin. Ich will die Kaffeemühle starten und stelle fest, dass der Einschaltknopf irgendwie komisch sitzt. Drücken kann man ihn auch nicht. Das ist ungesund. Zum Glück habe ich noch eine zweite Kaffeemühle, die ist aber eher ein Häcksler. Sie bekommt die Bohnen natürlich klein. Während ich den Kaffee genieße, sehe ich mir ein Youtube-Video an, das die Reparatur der Mühle erklärt.

Der Schalter. Dieses kleine, fummelige Plastikteil ist abgebrochen. Der erste Versuch, es mit Sekundenkleber wieder zu richten, ist leider in die Hose gegangen. Vielleicht kann Jens das Ersatzteil aus Deutschland mitbringen. Das lasse ich mir nicht in die Karibik liefern.

Die Mühle war gar nicht so billig. Um so mehr ärgert es mich, dass Krups dort so ein billiges Teil eingebaut hat. Ansonsten ist die Mühle auch gar nicht reparaturfreundlich. Sie wurde gebaut, um im Falle eines Defekts weggeworfen zu werden.

Fast an jedem Tag paddeln mehr oder weniger fitte Menschen an Sissi vorbei.

Die nächste Katastrophe passiert, als ich den Motor starten möchte. Wir brauchen Trinkwasser und das müssen wir am Steg nachfüllen. Ich bekomme den Diesel über die Starterbatterie gar nicht gestartet, erst als ich auf die großen Hausbatterien umschaltet, kann ich ihn zur Zusammenarbeit bewegen. Ich messe die Batterie nach dem Laden und ein paar Stunden später. Die Batterie ist hinüber, eine neue muss her. Michael fährt mich zum Autoteile Händler. Vom Preis her kommt es mir vor, als sei diese Batterie nicht mit Blei sondern mit Platin gefüllt. Aber okay, Hauptsache ist, dass der Motor sich wieder starten lässt. Das Geld für den ausgefallenen zweiten Covid-Test wurde damit in eine Batterie investiert. Möglicherweise zieht der Motor auch Luft über die Dieselleitung, das kann ich noch nicht zu 100% ausschließen oder bestätigen. Der Motor und ich sind gerade keine besonders guten Freunde.

Unsere Nachbarn posten fleißig auf Instagram.

Unser Nachbarboot ist ein Seepferdchen. Darauf leben ein Paar, die ihr Geld mit Instagram verdienen. Jeden Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang, wenn das Licht am schönsten ist, wird Madame fotografiert und später im Internet in Szene gesetzt. Die Fotoshootings finde ich immer lustig. Wenn es dann veröffentlicht ist, ist alles irgendwie spontan passiert.

Glücklich angekommen in Bonaire

Etwas Entspannung war nötig, um mich wieder an die Tasten zu treiben und einen neuen Beitrag zu verfassen. Den zweiten Tag der Reise nach Bonaire war ich damit beschäftigt, Eike wieder zu den Lebenden zurück zu holen.

Geheimtipp: Elektrolyte für den Körper. Einmal pro Stunde bekommt der Patient ein Schnapsglas voll. Das geht dann so lange, bis der Patient wieder fit ist. Die Flasche reicht locker für zwei Tage.

Bei unserem Versuch, Aruba gemeinsam mit Barbara zu verlassen, habe ich ein Wundermittel gegen die Folgen der Seekrankheit kennengelernt. Dirk, Barbaras Hausarzt, hatte uns damals die sogenannte „WHO-Elektrolytlösung“ empfohlen, Soraida hatte es uns besorgt und im Hafen Barcadera für uns hinterlegt. Damit konnten wir Barbara innerhalb weniger Stunden wieder fit machen. Seit dem habe ich mehrere Flaschen davon an Bord. Es ist ein Wundermittel.

Eike hat innerhalb von 36 Stunden nicht einmal einen Liter Wasser getrunken, dafür aber jede Menge Flüssigkeit ausgeschwitzt. Nun ist er erwartungsgemäß erschöpft und antriebslos. Das muss nicht an der Seekrankheit liegen, ist aber eine Folge davon. Erst probiere ich es mit Elotrans. Das ist ein Pülverchen zum Anrühren und soll dem Körper die nötigen Mineralien bringen. Angerührt sieht die braune Flüssigkeit im Glas aus, als möchte man sie gar nicht trinken. Wie bei Barbara folgt auch bei Eike ein Schwall großer Übelkeit und das Zeug landet gleich wieder im Eimer. Also mache ich eine Flasche meines Zaubermittels auf. Ein Schnapsglas voll landet in Eike und bleibt auch drin. Das stimmt mich positiv. Außerdem bekommt er zwei Reisetabletten. Die bleiben glücklicherweise auch drin. Ab sofort bekommt er nach Packungsbeilage die Reisetabletten und jede Stunde einen „Schnaps“. Hinterher sagt er, dass schon der erste Shot wie ein heftiger Energieträger gewirkt hat. Trotz schweren Seegangs ist Eike gegen 17 Uhr wieder einigermaßen fit im Cockpit, isst die von mir zubereitete Schonkost und genießt weiterhin die stündlichen Shots, die er sich inzwischen selbst aus dem Kühlschrank holen kann. Der Sonnenuntergang auf See ist für ihn ein Erlebnis erster Güte. Ich bin glücklich, denn wenn ich Eike einmal auf See zu den Lebenden zurück holen kann, wird es mir immer wieder gelingen. Den nächsten Törn werden wir anders vorbereiten.

Bonaire. Bojenfeld. Blick auf die Samai.

Mit Sandra von der Samai wechsle ich am Abend ein paar Emails. Sie verrät mir, dass Michael uns an der Boje überraschen will. Ich bin überrascht, ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie so lange aufbleiben. Unsere Ankunft ist etwa für Mitternacht geplant. Ich versuche, die örtlichen Behörden auf Kanal 16 zu erreichen. Lediglich die Küstenwache meldet sich, ist aber an unserer Ankunft nicht interessiert. Dafür hat Michael das Gespräch mitgehört und ist informiert. Er kommt uns sichtlich mit viel Freude im Dinghi entgegen, führt uns zur freien Mooring und hilft beim Befestigen der Leinen. Dass ich ihm dafür ein eiskaltes Balashi Bier aus Aruba ins Dinghi reiche, ist doch selbstverständlich. Er freut sich, dass Eike wieder fit ist. Endlich ausschlafen. Vielen Dank für den tollen Empfang!

Irgendwie wirkt so ein Kreuzfahrer immer deplatziert.

Auch am zweiten Tag in Bonaire bin ich extrem müde. Wir erledigen die Behördengänge. Die Holländer sind gut organisiert, hier müssen wir nur zu einem einzigen Schalter um Schlange zu stehen. Dann sind die Formalitäten aber auch in zehn Minuten durch. Wieder zurück aufs Boot und ausruhen. Eike erfreut sich am klaren Wasser und springt vom Cockpitdach aus hinein. Das konnte er in Aruba nicht.

Schnelles, kostenloses WLAN. Frisch gewaschen.
Schnelles Internet verursacht viel Abluft.

Am Dienstag frage ich Michael, wo er sein Auto gemietet hat. Er schreibt mir, dass es ein Problem ist, derzeit ein Auto zu bekommen. Michael wird gegen Mittag vom Autovermieter abgeholt, ich darf mitfahren. Doch auch die persönliche Vorsprache im Büro bringt mir kein Auto. Michael will noch ein paar Football-Spiele herunterladen. Also fahren wir anschließend zur Internetwäscherei. Dort telefoniere ich die Autovermieter durch. Dann die Rollervermieter. Alles ist reserviert bzw. vermietet. Ich kann einen Roller für Samstag reservieren. Das wird Eike nicht gefallen, die Wartezeit ist recht lang. Seinem Bewegungsdrang sind an der Mooring gewisse Beschränkungen auferlegt. Dafür konnte ich meine zwei Jahre alte SIM-Karte aus Bonaire wieder aktivieren und etwas Internet zurück mit an Bord nehmen.

Die Sonne geht unter, der Kreuzfahrer fährt.

Ich bin inzwischen gut regeneriert und genieße es einfach, an Bord zu sein. Ich genieße es, dass ich nicht mehr in Aruba bin. Es fühlt sich einfach gut und richtig an. Dafür macht mir unser Stromverbrauch Sorgen. Ich weiß, dass unsere Energieversorgung Spitz auf Knopf genäht ist. Der Gefrierschrank bricht ihr das Genick. Der Motor wird ab und an aushelfen müssen. Wir werden das mit Bootsausflügen verbinden, damit der Diesel nicht einfach nur so verbrannt werden muss. An der vorgelagerten Insel Klein Bonaire gibt es verschiedene Bojen, an denen man tagsüber liegen darf. Die eigene Boje im Bojenfeld markiert man in dieser Zeit mit dem Dinghi, damit sie weiterhin als belegt gekennzeichnet ist. Ein Fender tut es allerdings auch.

Es ist einfach viel schöner, wenn kein hässlicher Metallhaufen an der Pier liegt. Das gelbe Dinghi links im Bild markiert eine belegte Boje. Unsere Nachbarn sind zu einem Tagesausflug weggefahren.

Nach dem Abendessen und nach Sonnenuntergang machen wir uns noch einmal auf den Weg in die Stadt. Wobei „Stadt“ eigentlich zu viel Stadt ist. Kralendijk ist ein verschlafenes Nest. In der Nähe der Uferpromenade haben die Restaurants noch geöffnet, ansonsten laufen wir an verschiedenen, schon geschlossenen Etablissements vorbei. Der Spaziergang tut gut. Nebenbei finden wir den Laden von Budget Marine, in dem ich noch eine Bestellung abholen muss.

Nachts in Kralendijk. Eikes Show-Act an der Straßenlaterne. Ein kleiner Kick macht einen großen Knick. Oder so ähnlich.

Zurück an Bord ist es auch bald Zeit für den Nachtschlaf. Die ersten beiden Tage haben wir gut überstanden. Am nächsten Morgen kommt von Michael eine gute Nachricht. Er hat in der örtlichen Presse gelesen, dass der zweite PCR-Test nach fünf Tagen hinfällig geworden ist. Das steht auch so auf den offiziellen Webseiten. Ich habe keine Ahnung, ob das auch für uns gilt, bin aber sofort bereit, das hierfür eingesparte Geld in ein gutes Restaurant zu tragen.

Ich hoffe, Eike erträgt die kommenden, ruhigen Tage, bis wir endlich Mobilität haben. Ich freue mich weiterhin, an einem Ort gelandet zu sein, der von Aruba verschieden ist.