Eigentlich sollte nach dem Beitrag zur Caldeira noch ein weiterer Beitrag mit schönen Bildern von Faial folgen. Daraus wird nichts, denn ich habe meine Nikon nicht mehr. Sie ist leider im Bus liegengeblieben und wurde nicht als Fundsache abgegeben. Ich mochte die kleine Nikon, sie hat mir fast ein Jahrzehnt gute Dienste geleistet. Die meisten Fotos hatte ich längst auf Festplatte gesichert, nur die von den Azoren noch nicht.
Am Tag nach der Rückgabe des Mietwagens gehe ich zum Hafenmeister und kümmere mich um den Check-out. Auf den Azoren wollen die Behörden, dass man sich auf jeder Insel wieder neu anmeldet, dafür muss man sich natürlich auf der vorherigen Insel abgemeldet haben. Dann wird Sissi noch betankt. Die Samai neben uns tankt auch, auch sie wird heute abfahren. Es weht praktisch kein Wind, wir rechnen mit ca. 14-15 Stunden Motorfahrt nach Terceira.
Während ich Sissi aus dem Hafen steuere, beginnt Jens in der Küche zu zaubern. Nach den vielen Tagen Schaukelei in Horta glauben wir beide nicht, dass ihn diesmal die Seekrankheit erwischen wird. Das passiert auch nicht, er zaubert uns leckere Semmelknödel auf den Teller. Ich kann leider nicht unter Deck essen, denn es kommt immer wieder vor, dass wir einem kleinen Fischerboot ausweichen müssen.
Wir folgen unserer normalen Schichteinteilung und Jens legt sich früh schlafen. Der Motor wummert. Gelegentlich fällt mein Blick auf die Instrumente, Öldruck und Öltemperatur verhalten sich vollkommen normal. Die Sonne geht unter. In der EU ist es so schön einfach, mal eben in der Heimat anzurufen, so telefoniere ich mindestens eine Stunde mit Barbara und Volker. Zwischendurch lasse ich es mir nicht nehmen, Fotos von der Insel Pico zu machen, die Spitze des Vulkans ist ausnahmsweise frei von Wolken.
Auch wenn ich mich erst durch das Telefonat vor dem Abspülen drücke, muss ich doch noch an die Teller ran. Dann kann ich bei immer noch hervorragendem 4G-Signal die Mediathek leer glotzen. Es wird ganz dunkel, doch die Wolkendecke verbirgt die Sterne vor mir. Dann plötzlich sehe ich Steuerbord voraus ein grelles Licht. Ist das etwa ein Fischerboot ohne AIS? Es werden mir keine Boote in der Umgebung angezeigt. Doch es ist so wie immer, es ist eine optische Täuschung. Das Licht wird größer und größer, denn der Mond geht auf. Wir haben Vollmond.
Ich berechne die Ankunftszeit auf Terceira und stelle fest, dass wir am frühen Morgen gegen 4 Uhr unser Ziel erreicht haben werden. Das ist mir zu früh. Ich laufe ungern einen unbekannten Hafen bei Dunkelheit an. Wenigstens ein wenig Morgendämmerung hätte ich gerne. Also reduziere ich die Drehzahl unseres Motors ein wenig und vermindere die Geschwindigkeit von Sissi. Ein paar Minuten später fällt mein Blick auf den Öldruck, der fast nicht mehr existent ist. Dafür ist die Öltemperatur jenseits von 120°C, Werte die sie normalerweise nicht erreicht. Der Motor bekommt aber genug Kühlwasser. Die Action mit dem Motor hat Jens geweckt, der normalerweise noch gar nicht an der Reihe gewesen wäre. Mit moderater Drehzahl setzen wir unsere Fahrt fort. Ich kann ins Bett gehen, doch Schlaf bekomme ich nicht. Immer wieder denke ich darüber nach, was alles mit dem Motor passieren kann. Am frühen Morgen rufe ich die Marina von Angra do Heroismo und bitte um einen Liegeplatz. Den bekommen wir nicht, der Hafen ist voll, wir müssen ankern. Der Anker fällt, hält sofort und nach einem angemessenen Ankergetränk fallen wir beide ins Bett. Auch hier bekomme ich kaum Schlaf, denn eine Baustelle lässt jede Menge Baulärm durch die Bucht wabern.
Ein paar Stunden später erreicht die Samai Angra. Wir haben zwischenzeitlich einige Texte ausgetauscht, auf der ganzen Überfahrt hatten wir immer ein gutes Telefonsignal. Es war nicht nötig, die Funke zu benutzen. Die Samai fährt an den Rezeptionssteg, sie hat ja kein Dinghi mehr. Ich erwarte sie irgendwann in unserer Nähe vor Anker.
Statt dessen finde ich auf meinem Telefon einen Text, dass sie nach Praia da Vitoria unterwegs sind. Sie wollen uns benachrichtigen, wenn sie angekommen sind und ob es freie Plätze gibt. In Angra wäre es für die kommenden Tage aufgrund der Feierlichkeiten vollkommen unmöglich, einen Platz zu bekommen. Außerdem wäre der Baulärm ein K.O.-Kriterium. Das mit dem Baulärm überzeugt mich restlos, Jens zieht den Anker hoch und wir werfen den Motor an. Wir fahren vorsichtig Richtung Praia, den Öldruck immer im Blick. Unser guter Mercedes hält sich, wir kommen sicher an, bekommen keinen Liegeplatz und gehen im Hafen vor Anker. Schnell ist das Dinghi im Wasser und wir nehmen einen Ankerschluck auf der Samai, die sogar einen Platz am Steg bekommen hat. Prost, wir sind auf Terceira angekommen.