Inselhopping im Tiderevier

Ich bin inzwischen über eine Woche auf der Isle of Man. Ein Teil des ursprünglichen Plans war, den guten Wind auszunutzen, dann die Flaute auszusitzen. Eigentlich rechnete ich damit, dass wieder guter Wind kommt, um meine Reise nach Islay fortzusetzen. Denkste.

Klappbrücke über der Hafeneinfahrt von Douglas

Da mein Dieseltank noch voll ist, kann ich einen Tag Motorfahrt problemlos einplanen. Ich werde den Mercedes bemühen, um nach Islay zu kommen. Wind bzw. brauchbarer Wind ist weiterhin nicht in Sicht. Einzig das Wetter soll sich verschlechtern. Wobei verschlechtern vielleicht das falsche Wort ist, denn auf der Isle of Man sind die Landwirte ziemlich mit der Trockenheit beschäftigt. Auch die Feuerwehr muss mehr Waldbrände löschen als üblich, im lokalen Radio wird darüber berichtet.

Segelboot fährt in den Hafen von Douglas ein

Inzwischen bin ich ja im Tiderevier angekommen. Damit gibt es neben dem Wind noch einen weiteren Parameter zu betrachten – oder vielmehr zwei. Einmal ist es die Höhe der Tide, denn zum Beispiel in Douglas kann man nur im Zeitfenster zwischen zwei Stunden vor Hochwasser und zwei Stunden nach Hochwasser in den Hafen einlaufen. Unter der Klappbrücke ist ein sogenanntes „Flapgate“. Das ist eine Sperre, die das Wasser daran hindert, aus dem Hafen heraus zu laufen. Diese Sperre senkt sich bei entsprechendem Wasserstand automatisch ab und gibt den Weg frei.

Rhein bei Köln – äh – Ramsey bei Niedrigwasser

Ohne diese Sperre würde es in Douglas bei Ebbe aussehehen wie derzeit an der Elbe in Dresden, am Rhein in Köln oder in Ramsey bei Niedrigwasser. Wobei man in Ramsey ganz genau planen kann, wann das Wasser wiederkommen wird. Das ist der Unterschied zur Rheinschifffahrt im Jahr 2022.

Hier liegen die kleinen Boote in Ramsey

Ich habe zwei Möglichkeiten, um die Isle of Man herumzufahren. Entweder fahre ich um die Nordspitze, das haben Jens und ich vor drei Jahren gemacht. Damals wurden wir durch verschiedene Strömungen ganz schön durchgeschüttelt. Oder ich fahre um die Südspitze herum, auch hier sind Strömungen in der Karte eingezeichnet. Da der Zeitpunkt der Abfahrt durch das Flapgate festgelegt ist, entscheide ich mich für die Fahrt um die Südspitze. Da kann ich mit ordentlich schiebendem Tidestrom rechnen.

Freitagnachmittag in Douglas

An meinem letzten Abend bekomme ich Live-Musik frei Boot geliefert. Der Pub „The Bridge“ hat Musiker bestellt, die den ganzen Nachmittag spielen. Es bildet sich eine Menschentraube. Ich bleibe an Bord und genieße das Spektakel von dort.

Die Musik ist aus, es wird Nacht

Kurz überlege ich, ob ich nicht schon in der Nacht auslaufen soll. Immerhin ist das Hochwasser etwa um Mitternacht. Diesen Plan verwerfe ich aber sofort. Einerseits hätte ich dann zwei Nächte, die ich durchfahren muss, andererseits ist eine Ankunft in Port Ellen Samstagnacht nicht unbedingt angesagt. Der Hafen ist winzig und viele Schotten machen am Wochenende einen Ausflug auf die Inseln. Ich möchte lieber am Sonntag ankommen, dann kann ich mit einem freien Platz rechnen.

Leuchtturm in Douglas

Am Samstagmorgen besorge ich mir noch den Reiseproviant im nahe gelegenen Supermarkt. Auf dem Rückweg zum Boot gehe ich noch im Hafenmeisterbüro vorbei und bitte um Hilfe beim Ablegen. Kein falscher Stolz, ich lasse mir lieber helfen, als dass ich beim Ablegen noch einmal einen Schaden anrichte. Für meine Abfahrt plane ich die Brückenöffnung um 11:15 Uhr ein, der Hafenmeister verspricht, um 11:05 Uhr bei mir am Boot zu sein. Die Brücke öffnet bei Bedarf nämlich um viertel vor der vollen Stunde und um viertel nach. Am Funk höre ich, dass sich für die erste Brückenöffnung um 10:45 Uhr schon sehr viele Boote angemeldet haben. Ich beglückwünsche mich innerlich zu meiner Entscheidung und melde mich für die zweite Öffnung des Tages an.

Chicken Rock, Leuchtturm an der Südspitze der Isle of Man

Um 11:00 Uhr starte ich den Motor und habe die Leinen klar zum Ablegen. Über Funk bekomme ich mit, dass ein Frachtschiff ablegen wird. Die Hafenkontrolle teilt mit, dass sie die Brückenöffnung früher machen werden. Und tatsächlich geht die Brücke schon um 11:05 Uhr auf. Das passt mir gar nicht in den Kram. Ich schmeiße die Leinen sofort los und bugsiere Sissi aus ihrer Parkposition. Zwischendrin werde ich noch von der Hafenkontrolle gerufen. Das passt mir auch nicht in den Kram, denn natürlich ist der Akku der Handfunke gerade leer, ich muss in den Salon herunter, um der Hafenkontrolle zu antworten. Dabei steht Sissi im Hafenbecken und ich habe wieder Horrorvorstellungen von einer Kollision wie in Cork. Ich bekomme Sissi aber problemlos in Fahrt, die Handfunke hat wieder etwas Energie geladen. So kann ich der Hafenkontrolle antworten, dass ich auf dem Weg bin. Sie halten mich zu maximaler Eile an. Ich presche mit 6,5 kn durch das Hafenbecken. Das weckt bei den anderen Booten Hassgefühle, denn Sissi erzeugt ordentlich Schwell. Doch ich kann die Brücke noch durchfahren, bevor sie wieder geschlossen wird.

Delfine auf der Fahrt nach Islay

Draußen stelle ich die Drehzahl für 4,5 kn Reisegeschwindigkeit ein. Das ist die wirtschaftlichste Geschwindigkeit. Jetzt kann ich entspannen. Schon kurze Zeit später hat mich der schiebende Strom im Griff, der Tacho zeigt 6 kn an. Auf den Tidestrom ist eben Verlass. Am Leuchtturm „Chicken Rock“ ganz im Süden der Isle of Man knackt Sissi die 8 kn. Wäre ich um die Nordspitze gefahren, müsste ich gegen diese Strömung fahren und hätte noch eine sehr unkomfortable Fahrt über Stromschnellen. Bis hierhin habe ich alles richtig gemacht. Zum Abendessen mache ich mir Lammsteak mit asiatischem Gemüse und Reis. Lecker. Während sich die Sonne zum Horizont bewegt und ich mit einem spannendem Buch im Cockpit sitze, höre ich plötzlich die Geräusche von Delfinen. Für eine gute Viertelstunde werde ich von den Delfinen begleitet und es gelingen mir sogar ein paar Schnappschüsse.

Sonnenuntergang in der Irischen See

Später dreht der Tidestrom wieder um. Wenn man weiter als 12 Stunden fährt, hat man unweigerlich den Strom irgendwann in die ungünstige Richtung. Sissi verlangsamt irgendwann auf 2,5 kn, dann auf 2 kn. Wir parken sozusagen vor Belfast. Das ist ein prima Platz zum Parken, denn hier fahren Fähren von England nach Nordirland und wieder zurück. Es ist auch die schmalste Stelle zwischen den beiden Inseln, hier kommen viele Frachtschiffe durch. Das AIS feuert einen Alarm nach dem anderen. Ich wollte sowieso nicht schlafen.

Samstagabend vor Belfast

Ein paar Stunden später dreht der Strom wieder in meine Richtung. Sissi beschleunigt auf fast 8 kn. Und ich bin an der Hauptverkehrsstraße vorbei. Ein paar Stunden lege ich mich aufs Ohr, werde jedoch von meinem Wecker regelmäßig aus dem Schlaf gerissen. Das muss leider so sein, wenn man ohne Crew unterwegs ist. Den Sonnenaufgang verpasse ich, weil er gar nicht so richtig stattfindet. Es kommt Regen.

Islay in Sicht. Und Regen auch.

Die letzten paar Stunden bis Port Ellen ziehen sich ein wenig dahin. Die Tide hat wieder gedreht, doch hier ist zum Glück die Strömung nicht mehr so stark. Ich beobachte die Fähre, wie sie nach Port Ellen hineinfährt. Ich beobachte die Fähre, wie sie Port Ellen wieder verlässt. Das ist schön, ein Problem weniger. Ich begegne den Fähren nicht so gerne, wenn ich dicht vor einem Hafen bin. Dann mache ich Sissi klar zum Anlegen. Fender und Leinen auf beiden Seiten, ich weiß ja nicht, wo ich landen werde. Wenige Minuten später bin ich drin. Ein freundlicher Segler winkt mich zur letzten freien Box. Ich fahre rein und stecke sofort fest, denn das andere Boot in dieser Box hat sein Dinghi draußen hängen. Das ist mal wieder die Müdigkeit, ich habe das Dinghi nicht gesehen. Andererseits ist es auch eine Frechheit, wenn man im engen Hafen das Dinghi draußen liegen hat. Der freundliche Helfer klettert auf das andere Boot und räumt das Dinghi aus dem Weg. Dann liege ich fest. Willkommen auf Islay.

Sissi in Port Ellen. Mal wieder.

Der Hafenmeister begrüßt mich und will mir seinen Hafen erklären. Ich erinnere mich noch an seinen Namen und natürlich erinnere ich mich an den Hafen. Die Wifi-Antenne, die ich beim letzten Besuch noch nicht hatte, bringt das kostenlose Wifi vom Fähranleger an Bord. Der Dinghibesitzer kommt mit seiner Frau vom Einkaufen zurück und blökt mich an, was ich mit seinem Dinghi gemacht habe. Ich habe gar nichts gemacht. Ich frage ihn, ob er beide Liegeplätze bezahlt. Daraufhin hält er seinen Mund. Gerade habe ich mir wieder einen Freund fürs Leben gemacht.

Whiskybar im Ardview Inn

Nach ein paar Stunden Schlaf und einer erfrischenden Dusche im Duschtempel habe ich noch einen Tagesordnungspunkt zu erledigen. Ich besuche den örtlichen Pub mit seiner fantastischen Whiskybar. Ich bekomme die Whiskykarte hingelegt, doch nach einer halben Sekunde Nachdenken bestelle ich mir einen Ardbeg Ten.

Lecker.

Ich habe meinen Eintracht Pulli an Bord gelassen. Mit dem Barmann komme ich über Fußball ins Gespräch. Bei ihm hätte ich mit Eintracht-Klamotten kein Problem. Er ist nämlich Fan von Celtic Glasgow und er erklärt mir gleich einmal, wo ich in Port Ellen den Eintracht-Adler finden kann. Ein anderer Celtic Fan hat sich nach dem Sieg unserer Eintracht eine riesige Flagge bestellt und in seinen Garten gehängt. Mein Nachbar am Tresen arbeitet im Islay Hotel und bewirbt die Live-Musik am Donnerstagabend. Im Hintergrund füttern die Leute die Jukebox und machen Musik. Es fühlt sich gut an, wieder auf Islay zu sein.

Manx Electric Railway

Ist es eine Straßenbahn oder ist es eine Eisenbahn? So richtig entscheiden kann ich die Frage nicht. Auf dem großen Schild über dem Straßenbahndepot steht „Electric Railway“. Auf den Fahrzeugen steht sowohl „Railway“ als auch „Tramway“. Insgesamt sehen die Züge mehr wie Straßenbahnen als wie Eisenbahnen aus, sie fahren auch nicht auf Signale. Also werde ich ab sofort die Bezeichnung Straßenbahn benutzen.


VORSICHT!!! Dieser Artikel enthält nichts außer Schienenbahnen und ein paar Tieren. Weiterlesen geschieht auf eigene Gefahr.

Pferdestraßenbahn. Auch als solche bezeichnet.

Ich bin eine Woche auf den Schienen der Isle of Man unterwegs gewesen und muss feststellen, dass ich die Straßenbahnstrecke noch nicht einmal in einem Stück von Anfang bis zum Ende gefahren bin. Das hole ich nun am letzten Gültigkeitstag meiner Wochenkarte nach. Während der Wartezeit auf meinen Zug kann ich noch ein Bild von der Pferdebahn machen.

Der Fahrer fährt stehend. Das ist immer an den Orten der Fall, an denen erhöhte Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelligkeit gefragt sind.

Ich habe Glück und ergattere einen Sitzplatz in der ersten Reihe. Im Reisegepäck habe ich den Fahrplan (aus Gewohnheit, eigentlich kenne ich ihn schon auswendig), etwas Knabberkram und ein paar Dosen Fanta. Ich stehe immer noch voll auf den Geschmack von Fanta. Die gibt es in der Karibik nicht, früher habe ich mir auch nicht viel daraus gemacht. Im Moment komme ich ohne das Getränk nicht mehr aus.

Der Fahrer fährt sitzend. Der Hebel für die Geschwindigkeit steht auf „volle Fahrt voraus“. Es geht steil bergauf, es gibt keine Gefahrenstellen. Der Fahrer kann etwas entspannen.

Während der Elektromotor brüllt, die Räder in den engen Kurven quietschen und auf den verschraubten Schienen klackern, lasse ich die letzte Woche Revue passieren. Das Wetter war wieder einmal unglaublich. Kein Regentropfen ist gefallen, es war aber auch die gesamte Woche vollkommen windstill. Ich hätte keine Chance gehabt, unter Segeln weiterzukommen.

Bahnübergang. Die Straßenbahn hat natürlich Vorfahrt. Einen Kilometer vor dem Bahnübergang ist die Bushaltestelle.

So konnte ich mich fast die ganze Zeit mit dem beweglichen Industriedenkmal beschäftigen. Dabei bin ich die meiste Zeit mit dem parallel verkehrenden Bus unterwegs gewesen und habe zig Kilometer zu Fuß zurückgelegt, weil die Straße nicht immer direkt an der Bahnstrecke liegt oder sie wie auf dem Foto gar kreuzt.

Dieser Zug fährt von Laxey nach Douglas.

Oft musste ich aufgrund großer Busverspätungen recht schnell gehen, sonst hätte ich meine Motive verpasst. Wagen 1, 2, 32 und 33 finde ich besonders schön, weil sie nicht die eckige Front von Wagen 5 oder 9 haben. Man kann den Fahrer immer erkennen. Natürlich hätte ich oftmals langsamer gehen und einen anderen Zug eine halbe Stunde später aufnehmen können. Wenn ich mir aber ein bestimmtes Motiv in den Kopf gesetzt habe, will ich das auch so machen.

Wagen 32 bei der Anfahrt Baldrine in Richtung Laxey

Gelegentlich hat mich die MER aber auch reingelegt. Ich habe ein bestimmtes Fahrzeug erwartet und plötzlich wurde es gegen ein anderes Fahrzeug getauscht. Trotzdem bin ich sehr zufrieden mit der Ausbeute, weniger mit meinem Muskelkater in den Beinen.

Wagen 9 in Baldrine

Ein Problem sind bei der Straßenbahn wie bei der Eisenbahn die Hecken und Mauern an der Strecke. Es ist oft unmöglich, eine unverbaute Sicht auf die Schienenbahnen zu bekommen. In Deutschland würde ich in dieser Situation einfach die Gleise entlang laufen. Bei den gefahrenen Geschwindigkeiten und dem Lärm, den die Züge bei der Annäherung machen, wäre das vollkommen ungefährlich.

Wagen 2 zwischen Laxey und Dhunn Glen

Für die drei Aufnahmen zwischen Laxey und Dhunn Glen musste ich eine viel befahrene Straße entlang gehen. Eine viel befahrene Straße ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Nicht nur in Deutschland gibt es unlimitierte Straßen, es gibt sie auf der Isle auf Man ebenfalls.

Wagen 33 zwischen Dhunn Glen und Laxey

Warum bin ich nicht auf den Schienen gewandert? Weil es teuer sein kann. In Deutschland hat mich zwei oder dreimal die Polizei ermahnt und von den Schienen auf die Straße geschickt. Es ist bei uns genauso verboten wie hier, doch hier drohen sie 5000 Pfund Strafe an. Für 5000 Pfund kann man ziemlich viele Fahrkarten kaufen. Ich habe keine Ahnung, wie die hiesige Polizei drauf ist, aber ich will es auch nicht darauf ankommen lassen.

Wagen 1 bei der Anfahrt Dhunn Glen

Ich war dann sehr erleichtert, als ich wohlbehalten Dhunn Glen erreicht habe. Wenn die Autofahrer einen Fußgänger sehen, dann machen sie durchaus einen großen Bogen um ihn. Das Problem sind jedoch die vielen uneinsichtigen Kurven, durch die die ortskundigen Fahrer ihre schnellen Wagen (Porsche, Ferrari und Konsorten sind keine seltenen Fahrzeuge auf Man) mit hoher Drehzahl prügeln müssen. Irgendwie ist immer TT.

Straßenbahnwagen 1 von innen

Es war mir sehr wichtig, mit Straßenbahnwagen Nr. 1 mitzufahren. Das Fahrzeug ist nämlich laut Guinness Buch der Rekorde der älteste sich in Betrieb befindliche Straßenbahnwagen auf der Welt. Sagen jedenfalls seine stolzen Betreiber.

Gebaut 1893

Entspannter als die Fotos an der Küste waren die Fotos in Rome’s Crossing. Dort gibt es praktisch keinen Autoverkehr. Es gibt auch keinen Busverkehr, ich musste von der Bushaltestelle knapp fünf Kilometer laufen. Dafür wurde ich dann von einigen neugierigen Schafen angestarrt.

Schafe in Rome’s Crossing

Das Foto ist dann wieder ein Beispiel dafür, dass spontan ein Straßenbahnfahrzeug gegen ein anders getauscht wurde. Eigentlich hätte ich Wagen 32 erwartet, geliefert wurde mir aber Wagen 5. Die Fernsicht an jenem Tag war gigantisch. Im Hintergrund des Fotos ist die Küste von England zu sehen. Die Berge gehören nicht mehr zur Isle of Man.

Wagen 5 in Rome’s Crossing

Im Ramsay an der Endhaltestelle habe ich dann eine halbe Stunde Pause, bis es zurück geht. Ich nehme mir die Zeit für einen Spaziergang zum Hafen und zurück. Ein paar Tage früher habe ich schon den Fahrer von Wagen 9 dabei fotografiert, wie er den Stromabnehmer des Fahrzeugs dreht. Das muss bei jeden Fahrtrichtungswechsel gemacht werden.

Stromabnehmer wird gedreht.

Der Zug kommt auf dem linken Gleis an. Dann wird der Stromabnehmer das erste Mal gedreht, der Motorwagen drückt den Anhänger rückwärts über die Weiche auf das andere Gleis. Dann wird der Anhänger abgekoppelt. Der Stromabnehmer wird ein weiteres Mal gedreht und der Motorwagen fährt zurück auf das Ankunftsgleis. Nun wird die Weiche gestellt, der Anhänger rollt mit Hilfe der Schwerkraft neben den Motorwagen. Dort wird der Stromabnehmer ein drittes Mal gedreht, der Motorwagen fährt jetzt auch über die Weiche auf das andere Gleis. Ein viertes Mal (auf dem Bild) wird der Stromabnehmer gedreht und der Anhänger wird wieder angekoppelt. Dann erfolgt noch eine fünfte Drehung des Stromabnehmers und der Zug ist abfahrbereit. Was eine Arbeit… Jetzt können Fahrer und Schaffner erst einmal Pause machen.

Wagen Nr. 2 in Laxey

Während ich mit zwei Dutzend anderen Fahrgästen darauf warte, dass das Personal aus der Pause zurück kommt und wir in den Zug einsteigen können, tut es plötzlich einen Schlag. Eine wartende Frau ist neben mir von der Sitzbank gefallen und mit ihrem Kopf auf den Betonfußboden aufgeschlagen. Zum Glück hat sie keine blutende Wunde. Sie besteht darauf, sich wieder auf die Bank zu setzen. Sie will mit der Straßenbahn nur 10 Minuten bis nach Hause fahren. Ein anderer Wartender gibt ihr Wasser zu trinken, sie scheint von der Hitze (ca. 25°C) völlig fertig zu sein und dehydriert. Einen zweiten Sturz auf den Fußboden kann ich abwenden. Wir setzen die Frau dann einfach auf den Boden und geben ihr weiterhin Wasser. Derweil sind Fahrer und Schaffner zurück. Sie verweigern der Frau die Beförderung. Wenn sie aus dem fahrenden Zug fällt, wird es nicht so glimpflich ausgehen. Die Stationsvorsteherin wird gerufen und bringt einen Rollstuhl. Sie hat schon einen Rettungswagen gerufen. Insgesamt waren die Menschen sehr hilfsbereit.

Wagen 2 passiert Wagen 9 in Laxey

Ich mache eine Pause in Laxey. Mit kühlem, frisch gezapften Bier arbeite ich gegen meine eigene Dehydrierung. Quatsch, ich habe genug getrunken. Wenn man aus der Karibik kommt, trinkt man eher zu viel als zu wenig. Aber das Bier ist lecker. Ich lerne einen Immobilienmakler von der Isle of Man kennen und einen Steuerberater, der aus Luxemburg nach Man ausgewandert ist. Er spricht Deutsch. Der Immobilienmakler nicht. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und verpassen die letzte Straßenbahn nach Douglas. Bevor ich mit dem Busfahrplan punkten kann, hat der Steuerberater schon ein Taxi bestellt. Ein schöner Ausklang eine schönen Tages. Sollte ich einmal ein Geschäft auf der Isle of Man eröffnen wollen, hätte ich schon einen Steuerberater.

Prost!

Cat Sanctuary

Bei der Jagd auf den Dampfzug komme ich regelmäßig an der Bushaltestelle „Cat Sanctuary“ vorbei. Das macht mich neugierig, ich will endlich wieder einmal Katzen streicheln. Im Internet finde ich die Öffnungszeiten heraus. Mittwochs und Sonntags kann man die Katzen besuchen.

An diesem Schild fahre ich öfter mit dem Bus vorbei

Das trifft sich sehr gut, denn für den Mittwoch habe ich wieder den Dampfzug eingeplant. Ich will in Ballasalla ein paar Aufnahmen machen. Inzwischen bin ich sogar stolzer Besitzer eines gedruckten Busfahrplans. Das macht mich etwas leichtsinnig. Ich plane meine Ankunft am Bahnhof in Ballasalla etwa 10 Minuten vor der planmäßigen Abfahrtszeit des Zugs. Das reicht mir normalerweise. Fotografieren an der offenen Strecke ist auf Man praktisch unmöglich, denn die Gleise sind von hohen Hecken, Baumreihen, Mauern oder Privatgrundstücken eingerahmt. Also verbleiben Fotos an Bahnübergängen und Bahnhöfen.

Dampfzug fährt in Santon durch. Das Foto habe ich schon vor ein paar Tagen gemacht.

Allerdings machte ich die Rechnung ohne den Bus. Der kommt nämlich eine Viertelstunde zu spät an der zentralen Bushaltestelle an. Jetzt müssen die wartenden Fahrgäste einer nach dem anderen einsteigen. Hierzulande muss jeder beim Einsteigen entweder eine Fahrkarte an das Lesegerät halten oder ein Ticket kaufen. Das braucht seine Zeit. Die Busse haben nur eine Tür, vorher müssen die Leute noch aussteigen. Das braucht ebenfalls Zeit und so kommt es, dass nach wenigen Minuten schon der nächste Bus dahinter wartet. Der Busfahrer nutzt seine Chance und verweist die letzten Wartenden auf den zweiten Bus. In Isle of Man TT Geschwindigkeit versucht er dann, die Zeit wieder gut zu machen. Als wir beim Cat Sanctuary vorbei düsen, bin ich fast gewillt aufzugeben und auszusteigen. Doch dann sehe ich den Zug in Santon, eine Station vor Ballasalla. Er hält an der Bedarfshaltestelle. Das ist gut für mich.

Dampfzug fährt in Ballasalla ab

Ich bin tatsächlich noch vor dem Zug in Ballasalla angekommen und kann die Aufnahme am Bahnsteig machen. Die Sonne steht genau richtig, so habe ich das Foto geplant. Am Bahnhof ist außerdem noch ein Bahnübergang, an dem ich auf den Gegenzug warte. Hier bin ich entspannt, denn auf der eingleisigen Strecke kann es keine Überraschungen geben. Einzig ein großer LKW, der mir die Sicht auf den Bahnübergang blockiert, wäre eine böse Überraschung. Ich habe Glück, in der ersten Reihe steht ein fetter Audi. Da komme ich noch drüber.

Bahnübergang am Bahnhof in Ballasalla

Jetzt ist es Zeit für die Katzen. Aber zunächst ist einmal mehr Wartezeit angesagt. An der Bushaltestelle wartet ein Mann. Der wartet schon, seit ich hier angekommen bin. Wir kommen ins Gespräch. Auch hier gibt es Gespräche bei unfreiwilligen Wartegemeinschaften. Allerdings weiß er im Gegensatz zu mir ganz genau, wo sich die Busse befinden. Es gibt nämlich eine App, die die Position jedes Busses, jeder Bahn und Straßenbahn anzeigt. Selbst die Position der Pferdebahn ist online verfügbar. Das ist wie in Ponta Delgada mit den Minibussen. Ich habe mich gegen die Installation der App entschieden, weil ich sie mangels Datenvolumen gar nicht nutzen kann.

Cat Sanctuary. Tag der offenen Türen.

Im Internet hat das Cat Sanctuary geschrieben, dass zweimal in der Woche die Türen geöffnet werden. Das ist wörtlich zu nehmen. Schon auf dem Parkplatz werde ich von den ersten Katzen begrüßt. Während das Animal Shelter in Aruba sehr gut verschlossen ist, leben die Katzen hier auf einem offenen Gelände und die Türen sind weit geöffnet.

Schmuse mich!

Auch diese Einrichtung finanziert sich zu 100% aus Spenden und wird von freiwilligen Helferinnen und Helfern betrieben. Im Gegensatz zu einem normalen Tierheim geht es aber nicht darum, die Katzen wieder zu vermitteln. Die Tiere haben hier ein Zuhause für den Rest ihres Lebens gefunden.

Entspannung im Schatten

Teilweise sind es misshandelte Tiere, die ihren Besitzern weggenommen wurden. Teilweise ist der Besitzer gestorben. Ein Raum ist voll mit Katzen aus der Ukraine, die gerade an ihr neues Heim gewöhnt werden. Diesen Raum kann ich leider nicht betreten, hinter den Glasscheiben schauen mit süße Kätzchen mit ihren großen Augen an.

Schmusen, streicheln und füttern ist angesagt

Ich habe die Restbestände Katzenleckerlis von Sissi mitgenommen. Die werden von den Spitzohren sehr gut angenommen. Aber die großflächige Bestechung ist gar nicht nötig. Obwohl ich nur schwarze Katzen auf den Arm nehme, habe ich nach wenigen Minuten einen Haufen weiße Katzenhaare auf meinem schwarzen T-Shirt. Es ist schön, dass die Tiere hier so einen tollen Ort haben.

Auch im Cat Shelter: Gänse, Schafe, Ziegen, Hühner, Pferde und ein Esel

Neben den Katzen bietet das Cat Shelter auch noch Gänsen, Hühnern, Schafen, Ziegen, mehreren Pferden und einem Esel ein Heim. Alle diese Tiere eint, dass sie eine bewegte Vergangenheit haben. Das Pfeifen des Dampfzugs hinter dem Gelände erinnert mich daran, dass ich gar nicht so lange bleiben wollte. Jetzt habe ich das letzte Foto des Tages weggestreichelt. Auch gut. Ich lasse noch ein paar Pfund in der Spendenbox, verabschiede mich und gehe zum Bus.

Ziele des Cat Sanctuary

Am Abend sehe ich mir im Pub das Spiel von Eintracht Frankfurt gegen Real Madrid an. Wenigstens geht die Eintracht nicht so unter wie gegen die blöden Bayern letzte Woche.