Es ist immer noch Freitag, mein vorletzter Tag in Ponta Delgada. Leider ist mein Brief aus Deutschland mit Teilen für die Satellitenantenne immer noch nicht angekommen. Ich bin etwas frustriert, werde aber in der nächsten Woche noch einmal in der Marina anrufen. Falls der Brief da ist, mache ich noch einen kurzen Abstecher nach Ponta Delgada, bevor ich gen Nordosten weiter segele.
Ich sehe, dass die Krone im Stadtzentrum erleuchtet ist. Sie wurde in den vergangenen Tagen aufwändig errichtet. Das macht mich neugierig. An dem Platz, an dem ich vor kurzem noch gemeinsam mit Michael dem Jazz gelauscht habe, hat sich eine Menschenmenge versammelt. Offenbar warten sie auf ein Ereignis. Ich war bislang zu faul, mir Plakate durchzulesen, die überall in der Stadt aufgehängt sind. Auf jeden Fall hat es etwas mit der Kirche zu tun. Das Programm gibt es auch im Internet.
Das ganze Stadtzentrum ist großräumig abgesperrt, nur Fußgänger kommen noch durch. Anscheinend geht es gleich los. Anstatt meinen Spaziergang fortzusetzen, stelle ich mich an die Straßenecke, an der gleich etwas passieren wird. So ist es auch. Eine lange Prozession von normalen Menschen, Pfadfindern und zuletzt noch einer Musikgruppe passiert meinen Standort. Ich filme ein wenig, schließlich handelt es sich um lokale Folklore. Die Menschen auf den Azoren sind wirklich sehr katholisch.
Die Blaskapelle spielt noch eine gewisse Zeit vor dem Rathaus, doch am Ende der Straße sehe ich den nächsten Spielmannszug, der sich marschbereit macht. Also hole ich mir ein kleines Bier an der Tankstelle und warte gemeinsam mit den anderen Schaulustigen. Mit Pauken und Trompeten zieht die zweite Kapelle nach wenigen Minuten an mir vorbei. Ich gehe eine Runde um den Block und hoffe, eine Aufnahme des Auftritts machen zu können. Doch es ist voller, als bei einem Rockkonzert. Ein Durchkommen ist nicht möglich.
Dann eben nicht. Meinen Spaziergang erkläre ich hiermit für beendet und gehe zurück zu Sissi. Ich habe Hunger und muss mir noch mein Abendessen kochen.
Am folgenden Tag muss ich das Boot bereit machen für die Abfahrt. Mein neues Crewmitglied Mário wird einziehen. Außerdem müssen alle Dinge verstaut werden, die sich so auf dem Boot befinden. Während ich den Morgenkaffee genieße, kommt mir etwas komisch vor. Ich kann aber noch nicht sagen, was mir hier komisch vorkommt. Irgendwas ist anders als sonst. Mário wird mich heute Nachmittag mit dem Auto in den Supermarkt fahren. Das ist praktisch, wir müssen noch ein paar Vorräte für die Reise nach Europa besorgen. Außerdem erwarte ich Martin (SY Fairytale) in Ponta Delgada. Er will als Skipper ein Charterboot übernehmen und hat noch acht Crewmitglieder zu bespaßen. Allerdings ist sein Boot noch nicht hier.
Die Hauptstraße, die direkt an der Marina vorbei führt, ist komplett gesperrt. Nur die Linienbusse werden von der Polizei noch durchgelassen. Das ist heute also anders. Ich gehe in den kleinen Supermarkt gegenüber und besorge mir Frühstücksbrötchen. Auf dem Rückweg treffe ich Martin. Er ist die fünf Kilometer vom Flughafen in die Marina gelaufen und sucht jetzt seine Crew und sein Boot.
Ich finde heraus, dass es am Nachmittag eine Parade geben wird. Als Mário an Bord kommt, beklagt er sich über die vielen gesperrten Straßen. Wir verschieben den Großeinkauf auf Santa Maria, dort wird es auch einen brauchbaren Supermarkt geben. Ein Auto werden wir auch haben, sein Vater lebt auf dieser Insel. Wir machen uns auf den Weg zu den Behörden, um für die nächste Etappe auszuchecken. Zurück auf Sissi bemerke ich, dass Jens immer noch auf der Crewliste steht, dafür Mário nicht auf die Crewliste gekommen ist. Also gehen wir noch einmal zu den Behörden und lassen den Fehler korrigieren. Warum? Ich habe denen doch die beiden Pässe in die Hand gedrückt!
Nachdem Martin die ganze Marina auf der Suche nach seinem Boot abgelaufen ist, kommt er zu Sissi und muss sich erst einmal auskotzen. Sein Charterboot ist nicht in Ponta Delgada, sondern in Horta in der Marina. Da hat sein Reiseveranstalter einen richtigen Bock geschossen. Jetzt darf er sich um den Transport der Chartergäste nach Faial kümmern, muss ein Hotel finden und außerdem seine Gruppe noch ein oder zwei Tage auf Sao Miguel bespaßen – je nachdem, wann sich freie Plätze im Flugzeug finden lassen. Seine Crew versucht gerade, den Zwei-Wochen-Einkauf für 1500€ wieder im Supermarkt zurück zu geben. Wow.
Mário und ich können hören, dass die Parade begonnen hat. Ich will ein paar Aufnahmen machen. Mário erklärt mir, dass sich alle Dörfer auf Sao Miguel hier mit ihren Spezialitäten präsentieren. Außerdem gibt es in der Innenstadt kostenlose Suppe. Die ist traditionell für die Bedürftigen gedacht und wurde auf den Dörfern ausgegeben. Heutzutage ist die Suppenküche in der Innenstadt, damit auch Touristen den Weg dorthin finden können.
Mário und ich machen einen kleinen Einkauf im Supermarkt gegenüber, der für die nächsten zwei Tage ausreichen muss. Den Rest werden wir in Santa Maria einkaufen. Anschließend gehen wir zum Abendessen in ein Restaurant. Der Vorteil mit einem Ortskundigen an meiner Seite ist, dass ich ein wirklich gutes Steak essen kann. Später sitzen wir noch stundenlang im Cockpit uns schwätzen. Eigentlich wollten wir ja früh zu Bett gehen.