Yesss!

Neulich habe ich während eines Spaziergangs im Vorgarten eines Hauses ein Dutzend Katzen gesehen. Vielleicht waren es auch noch mehr. Als ob diese Katzen alle in einem verlassenen Haus wohnen würden. Nur der Pflegezustand der Pflanzen im Vorgarten sieht aus, als wäre das Haus noch bewohnt. Die Katzen haben auch Futter und Wasser.

Ganz viele süße Katzen!

Heute habe ich mir die GoPro und eine Dose mit Katzenfutter geschnappt, die seit Portugal auf Sissi mitfährt. Ich will ein paar süße Katzen beim Fressen aufnehmen. Leider ist die Katzenbesitzerin im Vorgarten. Ich traue mich nicht, den Katzen das Trockenfutter zuzuwerfen. Ich warte lieber, bis ich die Katzen in der Abenddämmerung auf der Straße erwischen kann.

Divi Divi

Auf dem Weg zurück in die Stadt komme ich an einem der schönsten Bäume in Oranjestad vorbei. Ein Divi Divi Baum, sozusagen die Wappen-Bäume von Aruba. Am Strand gibt es sie in ganz verrückten Formen, sie werden vom Wind zurecht geblasen.

In der Fußgängerzone lasse ich meinen Blick rundherum schweifen. Es sind immer mehr Menschen auf der Straße. Das Leben kehrt in die Innenstadt zurück. Manche Läden sind noch geschlossen, die meisten Geschäfte haben aber inzwischen wieder geöffnet.

Endlich wieder!

Auch die Dreckecken werden aufgeräumt und geputzt. Aruba macht sich wieder fein. Die Restaurants sind noch geschlossen. Ich kann an fast jeder Ecke sehen, dass sie einen Öffnung in Kürze vorbereiten.

Oranjestad wird geputzt.

Was mich wirklich überzeugt hat, dass hier der Krisenmodus in Kürze beerdigt wird, ist die Straßenbahn. Ich wollte meinen Augen kaum trauen, als ich ein rotes Fahrzeug auf dem Gleis fahren sah. Yesss! Sie fährt wieder.

Sie fährt wieder!

Jede zweite Sitzreihe ist gesperrt und auf den Sitzen gibt es jeweils außen Klebemarkierungen. Auf diese Markierungen kann man sich setzen. Vor dem Einsteigen gibt es Händedesinfektion.

Sie fährt wirklich. Das ist ein aktuelles Bild.

Ich setze mich auf eine Bank im Schatten und warte darauf, dass die Straßenbahn wieder in die andere Richtung fährt. Dabei gelingt mir ein schönes Bild von zwei Frauen, die sich zu einem ausgiebigen Schwatz auf einer Bank getroffen haben. Offiziell gelten hier weiterhin die Abstandsregeln, der tolerierte Abstand liegt hier bei 2 Metern.

Tratschen

Nicht nur die Erwachsenen, auch die Jugendlichen haben ihren Spaß. Die letzten Wochen war es hier sehr langweilig. Die Schulen sind immer noch geschlossen.

Jugendliche Radfahrer

Eigentlich ist heute jeder auf der Straße. Es ist lange nicht so voll wie mit den üblichen Touristenscharen, Es erinnert mich an einen Tag ohne Kreuzfahrtschiffe, wenn sich lediglich die Einheimischen in der Fußgängerzone tummeln.

Shoppen geht in jedem Alter

Zuletzt treffe ich noch Jutta und Ute auf der Straße. Sie bummeln auch von Geschäft zu Geschäft und schauen mal hier und mal dort. Sie haben außer dem Supermarkt seit Ende Februar keine geöffneten Geschäfte gesehen.

Yesss! Shopping geht wieder.

Ich überrede die beiden, gemeinsam eine Runde mit der Straßenbahn zu fahren. Sie sind überrascht, dass die Mitfahrt kostenlos ist.

Ute vor der Tram

Kaum sitzen wir in der abfahrbereiten Tram, macht mit Jutta auf das Bierfachgeschäft aufmerksam. Es ist mir schon vor Wochen aufgefallen, aber es hatte ja die ganze Zeit geschlossen. Als ob die Bierversorgung nicht zur Grundversorgung gehören würde. Gespenstig.

Beer World empfängt wieder Kunden.

Jutta hat sichtlich Gefallen an der kleinen Runde mit der Straßenbahn.

Jutta fährt Straßenbahn

Fahrer, Schaffner, Chefdesinfektor und noch eine Angestellte der Straßenbahnbetriebe tummeln sich im Fahrzeug. Heute ist der erste Betriebstag. Die Personale lachen und scherzen mit Passanten, Ladenbesitzern und mit und über uns. Touristen! Sie sind wieder da.

Kein Mindestabstand! Die Schaffnerin wird böse.

Wir fahren an einer Gruppe Männer vorbei, die ohne Sicherheitsabstand nebeneinander stehen. Die Schaffnerin ruft ihnen rüber, dass sie zwei Meter Abstand einhalten müssen. Dann lachen alle gemeinsam. Es kommt mir vor, als ob ein wichtiger Baustein Normalität in die Stadt zurückgekehrt ist.

Schuhe shoppen.

Wir werden an der Endhaltestelle rausgeworfen, es war die letzte Fahrt des Tages. Da hatten wir ja ein Riesenglück. Gemeinsam spazieren wir zurück in die Fußgängerzone. Gemeinsam bis zum ersten geöffneten Schuhladen. Dann muss ich Ute und Jutta leider verlassen. Eigentlich wollte ich Katzen fotografieren und filmen gehen. Statt dessen habe ich Menschen fotografiert. Es war ein schöner Nachmittag.

Auch die Scientologen haben sie heute vor die Tür gelassen. In Ganzkörperoveralls haben sie die Fußgängerzone unsicher gemacht. Müssen sie die Overalls jetzt zu Werbezwecken tragen oder damit man sie auf der Insel immer wiederfinden kann, falls sie davonlaufen.

Mit den Klamotten würde ich bei 32°C im Schatten nicht herumlaufen wollen. Ein Scientologe mit Freewinds-Aufdruck.

Hinsichtlich Corona hat sich heute auch etwas getan. Auf Aruba sind noch neun Personen erkrankt. Ein 70-jähriger Mann ist gestern an Covid-19 gestorben, damit sind es jetzt drei Tote. Die Gesamtzahl der Infektionen bleibt bei 101.

In einem anderen Land zu einer anderen Zeit

Es ist nicht leicht, diese Tage so zu verbringen, dass man nicht blöd im Kopf wird. Der tägliche Gang zum Supermarkt wird zu einem der Höhepunkte des Tages. Obwohl die Marinadusche, die Personaldusche des angrenzenden Hotels, eine ganz miese Aufenthaltsqualität hat, ist der Besuch dort ein weiterer Höhepunkt. Gestern habe ich fünf Stunden am Herd verbracht und ein Abendessen für die Chapo und uns gezaubert. In der ganzen Zeit habe ich Jens mit Küchengerüchen gequält. Das Ereignis war ein auf knackigen Karotten zartrosa gebackener Rinderbraten mit einem Riesenberg knuspriger, mit ein wenig Parmesan verfeinerter Kartoffelpuffer. Zugegebenermaßen wurde der Braten mehr rosa als zart, aber es hat allen geschmeckt. In den letzten Tagen bekochen wir uns gegenseitig.

Positiv an der Situation ist, dass wir zu Dingen kommen, die wir seit Monaten haben liegen lassen. In Lissabon haben wir viele Videos gemacht, geschnitten und veröffentlicht haben wir bisher nichts. Während ich am Herd stand, hat Jens sich mit dem Videoschnitt beschäftigt. Und nun haben wir ein kleines Video von Lissabon mit – ähm – geringem Straßenbahnanteil. Die Straßenbahn dort ist meiner Meinung nach ein rollendes Denkmal.

Auf der anderen Seite des Atlantik, ein halbes Dutzend mit Touristen voll beladener Kreuzfahrtschiffe vor der Stadt, geöffnete Bars und Restaurants, Menschenmassen walzen sich durch die Innenstadt, klumpen sich vor dem Aufzug in die Oberstadt oder quellen aus voll besetzten Straßenbahnen. Ich habe mir das Video zwei oder dreimal angesehen. Nicht wegen der tollen Aufnahmen mit der wackeligen Handkamera. Nicht wegen der phantastischen Filmmusik (Gema-frei). Nicht, weil ich sonst nichts zu tun habe. Ich habe mich am Leben auf den Straßen erfreut.

Ist die Szene bei 3 Min 46 Sekunden als Ausblick in die Zukunft zu verstehen? Wie sieht das Leben in der Öffentlichkeit in einem halben Jahr oder einem Jahr aus?

Straßenbahn fahren auf Aruba

Darauf habe ich mich sehr gefreut. Wir sind auf Aruba und dort gibt es eine Straßenbahn. Ich hatte schon lange keine Schienen mehr unter dem Arsch, das letzte Mal war das auf Teneriffa, auf der anderen Seite des Atlantik und im vergangenen Jahr. Das bringt mir durchaus Entzugserscheinungen. Deswegen bin ich froh, dass wir bei der karibischsten aller Straßenbahnen angekommen sind.

Ein paar technische Daten zur Straßenbahn gibt es auf Wikipedia. Die schreibe ich jetzt nicht ab, bei Interesse klickst Du einfach auf den Link.

Blaue Straßenbahn kommt vom Kreuzfahrerterminal

Wir haben tatsächlich das Glück, an einem Tag drei verschiedene Fahrzeuge zu sehen. Das ist ein ganz guter Wert, denn es gibt insgesamt nur vier Wagen, die die knapp zwei Kilometer lange Strecke befahren.

Rote Bahn an einer der vielen Einkaufsmalls

Eigentlich ist die Bahn in Oranjestad keine Straßenbahn, sondern mehr ein Karussell. Sie hat keinerlei Bedeutung für den ÖPNV, sondern dient nur dazu, die Kreuzfahrttouristen vom Kreuzfahrerterminal in die Einkaufsstraße zu bringen und vice versa.

Orange Tram auf Personalfahrt

Die Fahrt im Karussell kostet nichts. Man kann einfach einsteigen und mitfahren. Das finde ich klasse. Der Spaß wird vermutlich von den Geschäftsleuten in der Innenstadt finanziert, denen die Kreuzfahrer vor die Tür gefahren werden.

Jens fotografiert die blaue Tram

Die schöne Form der Fahrzeuge hat sogar Jens motiviert, mal wieder sein Kameraobjektiv auf ein Schienenfahrzeug zu halten. Ich quäle ihn jeden Abend mit einer Folge Eisenbahnromantik aus der ARD Mediathek. So langsam zeigt das Früchte.

Rote Tram unter Palmen

Das rote Fahrzeug ist jedenfalls viel schöner anzusehen als das blaue. So wie fast immer. Die leuchtenden Farben gehen auch, wenn die Sonne sich hinter Wolken versteckt. Schade, dass der orange Wagen nicht regelmäßig fährt.

„Notfoto“ des orangen Wagens. Er kam viel schneller zurück, als ich es erwartet habe.

An der Ausweiche haben wir uns länger aufgehalten und fotografiert. Es ist nicht nur das Bild von Jens beim Fotografieren entstanden, sondern auch ein Bild des roten Fahrzeugs.

Rote Tram in der Ausweiche

An der Endhaltestelle haben die Züge immer ein paar Minuten Pause. Die Straßenbahnfahrerin ist dort in ein Cafe gegangen. Wie immer muss man dem Personal nachlaufen, dann findet man auch gutes und günstiges Essen. Wir konnten leckere Schinken-Käse-Sandwiches jagen, die einem nicht alle Dollars aus dem Portemonnaie gezogen haben.

Endstation

Nach diesem Foto von der blauen Tram an der Endhaltestelle wolle ich noch ein Bild des roten Zugs machen. Der Fahrer hat mir aber das Handy aus der Hand gerissen, Jens und mich an seinen Arbeitsplatz geschickt und uns erst einmal fotografiert.

Das sind wir.

Anschließend hat er sich zu seiner wohlverdienten Pause in den Schatten begeben. Das wäre ein Job nach meinem Geschmack. Eine Viertelstunde arbeiten, dann eine Viertelstunde Pause. Die machen sich nicht kaputt.

Wohlverdiente Pause an der Endhaltestelle

Wenn wir von der Marina zum Kreuzfahrerterminal laufen, können wir die Straßenbahn nehmen und in die Nähe einer Metzgerei fahren. Dann bekommt die Straßenbahn einen verkehrlichen Zweck. Zurück laufen wir dann aber von der Metzgerei in die Marina, weil der Weg kürzer ist und das Fleisch nicht verderben soll.

Wir fahren zum Metzger

Weil es so viel Spaß gemacht hat, haben wir ein kleines Video gedreht und geschnitten. Also ich habe gefilmt und Jens hat es zusammen geschnitten. Das beste war der Fahrer, der erst nicht über das Handy drüberfahren wollte. Da wir noch ein paar Tage in Aruba sind, werden wir noch die eine oder andere Fahrt unternehmen.

Genauer gesagt, ich werde die eine oder andere Fahrt noch mitmachen. Ob Jens dabei ist, weiß ich nicht. Ich muss ihm noch ein paar Folgen Eisenbahnromantik um die Ohren hauen.