Hafenkino in Praia

Auch in Praia gibt es einen örtlichen Clube Naval. Hier sind die Clubmitglieder ebenfalls mit Optimisten, kleinen Seekajaks und einem Katamaran unterwegs. Ich steuere das Dinghi gerade in Richtung Sissi, als mich der Katamaran mit wahnsinniger Geschwindigkeit überholt. Das sieht sehr schön aus. Die beiden Männer auf den Rümpfen können definitiv Segeln. Eine halbe Stunde später genieße ich meinen Nachmittagskaffee im Cockpit und sehe, wie der Katamaran von einer Bö erwischt wird und kentert.

Der Katamaran ist gekentert und muss wieder aufgerichtet werden.

Bei diesen kleinen Fahrzeugen ist es keine Besonderheit, wenn sie sich mal auf die Wasseroberfläche legen. Das gehört sozusagen zum Sport dazu und ist nicht gefährlich. Das Aufrichten kann hingegen etwas anstrengend werden, je nachdem, wie viel Erfahrung die Piloten haben.

Die EMA bietet Hilfe an

Die EMA ankert ebenfalls vor Praia. Zuerst hatte ich sie noch unter ihrem Vorbesitzer Michael in Aruba gesehen, dort habe ich seine Gefriertruhe erworben. Die neuen Besitzer fahren unter dänischer Flagge und sind ebenfalls sehr freundliche Menschen. Das Dinghi wird sofort klar gemacht und den beiden Gekenterten wird Hilfe angeboten. Die Piloten brauchen diese Hilfe aber nicht, das Dinghi fährt wieder zurück zur EMA.

Langsam richtet sich der Katamaran wieder auf.

Keine zwei Minuten später sehe ich, wie sich der Mast langsam wieder aufrichtet. Genau so macht man das. Hier sind keine Anfänger am Werk. Das war mir bei den zackigen Manövern vor der Kenterung sowieso schon klar.

Jetzt steht er wieder auf seinen Rümpfen

Nun steht der Kat wieder auf seinen Rümpfen, die beiden müssen nur noch wieder an Bord klettern. Wenn der große Kat im Hintergrund ähnlich kentern würde, würde er sich umdrehen und der Mast nach unten zeigen. Das wäre eine komplette Katastrophe. An ein Aufrichten wäre bei diesem Fahrzeug nicht zu denken, die Crew müsste durch die unten liegenden Notausstiegsluken das Fahrzeug verlassen.

Alle sind wieder an Bord, es kann weiter gesegelt werden.

Kaum sind die beiden Schwimmer wieder an Bord geklettert, setzen sie ihren Segelspaß fort. Doch das Vergnügen währt nicht lange. Diesmal gab es bei der Kenterung wohl einen kleinen Schaden. Das Großsegel wird herunter genommen und die beiden fangen an, in Richtung des Clubhauses zu paddeln. Ich bin nicht der einzige Kinobesucher an diesem Nachmittag. Auch auf der EMA wird genau beobachtet, was im Hafenbecken geschieht. Das Dinghi kommt sofort wieder heran geschossen und bietet Schlepphilfe an. Diesmal lehnen die beiden die Hilfe nicht ab, sondern lassen sich gegen den recht starken Wind in Richtung Clubhaus ziehen.

Schaden am Großsegel

Zweimal ausgelacht!

Immer noch habe ich die leise Hoffnung, dass sich meine Kamera wieder einfindet. Ich kann mich noch daran erinnern, dass vor einigen Jahren meine teure Nikon F3 alleine vom Frankfurter Hauptbahnhof mit der Straßenbahn nach Ginnheim gefahren ist. Dort wurde sie vom Straßenbahnfahrer gefunden und wieder an den Hauptbahnhof gebracht. Ich konnte sie nach einer knappen Dreiviertelstunde wieder in den Händen halten. Danke dafür!

Kirche auf dem zentralen Platz in Praia

Nachdem Jens zu einer Wanderung in den Nordwesten der Insel aufgebrochen ist, mache ich einen Spaziergang durch Praia. Dabei habe ich zwei Ziele. Einmal die Polizeistation und einmal das Büro des Busbetreibers.

Polizeihahn

Vor der Polizeistation finde ich erst einmal einen dicken Hahn, der im Blumenbeet vor sich hin döst. Ich will ihn nicht aufscheuchen, das Foto muss ich aber machen. Dann trete ich ein. Ein Polizist kommt sofort an den Schalter. Ich frage ihn, ob er ein wenig Englisch spricht, was er zunächst verneint. Trotzdem kann ich meine Frage an den Mann bringen, ob in den letzten Tagen eine Kamera abgegeben wurde. Der Polizist beginnt mich auszulachen und teilt mir mit, dass solche Gegenstände hier niemals abgegeben werden. Der Vorfall schockiert mich geringfügig. Immerhin ist Terceira nur eine kleine Insel mit weniger als 70000 Einwohnern, da könnte man sich vorstellen, dass es kein Kriminalitätsschwerpunkt ist.

Polizeistation in Praia

In Frankfurt habe ich nicht damit gerechnet, meine Kamera zurück zu erhalten. Immerhin sind wir in der Kriminalitätsstatistik immer wieder auf den vorderen Rängen zu finden. Etwas unmotiviert gehe ich trotzdem noch in das örtliche Büro des Busbetriebs. Es befindet sich in den Räumlichkeiten eines Landmaschinenhandels. Dort werden Produkte von Claas und Stiehl vertrieben, aber es gibt auch einen Tresen der EVT. Der Mann am Tresen spricht gar kein Englisch, nimmt mich aber mit zu einigen Frauen, die gerade ihre Mittagspause machen. Ich trage mein Anliegen vor und plötzlich herrscht große Heiterkeit. Ein weiteres Mal werde ich ausgelacht. Nein, Kameras und dergleichen Dinge werden niemals abgegeben.

Landeanflug über dem Ankerplatz

Zurück an Bord „genieße“ ich dann das Gefühl, das ich aus meiner ehemaligen Wohnung in Oberrad noch gut in Erinnerung habe. Ein Flugzeug nach dem anderen lärmt im Landeanflug über dem Hafen. Der Flughafen ist nicht weit entfernt und im Gegensatz zu Horta gibt es hier auch keinen Nebel, der die Landungen verhindern würde. Der Flughafen ist gut ausgebaut.

Tiefer und immer tiefer sinkt der Flieger

Es landen zumeist keine Düsenjets, sondern kleinere Propellermaschinen. Die Ferienflieger sind in der Minderzahl. Die Lärmkulisse gibt sich jedoch kaum etwas. Das einzig Gute an diesem Flughafen ist die Betriebsruhe ab Mitternacht.

Dieser Flieger ist kleiner, aber nicht viel leiser.

Ein wichtiger Grund für den hervorragenden Ausbau des Flughafens ist die Airbase der USA. Die Start- und Landebahn wird gemeinsam von zivilen und militärischen Flugzeugen genutzt. Auf dem Flightradar ist als Herkunft der Flugzeuge immer wieder Ramstein vermerkt.

Dieser dicke Brummer kommt aus Ramstein

Genau wie damals in Frankfurt sind auch hier die Militärflieger vom Lärm her eine Vollkatastrophe. Außerdem kommen sie manchmal noch nach Mitternacht rein.

Unfaire Spiele

Auf Terceira findet gerade ein zehntägiges Festival statt. Auf den Straßen tönt laute Musik aus Lautsprechern. Jörg ist das heute zu viel Trubel und so ziehe ich alleine durch die Gassen von Angra und sehe mir den Ort an. Die Straßenbeschallung findet zum Glück nur im Zentrum statt. Ein paar Gassen weiter wird es wieder ruhig.

Das Highlight ist am Nachmittag der Seilstierkampf. Seit die spanische Armee im 16. Jahrhundert mit Hilfe von Bullen nieder gerannt und so eine Invasion verhindert wurde, ist das Festival mit seinen Stierkämpfen das größte, nicht religiöse Fest auf Terceira. Fast jeder Ort auf der Insel veranstaltet diese Straßenkämpfe. Daneben laufen noch andere Veranstaltungen, wie zum Beispiel ein Jetski-Rennen.

Wären wir in Angra vor Anker geblieben, hätten wir für dieses Jetski-Rennen einen Platz in der ersten Reihe gehabt. Ich schieße nur ein paar Fotos und laufe weiter. Jetskis, die schnell im Kreis fahren, finde ich nicht spannend genug, um länger zu bleiben. Außerdem macht sich ein kleines Hüngerchen breit. Ich muss nicht lange suchen, bis ich eine Fressbude finde. Mit einem Sandwich setze ich mich in den nächsten Park und sehe einem Pärchen beim Tauben füttern zu,

Mir wurde gesagt, dass ich wenigstens eine Stunde vor Beginn der Kämpfe vor Ort sein sollte, um einen guten Platz zu bekommen. Ich kann so das komplette Spektakel von Anfang bis Ende beobachten. Ausgehend von dem Platz vor einer Kirche sind die Straßen abgesperrt. Alle Haustüren an der Straße sind mit Brettern und Paletten gesichert. Zuschauer machen sich auf allen verfügbaren Mäuerchen breit. Anwohner öffnen Tür und und Tor, um selbst Fremde wie mich auf ihren Balkon zu lassen. Auch das hat hier Tradition und es ist schließlich gefährlich, auf der Straße zu stehen.

Ein Transporter mit vier engen Transportboxen auf der Ladefläche rollt an. Mit einem kleinen Kran werden die Boxen unter viel Getöse abgeladen und auf der Straße miteinander verzurrt. Immer wieder gibt es laute Schläge aus dem Inneren, die die Wände der Boxen zum Erzittern bringen. Bevor ein Stier auf die Straße gelassen wird, bekommt er eine Schlinge um den Hals gelegt.

10 Männer in weißen Hemden und schwarzen Hüten, die „Pastores“, nehmen dann Positionen entlang einer langen Leine ein. Fünf am Ende der Leine und fünf ein gutes Stück weiter vorne. Ihre Aufgabe ist es, den Stier daran zu hindern, unkontrolliert in die Zuschauer zu stürmen, die am Ende der Strecke an den Bierständen stehen. Sobald der Stier an der Leine hängt, begeben sich die Pastores in Position. Eine Rakete wird abgefeuert. Das ist das Zeichen für alle noch umher Stehenden, die Straße zu räumen.

Die Pastores machen sich bereit.

Jetzt wird die Box geöffnet und der Bulle laufen gelassen. Hunderte Kilo Muskelmasse setzen sich in Bewegung und stürmen auf einen der „Capinhas“ zu. Der Stierkämpfer weicht aus und fängt an, Kreise um den Stier zu drehen, der wütend und schnaubend versucht, den Capinha auf die Hörner zu nehmen.

Tanz mit dem Stier.

Nach ein paar Runden bleibt der Stier stehen, um etwas Luft zu holen. Ein weiterer Capinha steht ein Stück weiter die Straße herunter und provoziert. Der Stier nimmt erneut Anlauf und rennt los. Auf diese Weise wird der Stier langsam die Straße hinunter getrieben. Wird er dabei zu schnell oder nähert er sich dem Ende der Straße, greifen die Pastores ein und ziehen ihn an der Leine zurück. Ein fairer Kampf sieht für mich anders aus. Immer wieder versuchen auch Leute aus dem Publikum ihr Glück und wagen den Tanz mit dem Stier. Meist endet dies mit einem rettenden Sprung über den Zaun.

Rettung in letzter Sekunde.

Nach etwa 20 Minuten wird der Kampf beendet und der Stier zurück in seine Box verfrachtet. In einer kurzen Pause wird der nächste Stier vorbereitet. Das gibt den Zuschauern Zeit, sich neues Bier oder einen Snack zu kaufen. Vier Stiere sollen an den Start gehen. Die zweite Rakete wird gezündet und die Straße leert sich. Dann passiert erst mal nichts. Nach einem kurzen Moment dann laufen die Capinhas zurück zur Box. Bestürzte Blicke. So schnell sie irgendwie können, wird die Box wieder zurück auf den Transporter geladen. Für diesen Bullen war der Kampf bereits verloren, bevor er eine Chance bekam.

Ich nutze die Pause bis zum nächsten Start, um mir einen anderen Platz zu suchen. So langsam verstehe ich wie das Hin und Her funktioniert und ich möchte näher ans Geschehen. Auf die Straße. Auf Metal-Konzerten stehe ich auch gerne in der Menge und lasse mich durch die Gegend schubsen. Gemeinsam mit anderen zusammen vor dem Stier die Straße hinunter zu flüchten ist zwar was komplett anderes, kommt dem Gefühl aber auf jeden Fall sehr nah. Ein besonderes Erlebnis.

Flucht vor dem Stier.

Nach ein paar Stunden ist dann alles vorbei. Die drei verbliebenen Stiere werden abtransportiert. Die Barrikaden an den Häusern werden abgebaut. Die Stadtreinigung räumt Müll von der Straße. Ich hatte einen schönen Nachmittag voll neuer Eindrücke, Spaß und Adrenalin. Dass die Stiere durch diese Veranstaltung einen immensen Stress erleiden und so auch sterben, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Die Kämpfe sind vorbei.

Auf dem Weg zurück finde ich noch ein süßes Kätzchen, das ich wahrscheinlich stundenlang hätte kraulen können, wenn ich nicht den letzten Bus erwischen müsste.

Miau.