Schlechte Pumpe. Gute Pumpe.

Ein paar Tage gab es hier nichts zu lesen. Das liegt nicht daran, dass das Internet hier klemmen würde, sondern daran, dass einfach nichts passiert. Ich möchte nicht dauernd melancholische Beiträge über das Leben in Oranjestad verfassen, sondern reduziere einfach die Zahl der Blogposts. Manchmal passiert ja doch was. Bei 31.5°C und 85% Luftfeuchtigkeit hält Aruba eine Art Winterschlaf.

Bei diesen Temperaturen freue ich mich immer auf die tägliche Dusche. Bis vor ein paar Tagen konnten wir noch die Personaldusche des Hotels benutzen. Jetzt ist diese auch geschlossen und wir duschen auf unseren Booten. Die Dusche auf Sissi ist wenigstens sauber, das war im Hotel nicht so. Dafür ist das Wasser im Hotel immer durch den Abfluss abgelaufen. Auf Sissi landet es in der Bilge, am tiefsten Punkt des Schiffs.

Wir pumpen es immer mit einer rustikalen Handpumpe aus. Ein paarmal den Pumpenhebel bewegen und die Pumpe saugt wieder Luft an. Die elektrische Bilgepumpe benutzen wir nicht, sie hat einen Kurzschluss.

Gummi

Gestern pumpte ich mal wieder das Duschwasser aus der Bilge und wurde dabei nass gespritzt. Das geht gar nicht. Die dicke Gummimembran der Pumpe ist undicht. Das ist eine Katastrophe. Für diesen Gummi haben wir kein Ersatzteil an Bord. Das brauche ich nicht einmal suchen, das weiß ich. Ich zerlegte die Pumpe, um den Schaden begutachten zu können.

Loch

Bei näherem Hinsehen finde ich überall leicht beschädigte Stellen. An einer Stelle ist ein großes Loch zu sehen. Da spritzt das Wasser beim Pumpen mit ordentlichem Druck heraus.

Da stehe ich mit einer Bilge voller Duschwasser und zwei kaputten Bilgepumpen. Die Gummimembran kann ich nicht reparieren. Also zerlege ich die Innenverkleidung von Sissi und suche den Kurzschluss in der Zuleitung zur elektrischen Bilgepumpe. Ich habe einen Verdacht, der sich letztendlich erhärtet. Es ist gut, wenn man sich an den eigenen Pfusch erinnern kann, den man vor knapp drei Jahren verbockt hat. Bisher hatte ich die Arbeit immer gescheut.

Schalter für die elektrische Bilgepumpe

Mit Hilfe der nun funktionsfähigen elektrischen Bilgepumpe wird das Duschwasser in die karibische See befördert. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das auf “Auto” stehenlassen soll. Wenn die Pumpe anspringt, gibt es gleichzeitig einen lauten Alarm. Das könnte auch mitten in der Nacht passieren.

Jens hat nun die Aufgabe, ein Ersatzteil zu organisieren. Zumindest gibt es den Hersteller noch.

Planänderung. Abflug.

Vor ein paar Tagen schickte mir die Honorarkonsulin die Nachricht, dass ein Sonderflug von Aruba nach Amsterdam angesetzt ist. Es ist ein Flug der Niederlande nach Amsterdam, der auch Angehörige anderer EU-Mitgliedsländer mitnimmt. Jens und ich diskutierten das ausgiebig. In der Folge haben wir unsere Pläne etwas geändert.

Immer nur auf das Meer schauen können ist doof.

In wenigen Wochen besteht die Möglichkeit zum Start in Richtung Europa. Ende April öffnet sich das typische Zeitfenster. Auf unserer Route liegen Jamaika (geschlossen), Kuba (geschlossen), Bermuda (geschlossen), die Azoren (geschlossen), Portugal (geschlossen), Spanien (geschlossen), Frankreich (geschlossen und Segeln verboten) und England (noch offen). Ob England in zwei Monaten noch offen ist, kann heute noch keiner wissen. Das Zeitfenster schießt sich irgendwann Ende Juni mit dem Beginn der Hurrikansaison, die üblicherwese bis Ende November dauert.

Der direkte Weg nonstop nach Deutschland ist uns selbstverständlich nicht verbaut. Wir haben ein Segelboot mit unbegrenzter Reichweite, wir haben für Monate Proviant an Bord und wir müssen nicht tanken. Es handelt sich lediglich um schlappe 5500 Seemeilen (10175 Kilometer), die von uns in ca. 55 Tagen gesegelt werden können. Dazu kommen noch 14 Tage Selbstquarantäne vor der Abfahrt, damit wir sicherstellen können, dass wir die Seuche nicht schon an Bord haben. Also zwei Monate das Boot nicht verlassen. Irgendwie steht uns der Sinn gerade nicht danach.

Jens fliegt zurück nach Frankfurt, ich bleibe an Bord und auf Aruba. So sieht die Entscheidung aus. Nach der Hurrikansaison kommt Jens wieder zurück und wir fahren die Route, die ich oben beschrieben habe. Irgendwann machen die Länder ihre Grenzen wieder auf. Irgendwann können wir uns wieder so frei durch den Ozean bewegen, wie wir es lieben.

Der Abflug ist am 3. April um 16:30 Uhr angesetzt. Am 3. April hat aber auch Jutta Geburtstag. Wir sind zur Chapo eingeladen. Wir erklären Jutta, dass sie in ihrem Geburtstag hineinfeiern muss, wenn sie mit uns feiern möchte. Für den Abend des 2. April besorge ich die Zutaten für eine feine Abschiedslasagne. Die tragen wir zur Chapo. Dann feiern wir den letzten Abend. Dann feiern wir den Geburtstag von Jutta. Dann ist das Bier alle.

Sandalen haben ausgedient.

Am Morgen des Abflugtags werden mit leichtem Kater erst einmal die Sandalen beerdigt, die Jens schon mindestens seit einem Jahrzehnt durch Europa und nun durch die ganze Welt getragen haben. Zumindest bei mir kommt keine Sentimentalität auf. Berühren hätte ich die nicht mehr wollen.

Heute ist Abflugtag

Wir werden sentimental. Jens hat seine Sachen gepackt und kommt mit dem Gewicht gerade noch unter die Freigrenze. Ein letztes Foto gemeinsam mit Sissi. Ein letzter Schwatz mit den Chapos. Wir stehen an der Hauptstraße und warten auf Lel, einen Arubaner, den wir vor ein paar Wochen kennengelernt haben. Er hatte uns damals angeboten, dass er uns mit dem Auto fährt, wenn wir mal ein Problem haben. Das Problem liegt auf der Hand. Wir müssen zum Flughafen, es fahren aber keine Busse und keine Taxis. Lel fährt und bietet mir an, dass er mich auch wieder zurück bringt. Danke!

Gespenstisch einsam – Flughafen von Oranjestad

Am Flughafen ist erst einmal nichts los. Wir sind viel zu früh da. Natürlich haben sämtliche Grill- und Imbissbuden, Kaffeeläden und Minimärkte geschlossen. Der Flughafen ist geschlossen. Das ganze Land ist geschlossen. Wir waren so blöd, dass wir nicht daran gedacht haben. Zum Glück haben wir genug Wasser mitgenommen.

Warten, dass das Terminal öffnet

Zweieinhalb Stunden vor der geplanten Abflugzeit öffnet das Terminal. Wir haben zu diesem Zeitpunkt schon von Sicherheitsleuten erfahren, dass der Flug sich aufgrund von technischen Problemen eine Stunde verspäten wird. Jens organisiert über diesen Sicherheitsmann eine Pizza beim Lieferdienst.

Nur ein einziger Flug wird heute abgehen

Das Terminal öffnet und der Sicherheitsabstand zu den anderen Menschen ist leicht einzuhalten. Es gibt heute nur einen einzigen Flug.

Am Schalter erfährt Jens, dass er nicht auf der Passagierliste steht. Er kommt wieder nach draußen. Ich schicke der Konsulin eine Nachricht. Sie verspricht, dass sie sich sofort darum kümmert. Eine Viertelstunde später erscheint bei uns ein Mitarbeiter des Flughafens. Jens sei doch auf der Passagierliste. Er könne jetzt einchecken.

Vorne in der Schlange

Jens kommt wieder mit seinem Gepäck zurück. Er steht zwar auf der Passagierliste, es können aber derzeit nur Holländer abgefertigt werden. Der Mann, der die beiden deutschen Passagiere abfertigt, ist noch nicht eingetroffen. Also ist wieder Warten angesagt. Ich habe zwar Hunger – Jens hat vergessen, mich zu fragen, ob ich auch eine Pizza möchte – will aber nicht zurück zu Sissi, bevor Jens eingecheckt hat. Ich habe schließlich die kurze Leitung zur Konsulin.

Bescheuertes Selfie vor dem Flughafen

Es kommt wieder ein Mitarbeiter des Flughafen zu uns. Jens kann jetzt einchecken. Der dritte Versuch ist erfolgreich. Gut. Ich rufe Lel an, damit er mich abholt. Dann verabschiede ich mich von Jens. Kurz. Ich hasse Bahnhofsabschiede. Lel bringt mich zurück zu Sissi.

Den Nachmittag verbringe ich mit Telefonaten mit Freunden und der Familie. Donald Trump schickt Kriegsschiffe nach Venezuela. Wir können von Aruba aus nach Venezuela rüberschauen. Militärflugzeuge sind am Himmel zu sehen. Ich unterhalte mich noch etwas mit den Chapos.

Die Verspätung von Jens Flieger wird größer und größer. Er ist immer noch nicht in Paramaribo gestartet. Irgendwann erfährt Jens, dass der Flug auf den folgenden Tag verschoben wurde. Nach einer längeren Wartezeit kommt ein Bus und bringt die meisten verhinderten Passagiere in ein Hotel, das extra für diesen Flug wieder geöffnet wurde. Jens kommt zu Sissi zurück.

Wir feiern in kleinem Kreis den letzten Abend auf Aruba, nur Jens und ich. Im Radio hören wir, dass Deutschland erwägt, die Grenze zu Holland zu schließen. Das wäre blöd für Jens, denn er muss ja noch von Amsterdam nach Frankfurt kommen. Über die geschlossene Grenze fährt der ICE sicher nicht.

Am 4. April bekommt Jens regelmäßig Updates. Es wurde ein Ersatzteil für den Flieger nach Surinam geflogen. Der Flieger wird repariert. Es gibt eine Abflugzeit. Die Abflugzeit wird verschoben. Der Flug wird letztendlich wieder abgesagt und auf den 5. April verschoben. Ein Ersatzflugzeug kommt. Wir feiern noch einmal auf der Chapo. Wir können jetzt auf die Chapo, die Quarantänezeit ist vorbei.

Am Morgen des 5. April steckt mir der vorherige Abend in den Knochen. Die große Zahl der “letzten Abende” zieht sich hin. Ich habe keine Lust mehr auf den letzten Abend. Wir beobachten auf flightradar24 den Flug Ersatzmaschine auf dem Weg nach Paramaribo. Es sieht alles gut aus. Die Maschine landet. Jens bekommt die Nachricht, dass sein Flug verspätet sein wird. Verspätet ist besser als verschoben.

Jens steigt in den Bus

Die Ankunft der Busse an der Marina verzögert sich auch, es wurden nicht alle Fluggäste im Hotel gefunden. Das Hotel soll sehr gut gewesen sein. Hört man. Dann kommen sie doch, ich nehme kurz Abschied von Jens und das war es dann. Für die nächsten Monate.

Der Flug nimmt eine spannende Route nach Aruba. So viel Abstand zu Venezuela, wie es möglich ist. Herr Trump hat seinen Spaß in Venezuela.

Kurz vor der Ankunft.

Jens ist derweil im Terminal und wartet auf den Abflug. Wir tauschen Nachrichten aus. Ich bin traurig und gleichzeitig glücklich. Ich freue mich für Jens, dass er die nächsten Monate in Frankfurt verbringen kann. Ich bin gespannt, wie es mir jetzt ergehen wird. Ich bin traurig, welche Richtung der Segeltörn ohne unser Verschulden genommen hat.

Warten.

Während wir noch Nachrichten tauschen, geht plötzlich alles ganz schnell. Der Flieger schwebt über dem Hafen ein, ich kann ihn von Sissi aus sehen. Ich wechsle noch zwei kurze Nachrichten mit Jens, dann muss er sein Telefon ausschalten. Dafür dauert es wieder ewig, bis ich den Start des Fliegers im Internet beobachten kann. Wir sehen uns im Spätherbst wieder.

Auf dem Weg nach Hause

Hochseilakrobatik im Hafen

Heute hatten wir das Vergnügen, einer seltenen Abwechslung zusehen zu können. Charly wollte seine WLAN-Antenne wieder in die Mastspitze bringen, wo sie hingehört. Deswegen wurde zunächst die Mastleiter installiert. Wir haben es beim Morgenkaffee bemerkt und dachten zunächst, die Show sei schon vorbei. Nach dem Kaffee spaziere ich rüber zu Chapo und sehe, wie Charly sich gerade an den Aufstieg macht. Ute und Jutta sichern unten am Mast. Im Hafen passiert im Augenblick nicht viel, deswegen schaut auch der Nachbar vom Motorboot interessiert zu.

Charly steigt auf.

Charly ist gebürtiger Bayer und die Bayern haben hohe Berge, sind das Klettern und das Arbeiten in einer Seilschaft gewöhnt. Das merkt man sofort. Bayern kennen auch keine Höhenangst. Ich gehe nicht auf den Mast, dafür habe ich Jens. Der klettert in Kletterhallen und ist damit fast so qualifiziert wie ein Bayer.

Mit ruhiger, entspannter und klarer Stimme gibt Charly eindeutige Anweisungen an das Sicherungsteam, während er beim Aufstieg die letzten Handgriffe zur Montage der Mastleiter durchführt. In regelmäßigem Abstand werden Haltegurte um den Mast gelegt, damit die Leiter nicht wegrutschen kann.

Haltegurte

Jutta und Ute führen die Anweisungen von oben zügig aber ohne Hast durch. Die Kommunikation im Team ist eingespielt. Charly kommt schnell bis an die Mastspitze und bringt die WLAN-Antenne innerhalb weniger Minuten an ihren Platz. Dabei arbeitet er sorgfältig, denn ein erneuter Aufstieg in der Hitze wäre anstrengend. Der Zeitpunkt an und für sich ist perfekt gewählt, denn den ganzen Vormittag schon ist es bewölkt, die Sonne brät nicht so wie sonst.

Am Gipfelkreuz. Die Sehnsucht eines jeden Bergsteigers.

Nach wenigen Minuten ist die Montage erledigt. Während ich mich noch mit Jutta unterhalte und wir über die Vorzüge der neuen Mastleiter sprechen, gibt Charly schon von oben die freundliche Anweisung, ihn langsam wieder abzuseilen. So schnell hätte ich die Antenne nicht auf dem Cockpitdach montieren können, geschweige denn in so großer Höhe. Chapeau.

Eine Kleinigkeit vergessen.

Nach dem Rückweg zur Sissi fällt mir bei der Sichtung der Fotos auf, dass wirklich alles gut gelaufen ist. Charly geht rauf, Charly geht runter, die Antenne sitzt an ihrem Platz und abeitet. Nur die Mastleiter kann nicht mehr herunter genommen werden. Trotz aller Sorgfalt und Umsicht ist der oberste Haltegurt am Mast geblieben.

Das freut mich sehr, ich habe die Gelegenheit noch einer zweiten Hochseilshow beiwohnen zu können. Charly möchte nicht den ganzen Kletterspaß für sich alleine haben. Deswegen darf Jutta auch einmal nach oben und Charly sichert gemeinsam mit Ute.

Charly und Ute sichern

Es dauert nur ein paar Minuten, dann erreicht Jutta die Mastspitze. Sie entfernt den letzten Haltegurt, anschließend geht es wieder abwärts.

Es ist schön, wenn nicht immer nur der Alltag stattfindet.

Jutta auf dem Weg nach oben.

Dem kleinen, grünen Iguana ist das alles gleich. Er schaut mich auf meinem zweiten Weg zurück zu Sissi mit seinen Reptilienaugen an und bettelt um ein Foto. Die Sonne hat sich wieder einmal gegen die Wolken durchgesetzt.

Grüner Iguana