Die zweite Woche in der Werft

Die Wettervorhersage ist gut. Schon am Wochenende hat es nur noch wenig geregnet. Als wir morgens zu Sissi kommen, lässt es sich bei bedecktem Himmel und trockenem Wetter gut arbeiten. Das Antifouling ist eine fiese, stinkende Pampe, die erst einmal stundenlang gerührt werden will, bevor man es streichen kann. Eine Dose kostet 250 Florin, wir brauchen zwei Dosen für einen Anstrich und wollen zweimal Streichen. Damit sind wir bei etwa 1000 Florin oder 500 Euro für die schwarze Farbe.

Jens rührt

Nach dem Rühren fangen wir mit dem Streichen an. Einer macht die Backbordseite, der andere Steuerbord. Wir kommen gut voran. Für Montag und Dienstag haben wir uns je einen Anstrich vorgenommen. Das klappt wunderbar.

Paint it black

In meinem Kopf erklingt Musik von den Rolling Stones. I see a red boat and I want to paint it black. Eigentlich wollten wir beim Malern Musik hören, haben die Lautsprecherbox aber bei den Eseln stehengelassen.

Sissi wird schwarz

Nach und nach breitet sich die schwarze Farbe auf dem Rumpf aus. Der neue Anstrich gefällt uns sehr gut. In meinem Hinterkopf habe ich schon genau vor mir, wie Sissi in Zukunft aussehen soll.

Der erste Anstrich ist perfekt.

Jo und Stewart lamentieren, dass die Arbeit an ihrem Boot nur langsam voran geht und dass sie schon seit fast vier Wochen auf dem Trockenen sitzen. Stewart gibt uns immer wieder nützliche Tipps. Außerdem lobt er die Qualität des Anstichs. Das gibt uns Rückenwind. Wir schaffen zwei Anstriche in zwei Tagen.

Der blaue Streifen wird abgeklebt

Das neue Farbkonzept sieht drei Farben vor: Schwarz, Weiß und Rot. Ganz einfach. Ganz Eintracht Frankfurt. Alles was bislang blau gestrichen ist, wird über kurz oder lang rot gemalt. Wir fangen an mit dem Streifen knapp über der Wasserlinie. Die höher liegenden Streifen machen wir später, wir haben nicht genug Farbe. Und die rote Farbe ist leider ausverkauft.

Jetzt mit rotem Streifen

Pünktlich werden wir am Donnerstagnachmittag mit dem letzten roten Anstrich fertig. Nun geben wir der Farbe noch einen Tag zum Trocknen, bevor es am Freitag wieder ins Wasser geht. Überrascht werden Jo und Stewart ebenfalls am Donnerstag. Sie erfahren plötzlich, dass sie noch am selben Tag wieder ins Wasser kommen.

Sissi in neuem Glanz

Wir sind am Freitag an der Reihe. Als Sissi im Wasser ist, fährt Jens den Wagen nach Oranjestad, ich fahre Sissi. Wir hätten es besser umgekehrt gemacht, denn auf dem Weg zurück erwischt mich eine fette Regenwolke. Ich werde nass, mir ist kalt. Es ist auf dem Hinweg wie auf dem Rückweg. Diesmal konnte ich mich aber beim Marinapersonal über den Weg erkundigen. Ich fahre anders und habe nie weniger als sieben Meter unter dem Kiel. Abgesehen von der Kälte fühle ich mich dabei sehr wohl.

Wieder im Wasser

Jamaika hat die Seegrenze wieder geöffnet. Wir haben nur noch eine kleine Todo-Liste die wir abarbeiten wollen. Es sind gar nicht so viele Punkte darauf. Bislang werden es im Augenblick aber immer mehr Punkte. So wird es wohl noch ein paar Tage gehen. Auch Jens klebt schon fleißig Streifen an die Wand.

Todo-Liste

Leben auf der Überholspur (Teil 2)

Neben der Arbeit am Boot haben wir es uns nicht nehmen lassen, das Besichtigungsprogramm für Jens weiter zu führen. Ich könnte in Aruba als Fremdenführer arbeiten, so routiniert bin ich inzwischen. Wir fahren nach San Nicolas, damit Jens die Graffiti an den Wänden sehen kann.

Dieses Bild habe ich mit „Röntgenblick“ betitelt.

Schon im April während des Lockdowns bekam ich eine exklusive Führung durch die bunte Bilderwelt. Inzwischen habe ich viel mehr über die Kunstwerke gelernt. Das obige Bild, das ich mit „Röntgenblick“ betitelt habe, bietet viel mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Betrachtet man es durch einen Blau- oder einen Rotfilter, kommt entweder die Haut oder das Skelett durch. Hier ist eine Animation:

Weiter geht die Fahrt zu Baby Beach, einem meiner Meinung nach vollkommen überbewerteten Strand. Hier tummeln sich die Arubaner massenweise, wir steigen nicht einmal aus dem Auto aus. Weder Jens noch ich sind Typen, die am Strand herumlungern.

Friedhof der Kuscheltiere

Einen kurzen Halt legen wir am Haustierfriedhof ein. Im Süden der Insel befindet sich dieser gleich hinter Baby Beach. Damit sind wir auch durch das komplette Programm durchgekommen. Wir suchen nach dem Golfplatz, auf dem man die Esel Tiger und Woods gefunden hat. Die Beschilderung ist schlecht, wir finden den Golfplatz nicht. Statt dessen finden wir einen Flugplatz für Modellflieger, in dessen geschlossenem Empfangsgebäude sich ein paar Esel aufhalten. Drei Mütter mit ihren Kindern, die kaum älter als Tiger sind. Leider haben wir keine Karotten dabei.

Wilde Esel am Modellflugplatz

Ein paar Tage später mieten wir uns einen Jeep mit Allradantrieb. Damit können wir in den Nationalpark und insbesondere zum Natural Pool Conchi fahren. Über Stein und Stein fahren wir im Schritttempo zum Badespaß. Die See ist rau, also werden wir immer wieder von überkommenden Wellen geduscht. Jens ist von diesem magischen Ort ebenso begeistert wie ich. Leider ist es nicht mehr so ruhig wie im Mai, als keine Touristen auf der Insel und der Nationalpark geschlossen war.

Conchi im Mai

Genau wie im Mai ist diesmal Edward mit dabei, auch für seine Schwester Shelley haben wir noch Platz im Auto. Am Pool treffen wir uns außerdem noch mit Lucas und Marcin, die mit uns die Apartments im Donkey Sanctuary bewohnen. Im Gegensatz zu uns sind sie von der Pferdefarm aus an der Küste entlang gelaufen. Mit ihnen unterwegs ist noch Eric, der ebenfalls bei den Eseln mithilft und alle Park Ranger kennt. So kommen sie um das Eintrittsgeld herum.

Conchi im November

Im Gegensatz zu den Gruppen in geführten Touren haben wir genug Zeit. Wir lassen uns von der Strömung hin und her treiben, von den Wellen bespritzen und genießen die Zeit. Der Himmel ist wolkenverhangen, bestes Wetter um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Jens schnorchelt. Jens filmt unter Wasser. Ich relaxe, unterhalte mich ein wenig mit Eric und dem Park Ranger, der gleichzeitig auch als Rettungsschwimmer arbeitet und das Gepäck der Badenden beaufsichtigt.

Marcin und Jens

Selbst wir können nicht unbegrenzt lange bleiben, denn unser Programm sieht noch den Besuch der Höhlen vor. Es gibt zwei davon im Park Arikok. Während man für den Pool definitiv den Allradantrieb braucht, kann man den Rest des Parks auch ohne sehen. Dementsprechend rechne ich dort eigentlich mit noch mehr Andrang als am Pool und bin überrascht, dass wir bei einer der beiden Höhlen sogar die einzigen Besucher sind.

Fontein Cave – vom Eingang nach Innen fotografiert

Die erste der beiden Höhlen ist die Fontein Cave. Eine langgestreckte Höhle, die am hinteren Ende immer flacher und dunkler wird. Sie ist schön, beeindruckt mich aber nicht besonders.

Fontein Cave – von innen zum Eingang fotografiert

Die Einheimischen bekommen im Nationalpark Rabatt auf den Eintrittspreis. So konnten Edward und Shelley für nur 5 Florin in den Park während Jens und ich jeweils 12 Dollar gezahlt haben, also den vierfachen Preis. Noch während ich das Wechselgeld entgegen nehme, sehe ich zufällig auf einem Bildschirm, wie man sich als Einheimischer ausweisen kann. Mit der Price Smart Mitgliedskarte (habe ich) oder der Arubus Chipkarte (habe ich auch). Ich hätte viel Geld sparen können.

Shelley und Edward

Auf dem Parkplatz der nächsten Höhle, der Quadirikiri Cave, sind wir zunächst alleine. Der Park Ranger vor dem Eingang weist uns darauf hin, dass innen sowohl künstliches Licht als auch Blitzlichtfotografie nicht erlaubt sind. Hier leben Fledermäuse.

Quadirikiri Cave

Schnell stellen wir fest, dass es in der Höhle an Licht nicht mangelt. An verschiedenen Stellen sind Löcher in der Decke. Anscheinend liegt die Höhle nur knapp unter der Erdoberfläche.

Innenbeleuchtung mit Tageslicht

Beiden Höhlen gemeinsam ist, dass sie über einen langen Zeitraum vom Ozean ausgespült worden sind. Damals war der Meeresspiegel noch wesentlich höher. Sie bestehen aus einer Korallenstruktur. Wir gehen von einem großen lichten Raum in den nächsten, der Weg führt uns immer tiefer ins Innere der Insel. Beeindruckend.

Jens, Edward und Shelley in der Quadirikiri Cave

Wir beenden den Besuch des Nationalparks, bringen Edward und Shelley nach Hause und geben den vollkommen übermotorisierten Jeep zurück. Anschließend sind wir ziemlich müde, so eine Besichtigungstour ist immer anstrengend.

Ausblick aus der Höhle

Die erste Woche in der Werft

Am Montagmorgen müssen wir früh aufstehen. Um 9 Uhr haben wir den Termin zum Slippen des Boots. Aus der Seekarte erklärt sich der Weg nach Varadero nicht, sie zeigt dort einfach eine nicht kartografierte Fläche, unter der sich große Steine verbergen sollen. Die anderen schaffen es auch nach Varadero, also probieren wir es und haben fast nie weniger als drei Meter Wassertiefe. Das beruhigt. Weniger beruhigend ist der starke Regen, der plötzlich einsetzt und uns beide komplett durchnässt.

Auf dem Weg nach Varadero

Ein sauberer Tonnenstrich empfängt uns an der direkten Zufahrt zur Marina. Die Angestellte, die uns am Funk betreut, gibt uns genaue Anweisungen wann und wo man in den betonnten Bereich einfährt und betont mehrfach, dass wir auf keinen Fall die Mitte verlassen sollen. Machen wir nicht. Wir bringen Sissi sicher bis zur Slipanlage.

Sissi ist bereit

Als der Regen aufhört erscheinen alsbald ein paar Werftarbeiter, die Sissi zunächst auf den Wagen bugsieren. Wenn es regnet, wird auf Aruba im Allgemeinen nicht gearbeitet, jedenfalls nicht, wenn der Arbeiter dabei nass werden könnte. Sie arbeiten routiniert und achten genau darauf, dass das Schiff gerade angehoben wird.

Sissi wird hochgehoben

Dann setzt sich die Fuhre langsam in Bewegung und mehr und mehr von der Unterseite wird sichtbar. Das Boot sieht besser aus, als man es nach neun Monaten im Hafen vermuten würde.

Wir slippen jeden

Ein großer Teil des Bewuchses kann schon durch den Hochdruckreiniger entfernt werden. Auch die alte Farbe wird zum Teil abgewaschen. Es sieht aus, als würde Sissi bluten.

Reinigung mit Hochdruck

Während Sissi an ihren zukünftigen Parkplatz geschoben wird, sehe ich mit Freude, wer unsere Nachbarn sind – Jo und Stewart von der Patronus. Wir unterhalten uns kurz, sie sind schon seit zwei Wochen hier und warten darauf, dass ihr Anstrich fertig wird. Da beide über 70 Jahre alt sind, machen sie die Arbeit nicht selbst, sondern lassen sie durch die Werft erledigen. Das dauert.

Regenzeit

Es regnet wieder einmal stark, wir warten noch auf das Auto, das uns zum Donkey Sanctuary bringen soll. Dort wohnen wir während der Arbeiten. Mir wird klar, dass wir vollkommen abhängig vom Wetter sind. Wenn es während der Malerarbeiten regnet, landet die Farbe wieder da, wo wir sie nicht haben wollen.

Nach der Ankunft im Donkey Sanctuary teilt Desiree uns mit, dass wir uns das Apartment und das Auto mit Lucas und Marcin teilen müssen. Sie kommen aus Schweden und Polen, sind etwas älter als 20 und arbeiten als Volunteers an verschiedenen Orten der Insel. Ein Programm der EU hat sie nach Aruba gebracht, das europäische Solidaritätskorps. Es gehört zu Erasmus und war mir vollkommen unbekannt.

In den nächsten Tagen fahren wir Marcin und Lucas immer zu ihrem Einsatzort, bevor wir selbst zum Boot fahren. Auf diese Weise haben wir den ganzen Tag das Auto zur Verfügung, es würde sonst nur herumstehen.

Abschleifen des alten Anstrichs

Das Schleifen ist eine Drecksarbeit. Das alte Antifouling ist eine ganz weiche Farbe, die einerseits unglaublich viel giftigen Staub erzeugt, andererseits nach wenigen Minuten die Schleifblätter verklebt. Über den immensen Verbrauch an Schleifscheiben habe ich schon geschrieben.

Nach drei Tagen ist Sissi glatt geschliffen

Wir hatten das Glück, in drei Tagen mit dieser Drecksarbeit fertig zu werden. Nach mehreren Gesprächen mit Stewart entscheiden wir uns dafür, das neue Antifouling ein paar Zentimeter höher zu streichen und aus dem Wasser ragen zu lassen. An dieser Stelle wird es am nötigsten Gebraucht, denn der stärkste Bewuchs ist immer an der Wasserlinie.

Barrier Coat

Dienstag bis Donnerstag waren wir mit dem Schleifen beschäftigt, am Freitag konnten wir dann den ersten Anstrich malen. Der Streifen, der später aus dem Wasser schauen soll, bekommt einen Barrier Coat, eine Schutzschicht. Den Wagen benutzen wir dabei als mobile Arbeitsplattform. Später wird uns das von der Marina untersagt. Ich komme mir sehr arubanisch vor. Am Steuer sitzend und Jens immer mal wieder einen Meter weiter rollend. So sind wir am Freitag sehr früh fertig und können zu unseren Eseln gehen. Wir nehmen uns das Wochenende frei für touristische Zwecke.