Hochgeschwindigkeitseselchen

Tag 9

Ich bin verliebt. Der kleine Esel hat mich echt erwischt. Langsam habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich zu viel Zeit mit Chamito und zu wenig Zeit mit Sissi verbringe. Trotzdem fahre ich wieder ins Donkey Sanctuary. Vorher muss ich noch zu Superfood. Auf Aruba ist ja alles irgendwie dicht beieinander, doch ich habe vergessen zu schauen, ob ein Kreuzfahrer am Terminal liegt oder nicht. Das hat Auswirkungen auf den Straßenverkehr.

Kreuzfahrer Terminal in Oranjestad

Prompt stehe ich in einem dicken Stau auf der Uferstraße. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich brauche eine gefühlte halbe Stunde, um bis zum Kreuzfahrer Terminal zu kommen, weil ständig Menschen die Straße überqueren wollen. An normalen Tagen passiert das auch, dann sind es aber nicht so viele Menschen. Auf dem Weg vom Supermarkt zu den Eseln nehme ich eine Route, die mich außen um das Problem herum führt.

Chamito schläft

Bei meiner Ankunft finde ich Chamito schlafend auf dem Boden. Ich will nicht weiter stören und beginne, mich mit Anneke zu unterhalten. Sie hat das Eselchen immer wieder mit den Videokameras beobachtet und meint, dass er viel mehr trinken würde, als noch vor ein paar Tagen. Später öffnen wir das Tor, das den kleinen Stall von der großen Spielwiese trennt. Wir hoffen, dass Chamito davon Gebrauch macht.

Das Tor ist geöffnet, Chamito ist draußen

Wenige Minuten später läuft er mit seinen manchmal noch sehr unsicher wirkenden Schritten nach draußen. Woods folgt gemächlich. Die beiden gehen erst einmal spazieren, es sieht so aus, als würden sie die Esel am Zaun begrüßen. Es ist ja nicht so, dass Esel nicht neugierig wären.

Neugierig. Es muss genau beobachtet werden, was im Inneren des Geheges passiert.

Während Mutter und Sohn sich also promenieren und sich der versammelten Eselschaft präsentieren, schlägt im Besucherzentrum der Niedlichkeitsalarm an. Ich kann nicht verstehen, warum insbesondere US-Amerikanerinnen immer so laut quieken müssen. Die Europäer sind ebenfalls begeistert, können das jedoch ohne die an kleine Ferkelchen erinnernden Laute mit normalen Worten äußern.

Ich bekomme plötzlich eine Nachricht von Eva aus dem Tierheim. In der Nacht sind mehrere Hunde gestorben. Einigen Aga-Kröten ist es gelungen, in den Hundekäfig einzudringen. Aga-Kröten sind ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn der Mensch glaubt, die Natur kontrollieren zu können. Ich habe den Wikipedia-Artikel verlinkt, er ist sehr empfehlenswert. Wenn die Hunde mit den Kröten spielen wollen, verteidigen sie sich mit einem giftigen Sekret. Zwei Hunde sind in der Tierklinik auf der Intensivstation. Wir wissen nicht, ob sie überleben werden. Leider hat die Kamera in diesem Käfig nichts aufgezeichnet, doch im Nachbarkäfig kann man gut sehen, wie morgens um kurz vor Vier alle Hunde kläffend am Zaun stehen. Hinter dem Tierheim leben in einem unbebauten Bereich hunderte dieser Kröten. Wir versuchen, sie draußen zu halten.

Woods auf dem Boden

Völlig unbeeindruckt legt sich Woods auf den Boden. Sie liebt es, sich auf dem Rücken im Sand zu rollen. Später widmet sie sich im Stall wieder ihrem Heu. Währenddessen macht der kleine Chamito das, was wir erhofft haben. Er tollt herum und hat sichtbar Freude daran. Er ist so niedlich. Unglaublich, was innerhalb von zwei Tagen mit so einem Tier passieren kann. Am Sonntag lag er noch apathisch auf dem Boden. Heute sprüht er vor Lebensfreude und Lust am Spielen. Wieder ein Video, an dem ich mich kaum satt sehen kann.

Tag 10

Heute ist Donnerstag, also kommen die Katzen vor den Eseln dran. Sandy begrüßt mich mit einem “Geschenk”, das sie vor der Tür gefunden hat. Ein niedliches kleines Kätzchen in einem Amstel Bright Bierkarton.

Alleine im Bierkarton ausgesetzt

Das kleine Kätzchen bleibt nicht einmal einen Tag bei uns. Sie wird in einem anderen Shelter untergebracht, weil bei uns wirklich kein Platz mehr ist. Sandy ist leider nicht zu motivieren, den Umgang mit der Videoüberwachung zu trainieren. Am Ende erkläre ich einem anderen Volunteer, wie man die Videos auf dem USB-Stick speichert. Der Typ, der den Karton vor die Tür gestellt hat und Sandy haben sich an diesem Morgen nur um wenige Minuten verpasst. Ich hätte gerne ein Video davon, wenn Sandy einen solchen Menschen vor dem Tierheim trifft. Wenn man ihr einen Baseballschläger geben würde, hätte sie wahrscheinlich keine Gewissensprobleme damit, ihn beherzt niederzuknüppeln.

Inzwischen sieht der kleine Chamito sehr gut aus. Vor ein paar Tagen war ich skeptisch, doch inzwischen denke ich, dass er ein wenig länger leben wird als seine große Schwester.

Heute ist Chamito nicht so aktiv. Außerdem gibt es am Nachmittag einen sehr starker Regenguss. Woods und Chamito werden in ihrem Stall ordentlich nass, denn das Dach hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Es ist schön anzusehen, wie gut er laufen kann. Seine Schwester Tiger ist immer wieder über ihre eigenen Beine gestolpert. Er kann nach zehn Tagen schon besser laufen, als sie es jemals in ihrem Leben konnte.

Tag 11

Ausnahmsweise bin ich heute noch einmal im Tierheim und mache die Katzen. Das Mädchen, das sich sonst freitags um die Katzen kümmert, hat sich beim Kampfsport das Schlüsselbein gebrochen. Sandra, Maila und Samuel kommen mit und helfen mir nach Kräften. Nach der Arbeit haben wir noch genug Zeit, um Katzen und Hundewelpen gründlich zu streicheln.

Kätzchenklumpen am Futternapf

Es ist immer wieder sehr lustig anzusehen, wie es zur Fütterungszeit im Kätzchenbereich zugeht. Während ich die Dose mit dem Katzenfutter öffne, klettern sie alle an den Gitterstäben nach oben. Dabei wird kräftig gemaunzt. Dann nähere ich mich mit dem Futternapf der Tür. Das Getöse wird größer und größer. Ich öffne die Tür und schiebe den Futternapf herein. In diesem Moment lassen sich die Kätzchen alle vom Gitter herunterfallen und springen fast mitten in ihre Nahrung. Gestern hat die kleine Francine (die schwarz/weiße Katze rechts im Bild) bei ihrem Absturz den Futternapf genau getroffen und ihn mir aus der Hand geschlagen. Die armen Kätzchen mussten vom Boden essen. Es war ihnen egal.

Sunchi bei einem ihrer seltenen Spaziergänge

Anschließend fahren wir zum Donkey Sanctuary. Die Kinder sind glücklich, den kleinen Chamito wieder sehen zu können. Ich bin froh, dass wir mit den Katzen früh fertig geworden sind, denn heute können wir nicht lange bleiben. Obwohl sie Urlaub hat kommt Desiree am Nachmittag und übernimmt eine Schicht. Ich schieße ein Foto von Sunchi außerhalb des Besucherzentrums, ein seltener Anblick.

Woods teilt sich die Pellets nur ungern mit dem Hahn, sie lässt ihn aber in Ruhe. Der Pfau wird aktiv weggejagt.

In der Kürze der Zeit ist nicht viel Raum für Fotos oder Filme. Ich freue mich über ein paar gelungene Aufnahmen. Im Video ist zu sehen, wie Chamito eingefangen wird, um seine Kraftnahrung zu bekommen. Es ist unschwer zu sehen, dass er keine Lust darauf hat.

An dieser Stelle beende ich diesen Beitrag. Eingangs habe ich geschrieben, dass ich die Arbeit am Boot vernachlässige. Mein einziger Vorteil von Desirees Nachmittagsschicht ist, dass Sissi in wenigen Stunden wieder etwas aufgeräumter sein wird.