Seekrankheit und Gesundheit

Wir machen Sissi fertig zur Abreise. Die letzten Gegenstände werden verstaut, die Sonnenschutzplane ist verpackt. Wir machen die letzte Fahrt mit dem Dinghi in Bonaire zur Immigration und zum Zoll. Nach einer halben Stunde haben wir ausgecheckt und die Papiere für St. Kitts. Nach den Erfahrungen mit unserer Überfahrt von Aruba nach Bonaire bekommt Eike die erste Reisetablette. Wir tun alles, um einen erneuten Anfall von Seekrankheit zu vermeiden. Doch ich erinnere mich an die Anfangszeit mit Jens, dem auf jeder Reise spätestens nach dem ersten Abendessen übel wurde. Wir hoffen das Beste und ich erwarte das Schlimmste. Doch die ersten Stunden im Wellenschatten von Bonaire gestalten sich angenehm. Wir müssen zwar zunächst den Motor noch mitschieben lassen, mit jeder Meile kommt jedoch etwas mehr Wind und die Drehzahl kann reduziert werden. Irgendwann schalten wir den Lärm ab und genießen das Gleiten durch die ruhige See. Eike fühlt sich prächtig.

Auf dem AIS beobachten wir die Samai. Sie ist ein paar Stunden vor uns abgefahren und sie wollten noch an eine Tauchmooring gehen, um das Boot endgültig seeklar zu machen und dabei noch etwas Freude am Wasser zu haben. Im Laufe der nächsten Stunden können wir sehen, dass wir etwa den gleichen Winkel zum Wind haben, allerdings ein wenig langsamer sind. Alle Stunde vergrößert sich der Abstand um eine Viertelmeile. Wir verlassen den Wellenschatten von Bonaire, die Bewegungen von Sissi werden stärker. Eike fühlt sich sauwohl.

Zum Abendessen treten wir leise. Ich brate uns zwar leckere Steaks und mache einen feinen Kartoffelstampf, dabei belasse ich es allerdings auch. Frisch angebratene Zwiebeln haben in meiner Seglervergangenheit schon oft Übelkeitsanfälle ausgelöst, sie sind ein starker Trigger. Die Schiffsbewegungen sind kein Vergleich zu der letzten Fahrt. Die Bedingungen sind perfekt. Wir genießen unser Essen und müssen dabei nicht einmal dafür sorgen, dass es auch auf dem Teller bleibt. Eike spült ab, setzt sich danach zu mir ins Cockpit und stellt fest, dass er sich pudelwohl fühlt.

Inzwischen habe ich die Hoffnung, dass es ihn diesmal nicht erwischt. Während er sich für seine Nachtschicht schon einmal ausschläft, kümmere ich mich noch um die Feinjustierung der Windfahnensteuerung und kann unseren Kurs um ein paar Grad verbessern. Die wird viel Arbeit werden und sich noch eine Weile hinziehen.

Wachwechsel um drei Uhr morgens. Eike ist quietschfidel, ich koche ihm einen Kaffee und wir setzen uns noch ein paar Minuten ins Cockpit. Ich checke das AIS und unsere Umgebung, dann schalte ich das komplette Schiff aus, alle Lichtquellen sind dunkel. Der bislang schon gigantische Sternenhimmel wird innerhalb der nächsten Minuten zu einer tollen Lichtquelle für unser Boot. Eike ist hin und weg. Noch nie in seinem Leben hat er einen solchen Sternenhimmel gesehen. Der Mond ist immer noch nicht aufgegangen, es ist eine wahre Pracht. Sissi wird wieder illuminiert und ich gehe schlafen.

Schlafen. Was man so Schlafen nennen kann. Ich gehe ins Bett. Was soll da schon passieren, es wacht ein Rookie im Cockpit. Klong, klong, das Großsegel klappt hin und her. Wuuuusch. Die Genua fällt ein. Klang, klang, klang, klang, die Leinen schlagen. Ich spüre, wie Sissi sich aufrichtet und parkt. Wahrscheinlich habe ich den Kurs zum Wind doch zu ambitioniert eingestellt. Zehn Minuten später läuft Sissi wieder, ich kann wieder ins Bett gehen. Eike klickt eine halbe Stunde auf dem Bordcomputer in die Seekarte und findet eine Warnmeldung „Caution“. Es ist eine allgemeine Warnmeldung zur Karibik. Ich erkläre es ihm und gehe wieder ins Bett. Während ich wegdämmere höre ich Stimmen. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen, kann aber Männlein und Weiblein unterscheiden. Ich finde Eike mit seinem Handy im Cockpit, eine Serie schauen. Er versteht mein Problem und nimmt Kopfhörer. Meine Schuld. Ich gehe wieder ins Bett. In den frühen Morgendstunden alarmiert eine der beide
n
verbliebenen Batterien. Eike hört mit dem Kopfhörer den Alarm nicht, den ich dann ausschalte. Das ist okay, ein Neuling muss lernen. Die nächste Nacht wird ruhiger werden.

Meinen Morgendkaffee genieße ich sehr. Eike ist weiterhin munter, keine Spur von Seekrankheit. Gesundheit ist besser als Krankheit. Eine Seereise unter Segeln und angenehmer als unter Motor. Die Wellenhöhe ist teilweise ähnlich, wie auf der Reise nach Bonaire. Das fühlt sich unter Segeln aber viel ruhiger an. Eike erzählt, er habe in der Nacht stundenlang in die Sterne gestarrt. Das kenne ich gut, das mache ich auch immer wieder gerne. Einen solchen Sternenhimmel sieht man nur auf See. Ein paar Minuten sitzen wir noch in der Morgensonne und reden, dann legt sich Eike für ein paar Stunden hin. Wir gleiten durch den Vormittag. Segeln at its best!

1. Etmal: 105 nm
Entfernung nach St. Kitts: 380 nm

Adieu Samai und Bonaire

Wieder einmal trennen sich die Wege. Die Samai verlässt heute Bonaire in Richtung Barbados. Wir fahren heute ab und wollen nach St. Kitts segeln. Die Windvorhersage für die nächsten Tage ist einigermaßen anständig. Es ist schwierig, in Richtung Osten voran zu kommen, weil der Wind immer von dort kommt. Also muss man fahren, wenn wenig Wind weht. Für mich fühlt es sich komisch an, eine Insel so schnell schon wieder zu verlassen. Wir sind doch gerade erst auf Bonaire angekommen und haben uns an die Insel gewöhnt.

Sissi liegt an der Boje in Bonaire.

Heute haben wir Sissi betankt, frische Lebensmittel eingekauft und sind somit startklar. Noch ist es windstill wie auf dem Foto. Morgen müssen wir nur noch ausklarieren, dann geht es los. Wenn dieser Beitrag erscheint, hat sich diese Boje vielleicht schon ein anderes Boot geschnappt. Die Webseite der Regierung von St. Kitts und Nevis, auf der man eine Voranmeldung der Reise machen muss, ärgert mich mit zurückgerufenen SSL-Zertifikaten. Das schafft Vertrauen. Nach viel Fluchen und der Installation eines Browsers, der bei den Zertifikaten nicht so wählerisch ist, kann ich die Seite endlich aufrufen. Es beginnt ein mehrseitiger Fragenmarathon. Ach wie schön war es früher, als man nicht seitenlange Gesundheitsfragebögen („nein“, „nein“, „nein“, „nein“, „nein“ bei den Fragen nach den Symptomen) durchklicken musste. Nur das Feld für die Zahl der gemeinsam reisenden Personen lässt sich nicht ändern, ich kann keine Person hinzufügen. Also alles zurück auf Anfang und noch einmal jede Frage für Eike beantworten. Die Eingangsbestätigung kommt sofort, eine Erlaubnis zur Einreise bekommen wir hoffentlich vor unserer Abfahrt.

Sissi ist fast schon reisefertig. Die Aufnahme entsteht auf dem Weg zum Zoll und zur Immigration.

Liebe Freunde von der Samai, ich wünsche euch eine angenehme Reise und eine hoffe, dass wir uns später im Jahr auf den Azoren wiedersehen werden. Bis bald!

Im wilden Osten

Wir sind auf unserem Roller schon in den Süden geritten. Wir haben das Donkey Sanctuary besucht. Wir waren im Norden der Insel und haben das schöne Gotomeer gesehen. Nur im Osten waren wir noch nicht. Also klettern wir am späten Nachmittag ins Dinghi und fahren zu unserem Roller. Ich will mit dem Roller und Eike auf die Offroad-Piste. Ich bin gespannt, wie sie im Vergleich zu Aruba ist. Auf verschiedenen Aruba-Pisten hätten wir den Roller über so manchen Stein heben müssen.

Straßenkarte von Bonaire

Gleich hinter Kralendijk hört der Asphalt auf der Straße auf. Ab sofort geht es nur noch auf einer Sandpiste weiter. Die Straße ist von Kakteen gesäumt. Hin und wieder kommt uns ein mit Sand beladener LKW entgegen und hüllt uns in eine Staubwolke. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Ganz viele Kakteen am Straßenrand. Kennen wir auch von Aruba.

Wir hopsen und hoppeln wie ein Kaninchen durch die Schlaglöcher. Der kleine Roller ist gar nicht so ungeeignet. Die Piste ist sozusagen „gemäßigt offroad“. Wenn man langsam genug fährt, kann man sie mit jedem Auto befahren. Wenn man schnell mit dem Roller fährt, springt dieser schön durch die Schlaglöcher. Wir überholen ein Auto. Vom Ende der ersten Piste zum Beginn der nächsten ist es nicht weit.

Endlich mehr als nur ein oder zwei Flamingos zu sehen.

Die nächste Piste führt uns an einem flachen See vorbei. Hier finden wir zum ersten Mal eine größere Gruppe Flamingos. Natürlich kommen wir nicht richtig nah dran, sie entfernen sich als Gruppe zügig von den Fahrzeugen auf der Straße. Zwei Autos haben uns zunächst überholt, jetzt holpern sie langsam durch die Schlaglöcher und bleiben plötzlich stehen.

Esel, immer ein Grund anzuhalten.

Drei Esel stehen am Straßenrand und gehen auf die Autofahrer zu. Sie lassen sich aus dem Fenster die Nase streicheln. Die Esel scheinen etwas enttäuscht zu sein, dass es kein Futter gibt, und wenden sich dem folgenden Fahrzeug zu.

Streicheleinheiten aus dem Fenster

Auch hier gibt es keine Karotten, sondern es wird ebenfalls gestreichelt. Irgendwie ärgere ich mich innerlich, dass wir keine Karotten im Gepäck haben. In Bonaire kann man immer auf einen Esel treffen. Andererseits gut, so bleiben die Esel etwas auf Distanz.

Jetzt sind wir an der Reihe. Erwartungsvolle Blicke ruhen auf uns.

Auch wir streicheln die Esel, dann geht es weiter bis ans Ende der Straße. Sie entpuppt sich als Sackgasse. So reiten wir durch Schlaglöcher und Kakteen zurück, die Esel sind inzwischen nicht mehr an der Straße. Das Baby trinkt bei seiner Mutter. Die Sonne sinkt, wir sind hungrig und fahren zurück zu Sissi. Eike ist erstaunt, dass die Fahrt zum Boot nach nur wenigen Minuten beendet ist. Auch Bonaire ist nur eine kleine Insel.

Die Schatten werden länger.