Adieu Islay

Seit ein paar Tagen tobt der Wind. Sicherlich wäre eine Abfahrt möglich, ich habe sie aber noch nicht geplant. Die Zeit auf Islay ist zu schön, als dass ich sie verkürzen wollte.

Wind tobt über die Bucht

Mal wieder gesellen sich zu den starken Windböen noch Regenböen hinzu. Und wie so oft kommen ein paar Segelboote quasi zur Unzeit in den Hafen gefahren. Aber man hilft sich ja gegenseitig, zwei Segler von einem benachbarten Boot und ich stehen auf dem Steg. Ein kleines Boot möchte neben Sissi anlegen. Der Skipper ist alleine unterwegs und kauert sich hinter das Ruder. Sein Manöver fährt er perfekt. Die Nachbarin greift nach der Bugleine, doch die gerät gleich ins Wasser. Ich fische sie wieder heraus und nach wenigen Minuten ist das Boot fest vertäut. Ich finde es lediglich verwunderlich, dass der Mann nicht aufsteht. Die meisten fahren ihre Anlegemanöver im Stehen. Dieses Rätsel löst sich jedoch schnell, denn kaum ist das Boot fest, schon ist der Mann auf dem Steg und rutscht zu seinen Leinen, um diese zu kontrollieren. Er hat keine Beine.

Einhandsegler ohne Beine

Nachdem er sein Boot kontrolliert hat, beginnt er, seinen Rollstuhl zusammen zu bauen. Ich kann nur sagen Chapeau, das ist Segeln von der härtesten Sorte. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es für ihn ist, bei Seegang auf dem Vordeck herum zu rutschen.

Eintracht-Fahne des Celtic Glasgow Fans

Ich muss meine Abfahrt vorbereiten und brauche noch ein paar Vorräte. Da der kleine Supermarkt in Port Ellen nur wenig Auswahl hat, nehme ich den Bus nach Bowmore. Der lässt aber auf sich warten. Irgendwann fällt mir auf, dass heute Samstag ist und der Bus nach Samstagsfahrplan fährt. Also fange ich an, die Strecke entlang zu laufen. So gelingt mir noch das Foto von der Eintracht-Fahne.

Echte Seekarte aus Papier

Für die Planung der kommenden Tour kann ich seit langem wieder einmal eine echte Seekarte benutzen. Es ist planerisch die anspruchsvollste Etappe seit tausenden von Meilen. Um nach Nordosten zu kommen, kann ich entweder linksherum oder rechtsherum um die Insel Jura fahren. Die Entfernungen unterscheiden sich nicht viel. Es hängt alles von der Tideströmung ab. Also muss ich noch den Strömungsatlas hinzu ziehen.

Strömungen fünf Stunden vor Hochwasser in Dover

Der Tidekalender sagt mir, dass es keine gute Idee ist, zwischen Islay und Jura die schmale Durchfahrt zu nehmen. Entweder muss ich mitten in der Nacht losfahren, dann würde ich aber auch mitten in der Nacht am Caledonian Canal ankommen. Oder ich fahre einen Tag früher los und übernachte noch einmal in Oban. Das gefällt mir auch nicht. Die Alternative ist der Sound of Luing. Das ist in dem kleinen schwarzen Kästchen genauer dargestellt.

Sound of Luing

Siehe da, wenn ich genau zur Zeit des Hochwassers in Dover beim Sound of Luing eintreffe, dann wird mich die Strömung schieben und nicht bremsen. Das gefällt mir, ich komme auf eine ab Abfahrtszeit in Port Ellen um etwa 11 Uhr morgens. Meine Lieblingszeit. Es erlaubt mir auch noch einen letzten Besuch im Ardview Inn, dort bleibe ich aber nicht bis zur Glocke. Mein einhand segelnder Nachbar sitzt dort bei einem Bier. Wir unterhalten uns ein paar Stunden über die Freuden des Solosegelns. Weit vor Mitternacht sind wir wieder zurück im Hafen. Wir wollen beide am Folgetag abfahren.

Hochwasser

Wieder neigt sich ein Islay-Aufenthalt dem Ende zu. Und so langsam geht auch meine Reise zu Ende. Doch mit dem Caledonian Canal kommt noch ein echter Höhepunkt auf mich zu. Ich freue mich schon auf die 29 Schleusen.

Die Glocke

Angekommen auf Islay. Ich habe auch schon die Islay-Geschwindigkeit angenommen, die ist langsam. Die meisten Menschen haben hier Zeit, außer sie sind mit dem Auto unterwegs. Das ändert sich irgendwie nie, das ist überall der Fall. Ich fahre mit dem Bus. Der Busfahrplan ist zwar nicht der bestmögliche, er ist aber brauchbar und hat sich über die Jahre nicht geändert. Ohnehin ändert sich hier nicht viel. Doch kann ich Änderungen protokollieren, die sich seit meinem letzten Besuch vor gut drei Jahren ergeben haben.

Port Ellen im Regen

Die erste Änderung betrifft das Wetter. Vor drei Jahren waren Jens und ich mehrere Wochen in Schottland und haben keinen Regen gesehen. Das hat sich geändert, das Wetter ist wieder normal. An jedem Tag gibt es Sonne, Regen, Wind und Windstille. So weit, so schön. Für meinen ersten Ausflug auf der Insel plane ich eine Fahrt nach Bridgend, dort befindet sich die Islay Ales Brauerei. Mit Jens habe ich damals im Tasting-Raum gesessen und die handgebrauten Biere verkostet. Die Brauerei ist jedoch ein Covid-Opfer. Der Ausschank wurde geschlossen, ich muss unverrichteter Dinge wieder zur Bushaltestelle zurück laufen. Zum Glück gibt es dort eine Tankstelle mit angeschlossenem Minimarkt. Dort kann ich das lokale Bier in Flaschen kaufen. Wenigstens etwas, ich kann mir die Wartezeit auf den Bus damit verkürzen.

Islay Busfahrplan. Unverändert seit vielen Jahren.

Mit dem Busfahrplan werde ich nicht warm. Ich verstehe ihn nicht. Laut Fahrplan fährt der Bus von Port Ellen um 12:15 Uhr nach Port Askaig durch. Das stimmt aber nicht, ich muss in Bowmore umsteigen. Solche Ungereimtheiten ziehen sich über den ganzen Tag. Ärgerlich daran ist, dass man die Fahrkarten nicht bis zum Ziel durchlösen kann, sondern stückeln muss. Die gestückelten Fahrkarten sind teurer. Mit dieser Unannehmlichkeit kann und muss ich leben, ein Mietwagen wäre der preisliche Overkill und ist absolut nicht notwendig. Ein Fahrkartenkauf ist wie eine Bestellung an der Whiskybar. Eine Fahrkarte von Port Ellen nach Bowmore, von Ardbeg nach Bruichladdich oder von Laphroaig nach Caol Ila kann erworben werden.

Baustelle. Die neue Destillerie in Port Ellen

An der Zahl der Whiskydestillerien ändert sich in Kürze etwas. Sie wird noch zunehmen. In Port Ellen ist auf dem Gelände der seit vielen Jahren stillgelegten Destille eine Großbaustelle gewachsen, wie ich aus dem vorbeifahrenden Bus sehen kann. Also wird man in vier oder fünf Jahren den ersten frischen Port Ellen Whisky kaufen können. Ich bin gespannt.

Port Ellen bei Windstille.

Am Dienstagmorgen werde ich früh geweckt. Trotz Windstille ruckt Sissi heftig in die Leinen ein. Ich höre das Geräusch von Motorbooten. Menschen rufen laut. Ich krieche aus meiner Koje, werfe den Wasserkocher für den Kaffee an und schaue, was sich draußen so tut. Fuck!!! (Die Verwendung dieses Worts ist im schottischen Englisch praktisch vorgeschrieben.) Ein fucking Kreuzfahrtschiff hat vor Port Ellen seinen fucking Anker geworfen und die fucking Schlauchboote bringen fucking Kreuzfahrer direkt an meinen fucking Pontoon. So in etwa würde man es formulieren, natürlich nicht mit fucking deutschen Worten.

Kreuzfahrer

Sie sind wieder überall. Der Reiseveranstalter hat seine Gäste wenigstens ordentlich farblich gekennzeichnet. So kann man ihnen aus dem Weg gehen. Oder auch nicht. Sie bevölkern den kleinen Ort Port Ellen überall, überall sehe ich die roten Punkte.

Kreuzfahrer bevölkern Port Ellen

Da bleibt für mich eigentlich nur die Flucht. Innerlich fluche ich, denn eigentlich wollte ich heute eine Distillery-Tour unternehmen. Das ist jedoch aussichtslos, denn wenn so viele Kreuzfahrer auf der Insel sind, sind die Touren garantiert alle ausgebucht.

Kreuzfahrer vor Anker

Im Geiste reift der Plan, einfach den Bus nach Port Askaig zu nehmen und mit der Fähre auf die Nachbarinsel Jura überzusetzen. Ich mache mir noch ein paar Brote zum Mitnehmen und spaziere an die Haltestelle. Während ich dort warte, spazieren auch noch ein paar rote Jacken an mir vorbei.

Gut gekennzeichnete Kreuzfahrttouristen

In Port Askaig fällt mein Plan in sich zusammen. Ich habe die Rechnung ohne den Busfahrplan auf Jura gemacht. Der ist noch dünner als der Fahrplan auf Islay. Ich beglückwünsche mich, das wenigstens noch vor der Abfahrt der Fähre überprüft zu haben. So sehe ich dann erst einem Segelboot zu, wie es mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch den Sound of Islay fährt. Der Tidestrom ist an dieser Stelle brutal.

Segelboot vor Port Askaig

Anschließend kommt die Fähre vom Festland an. Der Kapitän hat die Strömung voll im Griff, die Fähre legt in einem eleganten Bogen an. Profis eben.

Fähre erreicht Port Askaig

Es dauert noch eine gute Stunde, bis mein Bus zurück nach Port Ellen fährt. Also nutze ich die Gelegenheit und gehe in das einzige Haus am Platz. Port Askaig besteht aus einem Fähranleger, einer Bushaltestelle, einer Tankstelle (mit Minimarkt) und einem Hotel mit Restaurant und Bar. Dort wärme ich mich bei einem Kaffee auf. Für Whisky ist es noch zu früh am Tag. Zurück in Port Ellen darf ich mich später durch die Kreuzfahrer kämpfen, die den Steg blockieren und mir den Weg zu Sissi schwer machen. Aber sie sind schon dabei, zusammen zu packen. Eine halbe Stunde später ist der Spuk vorbei. Dafür kommt die Sonne raus.

Port Ellen in der Abendsonne.

Es gibt kleine Veränderungen, so hat zum Beispiel das Chinarestaurant Ellens Wok aufgemacht. Dort gibt es das Essen zwar nur zum Mitnehmen, doch sie bieten keine Pommes Frites an. Ein Grund für mich, mir mal das Abendessen nicht selbst zu kochen, sondern mich bekochen zu lassen.

Bruichladdich

Natürlich kann ich Islay nicht besuchen, ohne eine Tour in einer Whiskydestillerie zu buchen. In den meisten Destillerien war ich schon einmal, insofern suche ich mir Bruichladdich aus. Dort hatten sie die lockerste und entspannteste Tour.

Covid lässt grüßen. Neu im Programm ist Händedesinfektion

Im Shop gibt es nicht nur Whisky und die üblichen T-Shirts zu kaufen, sondern seit Covid ist auch Händedesinfektion im Angebot. Wer es braucht… Ich brauche es nicht. Die Tour kostet 10 Pfund, das ist gut investiertes Geld.

hier wird der Whisky destilliert

Im Gegensatz zu den meisten anderen Touren gibt es bei Bruichladdich keinerlei Fotografierverbote. Das freut mich natürlich, genau wie es andere Whiskyfreunde auch freut. Ein Paar aus Skandinavien kommt vor lauter Fotografieren gar nicht mehr dazu, der Führerin und ihren Ausführungen zu lauschen. Dafür stören sie um so mehr durch ihr Gehampel mit den Kameras.

Jedes Motiv aus jeder Perspektive. Dabei wildes Piepen von den Geräten.

Man kann es auch übertreiben. Wenn man ca. 10 Bilder pro Minute macht und dabei noch die Kameras nicht auf lautlos stellt, muss man sich nicht wundern, wenn man irgendwann die anderen Teilnehmer nervt. Zum Glück erzeugt die Whiskyproduktion auch ein ordentliches Quantum Lärm, so dass im Verlauf der Tour nicht mehr so viel von der Elektronik zu hören ist. Am Ende der Tour gibt es noch ein paar Whisky zu verkosten.

Selbst abfüllen kann man seinen Whisky nur hier.

Ich habe noch eineinhalb Stunden Zeit, bis mein Bus zurück nach Port Ellen fährt. Die nutze ich und probiere mich noch durch das aktuelle Angebot durch. Der Port Charlotte zum selbst abfüllen überzeugt mich. Ich fülle mir zwei Flaschen ab, eine wird ein Geschenk für meine Schwester.

Die Glocke. Niemand will sie hören.

Am Abend gibt es dann Live Musik im Islay Hotel. Die Darbietung überzeugt mich jedoch nicht so recht, also spaziere ich wieder zum Ardview Inn. Dort sitzt die Führerin von Bruichladdich an der Theke, gleich neben der Besitzerin des Pub. Wir kommen ins Gespräch, die Zeit fliegt. Irgendwann läutet die Glocke, ein Geräusch das niemand hören möchte. Letzte Runde, gleich wird geschlossen.

Inselhopping im Tiderevier

Ich bin inzwischen über eine Woche auf der Isle of Man. Ein Teil des ursprünglichen Plans war, den guten Wind auszunutzen, dann die Flaute auszusitzen. Eigentlich rechnete ich damit, dass wieder guter Wind kommt, um meine Reise nach Islay fortzusetzen. Denkste.

Klappbrücke über der Hafeneinfahrt von Douglas

Da mein Dieseltank noch voll ist, kann ich einen Tag Motorfahrt problemlos einplanen. Ich werde den Mercedes bemühen, um nach Islay zu kommen. Wind bzw. brauchbarer Wind ist weiterhin nicht in Sicht. Einzig das Wetter soll sich verschlechtern. Wobei verschlechtern vielleicht das falsche Wort ist, denn auf der Isle of Man sind die Landwirte ziemlich mit der Trockenheit beschäftigt. Auch die Feuerwehr muss mehr Waldbrände löschen als üblich, im lokalen Radio wird darüber berichtet.

Segelboot fährt in den Hafen von Douglas ein

Inzwischen bin ich ja im Tiderevier angekommen. Damit gibt es neben dem Wind noch einen weiteren Parameter zu betrachten – oder vielmehr zwei. Einmal ist es die Höhe der Tide, denn zum Beispiel in Douglas kann man nur im Zeitfenster zwischen zwei Stunden vor Hochwasser und zwei Stunden nach Hochwasser in den Hafen einlaufen. Unter der Klappbrücke ist ein sogenanntes „Flapgate“. Das ist eine Sperre, die das Wasser daran hindert, aus dem Hafen heraus zu laufen. Diese Sperre senkt sich bei entsprechendem Wasserstand automatisch ab und gibt den Weg frei.

Rhein bei Köln – äh – Ramsey bei Niedrigwasser

Ohne diese Sperre würde es in Douglas bei Ebbe aussehehen wie derzeit an der Elbe in Dresden, am Rhein in Köln oder in Ramsey bei Niedrigwasser. Wobei man in Ramsey ganz genau planen kann, wann das Wasser wiederkommen wird. Das ist der Unterschied zur Rheinschifffahrt im Jahr 2022.

Hier liegen die kleinen Boote in Ramsey

Ich habe zwei Möglichkeiten, um die Isle of Man herumzufahren. Entweder fahre ich um die Nordspitze, das haben Jens und ich vor drei Jahren gemacht. Damals wurden wir durch verschiedene Strömungen ganz schön durchgeschüttelt. Oder ich fahre um die Südspitze herum, auch hier sind Strömungen in der Karte eingezeichnet. Da der Zeitpunkt der Abfahrt durch das Flapgate festgelegt ist, entscheide ich mich für die Fahrt um die Südspitze. Da kann ich mit ordentlich schiebendem Tidestrom rechnen.

Freitagnachmittag in Douglas

An meinem letzten Abend bekomme ich Live-Musik frei Boot geliefert. Der Pub „The Bridge“ hat Musiker bestellt, die den ganzen Nachmittag spielen. Es bildet sich eine Menschentraube. Ich bleibe an Bord und genieße das Spektakel von dort.

Die Musik ist aus, es wird Nacht

Kurz überlege ich, ob ich nicht schon in der Nacht auslaufen soll. Immerhin ist das Hochwasser etwa um Mitternacht. Diesen Plan verwerfe ich aber sofort. Einerseits hätte ich dann zwei Nächte, die ich durchfahren muss, andererseits ist eine Ankunft in Port Ellen Samstagnacht nicht unbedingt angesagt. Der Hafen ist winzig und viele Schotten machen am Wochenende einen Ausflug auf die Inseln. Ich möchte lieber am Sonntag ankommen, dann kann ich mit einem freien Platz rechnen.

Leuchtturm in Douglas

Am Samstagmorgen besorge ich mir noch den Reiseproviant im nahe gelegenen Supermarkt. Auf dem Rückweg zum Boot gehe ich noch im Hafenmeisterbüro vorbei und bitte um Hilfe beim Ablegen. Kein falscher Stolz, ich lasse mir lieber helfen, als dass ich beim Ablegen noch einmal einen Schaden anrichte. Für meine Abfahrt plane ich die Brückenöffnung um 11:15 Uhr ein, der Hafenmeister verspricht, um 11:05 Uhr bei mir am Boot zu sein. Die Brücke öffnet bei Bedarf nämlich um viertel vor der vollen Stunde und um viertel nach. Am Funk höre ich, dass sich für die erste Brückenöffnung um 10:45 Uhr schon sehr viele Boote angemeldet haben. Ich beglückwünsche mich innerlich zu meiner Entscheidung und melde mich für die zweite Öffnung des Tages an.

Chicken Rock, Leuchtturm an der Südspitze der Isle of Man

Um 11:00 Uhr starte ich den Motor und habe die Leinen klar zum Ablegen. Über Funk bekomme ich mit, dass ein Frachtschiff ablegen wird. Die Hafenkontrolle teilt mit, dass sie die Brückenöffnung früher machen werden. Und tatsächlich geht die Brücke schon um 11:05 Uhr auf. Das passt mir gar nicht in den Kram. Ich schmeiße die Leinen sofort los und bugsiere Sissi aus ihrer Parkposition. Zwischendrin werde ich noch von der Hafenkontrolle gerufen. Das passt mir auch nicht in den Kram, denn natürlich ist der Akku der Handfunke gerade leer, ich muss in den Salon herunter, um der Hafenkontrolle zu antworten. Dabei steht Sissi im Hafenbecken und ich habe wieder Horrorvorstellungen von einer Kollision wie in Cork. Ich bekomme Sissi aber problemlos in Fahrt, die Handfunke hat wieder etwas Energie geladen. So kann ich der Hafenkontrolle antworten, dass ich auf dem Weg bin. Sie halten mich zu maximaler Eile an. Ich presche mit 6,5 kn durch das Hafenbecken. Das weckt bei den anderen Booten Hassgefühle, denn Sissi erzeugt ordentlich Schwell. Doch ich kann die Brücke noch durchfahren, bevor sie wieder geschlossen wird.

Delfine auf der Fahrt nach Islay

Draußen stelle ich die Drehzahl für 4,5 kn Reisegeschwindigkeit ein. Das ist die wirtschaftlichste Geschwindigkeit. Jetzt kann ich entspannen. Schon kurze Zeit später hat mich der schiebende Strom im Griff, der Tacho zeigt 6 kn an. Auf den Tidestrom ist eben Verlass. Am Leuchtturm „Chicken Rock“ ganz im Süden der Isle of Man knackt Sissi die 8 kn. Wäre ich um die Nordspitze gefahren, müsste ich gegen diese Strömung fahren und hätte noch eine sehr unkomfortable Fahrt über Stromschnellen. Bis hierhin habe ich alles richtig gemacht. Zum Abendessen mache ich mir Lammsteak mit asiatischem Gemüse und Reis. Lecker. Während sich die Sonne zum Horizont bewegt und ich mit einem spannendem Buch im Cockpit sitze, höre ich plötzlich die Geräusche von Delfinen. Für eine gute Viertelstunde werde ich von den Delfinen begleitet und es gelingen mir sogar ein paar Schnappschüsse.

Sonnenuntergang in der Irischen See

Später dreht der Tidestrom wieder um. Wenn man weiter als 12 Stunden fährt, hat man unweigerlich den Strom irgendwann in die ungünstige Richtung. Sissi verlangsamt irgendwann auf 2,5 kn, dann auf 2 kn. Wir parken sozusagen vor Belfast. Das ist ein prima Platz zum Parken, denn hier fahren Fähren von England nach Nordirland und wieder zurück. Es ist auch die schmalste Stelle zwischen den beiden Inseln, hier kommen viele Frachtschiffe durch. Das AIS feuert einen Alarm nach dem anderen. Ich wollte sowieso nicht schlafen.

Samstagabend vor Belfast

Ein paar Stunden später dreht der Strom wieder in meine Richtung. Sissi beschleunigt auf fast 8 kn. Und ich bin an der Hauptverkehrsstraße vorbei. Ein paar Stunden lege ich mich aufs Ohr, werde jedoch von meinem Wecker regelmäßig aus dem Schlaf gerissen. Das muss leider so sein, wenn man ohne Crew unterwegs ist. Den Sonnenaufgang verpasse ich, weil er gar nicht so richtig stattfindet. Es kommt Regen.

Islay in Sicht. Und Regen auch.

Die letzten paar Stunden bis Port Ellen ziehen sich ein wenig dahin. Die Tide hat wieder gedreht, doch hier ist zum Glück die Strömung nicht mehr so stark. Ich beobachte die Fähre, wie sie nach Port Ellen hineinfährt. Ich beobachte die Fähre, wie sie Port Ellen wieder verlässt. Das ist schön, ein Problem weniger. Ich begegne den Fähren nicht so gerne, wenn ich dicht vor einem Hafen bin. Dann mache ich Sissi klar zum Anlegen. Fender und Leinen auf beiden Seiten, ich weiß ja nicht, wo ich landen werde. Wenige Minuten später bin ich drin. Ein freundlicher Segler winkt mich zur letzten freien Box. Ich fahre rein und stecke sofort fest, denn das andere Boot in dieser Box hat sein Dinghi draußen hängen. Das ist mal wieder die Müdigkeit, ich habe das Dinghi nicht gesehen. Andererseits ist es auch eine Frechheit, wenn man im engen Hafen das Dinghi draußen liegen hat. Der freundliche Helfer klettert auf das andere Boot und räumt das Dinghi aus dem Weg. Dann liege ich fest. Willkommen auf Islay.

Sissi in Port Ellen. Mal wieder.

Der Hafenmeister begrüßt mich und will mir seinen Hafen erklären. Ich erinnere mich noch an seinen Namen und natürlich erinnere ich mich an den Hafen. Die Wifi-Antenne, die ich beim letzten Besuch noch nicht hatte, bringt das kostenlose Wifi vom Fähranleger an Bord. Der Dinghibesitzer kommt mit seiner Frau vom Einkaufen zurück und blökt mich an, was ich mit seinem Dinghi gemacht habe. Ich habe gar nichts gemacht. Ich frage ihn, ob er beide Liegeplätze bezahlt. Daraufhin hält er seinen Mund. Gerade habe ich mir wieder einen Freund fürs Leben gemacht.

Whiskybar im Ardview Inn

Nach ein paar Stunden Schlaf und einer erfrischenden Dusche im Duschtempel habe ich noch einen Tagesordnungspunkt zu erledigen. Ich besuche den örtlichen Pub mit seiner fantastischen Whiskybar. Ich bekomme die Whiskykarte hingelegt, doch nach einer halben Sekunde Nachdenken bestelle ich mir einen Ardbeg Ten.

Lecker.

Ich habe meinen Eintracht Pulli an Bord gelassen. Mit dem Barmann komme ich über Fußball ins Gespräch. Bei ihm hätte ich mit Eintracht-Klamotten kein Problem. Er ist nämlich Fan von Celtic Glasgow und er erklärt mir gleich einmal, wo ich in Port Ellen den Eintracht-Adler finden kann. Ein anderer Celtic Fan hat sich nach dem Sieg unserer Eintracht eine riesige Flagge bestellt und in seinen Garten gehängt. Mein Nachbar am Tresen arbeitet im Islay Hotel und bewirbt die Live-Musik am Donnerstagabend. Im Hintergrund füttern die Leute die Jukebox und machen Musik. Es fühlt sich gut an, wieder auf Islay zu sein.