Mit Edward, den ich vor ein paar Tagen am California Beach kennengelernt habe, konnte ich mich inzwischen mehrfach treffen. Seine Frau, seine Schwester Shelley und eine seiner Töchter waren inzwischen hier an Bord. Außerdem kenne ich seine Mutter, einen Onkel und eine Tante sowie sein jüngstes Kind, einen sechs Monate alten Sohn. Das geht schnell auf Aruba.
Ich äußerte meinen Wunsch, den Natural Pool im Nationalpark zu sehen. Der Park selbst ist immer noch geschlossen. Jutta hat eine Email an die Parkverwaltung geschickt. Wir hoffen auf eine Antwort.
Edward kennt andere Wege zu dem natürlichen Swimming Pool an der Ostküste der Insel. Er meint, man könne mit dem Auto bis direkt an den Pool fahren. Ich bin gespannt. Seine Schwester ist auch mit von der Partie. Die Anreise gestaltet sich abenteuerlich, ich wäre diesen Weg wahrscheinlich nicht herunter gefahren. Shelley genießt die Fahrt bergab auf der Ladefläche des Fahrzeugs.
Die Anreise mit dem Auto endet auf dem Parkplatz einer Pferdefarm. Dort kann man sich normalerweise Pferde mieten und durch den Park reiten. Vielleicht mache ich das ja auch einmal, keine Ahnung. Als Kind war ich mal auf einem Reiterhof im Urlaub. Das ist sehr lange her. Edward ist entsetzt, wie gründlich die Parkverwaltung die geheimen Zufahrtswege blockiert hat.
Den jetzt notwendigen Fußweg beschreiben meine beiden Führer als leicht begehbar und nur eine halbe Stunde lang. Das ist gut, ich habe sowieso nicht genug Bewegung und schätze schöne Spaziergänge.
Auf den ersten paar hundert Meter müssen wir einen Bergrücken überqueren und landen auf der Rückseite in einer Mondlandschaft, wie es sie auch auf Lanzarote geben könnte. Unterwegs sehen wir noch einige blockierte Zufahrten zum Park und einige neue Zufahrten, die sich in der Entstehung befinden.
Edward zeigt mir unterwegs die Stelle, wo er beim Versuch, ein festgefahrenes Auto abzuschleppen, mit seinem Fahrzeug den Berghang herunter gestürzt ist. Er ist ein Glückspilz, er hat sich bei mehreren schweren Autounfällen niemals schwer verletzt.
Nicht jedes Auto schafft es wieder aus dem Park heraus. Ich kann mir durchaus vorstellen, warum die Zufahrten zum Park blockiert worden sind.
Die Wanderung führt uns weiter über eine Sanddüne von fast einem halben Kilometer Länge. Früher seien sie hier mit ihren Autos gefahren, wird mir erklärt. Sie hätten früher viel Spaß beim Driften im Sand gehabt. Eigentlich ist Edward über die Handlungen der Parkverwaltung empört. Sperrungen aller Zufahrten im Huckepack von Covid-19. Ich habe Freude an unserem Spaziergang.
Dann erreichen wir den Strand. Der große Felsen heißt „Klein Aruba“, weil er von oben gesehen die Silhouette von Aruba hat. Die jungen Leute klettern an einem Seil herauf und springen dann in die Fluten. Leider hat die humorlose Parkverwaltung das Seil auf halber Länge gekappt. Edward ist zornig.
Angekommen am Pool bin ich begeistert. Er ist fast kreisrund und hohe Felsen beschützen ihn vor dem brandenden Atlantik. Wir sind unter uns, es gibt keine weiteren Besucher. Die Arubaner sind genauso fußkrank wie die Deutschen. Wenn man eine halbe Stunde vom Parkplatz aus laufen muss, trennt sich die Spreu vom Weizen.
Ich bin wirklich nicht der Typ, der sich gerne an Badestränden herumtreibt. Hier war ich aber sofort Feuer und Flamme und bin in das klare Wasser gestiegen. Shelley sollte einige Beweisfotos aufnehmen. Sonst glaubt mir niemand aus der Familie, dass ich im Wasser war.
Das Wasser ist gar nicht so schlimm. Mit einer Temperatur von vielleicht 25°C kühlt es mich angenehm in der Mittagssonne. Eigentlich wollte Edward mich schon morgens um 9 Uhr abholen, doch das Auto seiner Frau machte ihm mit einer platten Batterie einen Strich durch die Rechnung. Edward fuhr zunächst seine Frau zu ihrem Termin und zurück, er kam erst gegen Mittag zu Sissi. So hatte ich die Möglichkeit, im Radio den glorreichen und unerwarteten 2:1 Auswärtssieg unserer Eintracht über Wolfsburg anhören. Deswegen erreichten wir den Pool erst gegen 14 Uhr.
Vom Ozean her kommen die größten Wellen immer wieder über die Felskante gespritzt. Das ist beeindruckend. Ich glaube, ich will hier noch einmal hin, wenn der Wind für richtig starke Wellen sorgt. Wir posieren für ein Foto.
Edward ist 31 Jahre alt, also viel jünger als ich. Flausen hat er auch ständig im Kopf. Sie kommt mir aber viel vernünftiger vor. Während ich im Wasser liege und herumgammele, klettert er mal eben hinten auf den Felsen rauf.
Das bleibt vollkommen unbemerkt von mir. Langsam schwimme ich in Richtung Ausgang. So lange war ich schon lange nicht mehr ununterbrochen im Wasser. Das schöne ist, dass man gar nicht richtig schwimmen muss. Für jede Körpergröße gibt es Steine, auf denen man bequem stehen kann. Ich krabbele aus dem Wasser und drehe mich um. Edward hat den Gipfel fast erreicht.
Jetzt ist er oben und jubelt. Man sollte tunlichst nicht an der Stelle sein, wenn wieder eine große Welle über den Felsen kommt. Respekt.
Im Park befindet sich oberhalb von Conchi ein großer Busparkplatz. Die Touristen, die dort abgeladen werden, können den Pool bequem über eine Treppe erreichen. Der Park ist aber geschlossen und es gibt außer uns kaum noch Touristen auf der Insel.
Die Rückfahrt wird zum Abenteuer. Für eine Viertelstunde hatte ich Bedenken, dass wir bis zur nächsten menschlichen Siedlung laufen müssen. Es gibt hier kein Telefonnetz. Edward betreibt Reifenpflege.
Alle Bemühungen nutzen nichts. Wir sind steckengeblieben. Wir kommen aus eigener Kraft nicht diesen Berg hinauf. Edward lässt den Wagen wieder auf den Parkplatz zurück rollen. Wir überlegen uns, wie wir weiter kommen. Wie aus dem Nichts erscheint oben am Hang plötzlich ein nigelnagelneuer, weißer 4×4-Truck und zieht uns aus der Bredouille.
Der Fahrer des Trucks ist bei der Pferdefarm angestellt uns soll dort eigentlich nach den Pferden sehen. Für uns ist es Glück. Edward ist ein Glückspilz.
Unser Retter zieht uns nach oben. Dort zeigt sich, was die Aktion mit dem Hinterreifen gemacht hat. Edward knipst alle frei hängenden Drähte mit einer Kneifzange ab. Der Reifen ist praktisch noch fabrikneu.
Wir fahren zur Abkühlung sofort zu einem weiteren natürlichen Pool. Der befindet sich in der Nähe der alten Goldmine. Dort ist es möglich, bis zum letzten Meter mit dem Auto an den Pool zu fahren. Dementsprechend voll ist es, es stehen noch zwei andere Autos herum.
Meine Sorge vor Überfüllung ist vollkommen unbegründet. Kurz nach unserer Ankunft verschwinden die anderen Badenden und wir haben den schönen Pool für uns alleine. Hier können wir unter einem Felsüberhang schwimmen, auch in der Mittagszeit gibt es hier schönen Schatten.
Zuletzt möchte ich in diesem Beitrag noch Edward und seine Shelley vorstellen. Mit der Zeit werden sicher noch andere Familienmitglieder dazu kommen. Die Familie ist groß. Sie leben alle auf einem großen Grundstück, das ihnen selbst gehört. Dort hat sich jedes Familienmitglied ein kleines Haus mit jeweils riesiger Terrasse hin gebaut. Sie leben alle zusammen und doch hat jeder etwas Eigenes. Das gefällt mir.
Ich möchte auch von dort Fotos veröffentlichen, möchte die Menschen aber vorher fragen, ob sie etwas dagegen haben. Den Kater habe ich nicht um Zustimmung gefragt.