Dieser Beitrag strotzt vor Bildern, die nicht zum Text passen. In den nächsten Tagen werden es noch mehr Bilder werden. So viele Farben, so viele Eindrücke.
Der Wecker klingelt um 5:20 Uhr. Ich stehe leise auf, damit Jens nicht geweckt wird. Er kann mich heute leider nicht begleiten, denn er hat sich den Fuß vertreten und muss ihn schonen. Nach wenigen Minuten sitze ich bei meinem Morgenkaffee und versuche, die Kanne innerhalb einer Stunde zu leeren. Das gelingt mir, während ich mir den Sonnenaufgang ansehe.
Die Fähre ist auf die Minute pünktlich und bringt mich in einer guten halben Stunde bis in die Innenstadt von Santiago de Cuba. Dort habe ich mir viel vorgenommen. Ich möchte frisches Gemüse einkaufen, vielleicht kann ich einen Metzger finden und eine SIM-Karte für das Internet suche ich auch. Die ersten Eindrücke überwältigen mich.
Die Pferdekutschen sind Taxis für den Hafenbereich, wo die Berge nicht so steil sind. Neben den Pferdekutschen gibt es auch noch Pferdekarren für Transporte, etwa hier für Bauschutt.
Da die Geschäfte erst um 9 Uhr öffnen, mache ich einen ausgedehnten Spaziergang. Das tut mir nach den Segeln und den Tagen der Quarantäne sehr gut.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass auf den Straßen in Santiago ausschließlich uralte Autos herumfahren, aber es macht keine Freude einen aktuellen Renault Berlingo oder einen Peugeot 405 zu fotografieren.
Auf meinem Weg zum Bahnhof kommt mir eine Motorradgang entgegen. Jawohl, diese Motorradfahrer sind alle in einer Gruppe unterwegs. Jedes einzelne der Motorräder würde gegen unsere Lärmvorschriften verstoßen, außerdem hupen die Kerle noch wild.
In den Bahnhof selbst kann ich nicht hinein, dafür gelingt es mir aber, den Zug in der Abstellanlage abzulichten. Nur die Lok fehlt, keine Ahnung wo man die abgestellt hat. Endlich mal wieder Schienen vor dem Objektiv.
Santiago ist auf Hügeln gebaut, dementsprechend laufe ich viel bergauf und bergab. Das wäre Gift für Jens‘ Fuß gewesen. Am Montag wollen wir wieder in die Stadt, dann kann ich eine kleine Fremdenführung machen. Die ehemals hübschen Gebäude aus der Kolonialzeit sind heruntergekommen oder sehr heruntergekommen. Dennoch ist das Ambiente stimmig und gefällt mir sehr gut.
Im Gegensatz zu vielen anderen Orten fällt mir positiv auf, dass die Straßen wie sauber geleckt sind. Nirgendwo liegt Abfall auf der Straße herum. Die Maskentragequote liegt übrigens bei ca. 100%, in Kuba muss man nämlich überall in der Öffentlichkeit eine Maske aufsetzen. Bis ich das gelernt hatte, war die Quote etwas niedriger, denn es kam mir nicht in den Sinn, auf der Straße eine Maske zu tragen.
Reste von Straßenbahngleisen finden sich an den unterschiedlichsten Orten. Anscheinend gab es in der Zeit vor der Revolution auch eine Straßenbahn in Santiago. Leider gibt es sie heute nicht mehr, sonst müsste ich mir nicht die Beine krumm laufen.
Ich finde das Verkaufsbüro von ETECSA, dem hiesigen Mobilfunkanbieter. Dort ist eine lange Schlange vor der Tür. Man ruft in die Menge „persona ultima“ und es meldet sich die Person, die aktuell das Ende der Schlange ist. Wenn der nächste potentielle Kunde kommt, wiederholt sich das Spiel. Gegenüber dem Verkaufsbüro ist ein Park, die Warteschlange ist nicht nur auf dem Gehweg, sondern auch im Park auf den Parkbänken.
Als ich nach einer Dreiviertelstunde endlich an die Reihe komme, will mir die Angestellte Internetvouchers verkaufen, wie wir sie auch in der Marina kaufen können. Das lehne ich ab, ich will eine SIM-Karte mit richtigem Datenvolumen. Die verkauft sie mir nicht. Ich kapiere das nicht und verlasse den Laden.
Ich finde den Fischmarkt und bewege mich durch die Verkaufsstände. Noch fast dreieinhalb Stunden bis zu meiner Fähre zurück, so lange will ich den Fisch nicht in der Sonne herumtragen. Dann ist er sicher nicht mehr frisch. Ich nehme mir vor, später wiederzukommen.
Verschiedene Supermärkte glänzen vor allem mit leeren Regalen und langen Schlangen vor der Tür. Die Einheimischen schauen durch das Schaufenster, was es gerade zu kaufen gibt. Wenn es interessant ist, reihen sie sich in die Schlange ein. Ich sehe kein frisches Gemüse, also gibt es für mich keinen Grund anzustehen.
Sehr lange Schlangen gibt es vor allen Bäckereien, außer vor denen, denen das Brot ausgegangen ist. In dieser Hinsicht sind wir gut aufgestellt, denn wir haben unsere eigene Bäckerei an Bord und noch eine Unmenge Mehl, die wir verbacken können.
Positiv ist mir aufgefallen, dass ich als reicher Tourist nicht von den Einheimischen angesprochen werde. Wenn ich einen anspreche und frage, wo es denn zum ETESCA, zu einem Zigarrenladen oder zum Supermarkt geht, bekomme ich eine höfliche Antwort und die entsprechende Wegbeschreibung. Das habe ich auf anderen Inseln ganz anders erlebt.
Leider ist der Fischmarkt bei meinem zweiten Besuch ausverkauft. Ich habe gelernt, dass ich dann einkaufen muss, wenn etwas im Laden ist. Ich darf nicht damit rechnen, dass es die Ware zwei Stunden später noch gibt. Das ist okay, wir können noch wochenlang mit den Vorräten an Bord überleben. Das ist alles noch Zeug, das wir für die Überfahrt nach Australien gebunkert haben.
Den ganzen Tag habe ich auf der Straße keinen einzigen Polizisten gesehen. Dafür fährt auf der Fähre ein Soldat mit. Die Fähre macht einen kleinen Umweg und fährt die Marina direkt an, wo der Soldat aussteigt. Der Kapitän, der Chefdesinfektor, der Maschinist und der Soldat guckten ziemlich dumm aus der Wäsche, als ich ebenfalls aussteigen möchte. Der Sicherheitsmann der Marina gibt die Erlaubnis und ich spare mir den Heimweg.
So viele Eindrücke muss ich erst einmal verarbeiten. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal in einer Großstadt gewesen bin.