Draußen auf dem Ozean zieht weit im Norden eine tropische Störung nach der anderen durch. Manche davon finden ihren Weg sogar in die Tagesschau, wenn sie auf karibischen Inseln oder in den USA Chaos anrichten. Nach Aruba finden sie glücklicherweise ihren Weg nicht, doch sie saugen wie gigantische Staubsauger den Passatwind weg und sorgen hier dafür, dass die üblichen Temperaturen unerträglich werden. Mit fünf Windstärken kann man auch bei 35°C angenehm im Schatten sitzen, bei nur drei Windstärken tropft der Schweiß auf den Boden.
Dafür sehe ich langsam das Ende meine Elektrobaustelle herannahen. Neben der Vorschiffskoje und dem Salon ist jetzt auch das Cockpit neu verkabelt. Anfangs war es noch sehr anstrengend und schweißtreibend, die Leichen der vielen Kabel von den vor Jahren ausgemusterten Instrumenten des Voreigners aus den engen Kanälen zu ziehen. Als ich endlich ein wenig Platz schaffen konnte, war es leicht die neuen Kabel durchzuziehen. Stolz war ich auf den neuen Kabelkanal, der viel ansehnlicher ist als der alte, mit Isolierband umwickelte Kabelstrang. Auch da waren noch einige Leichen drin verpackt. Ich verlege alle Kabel sauber, schließe sie an und prüfe sie auf Funktionsfähigkeit. Nach bestandenen Tests bringe ich die Verkleidung und den Instrumententräger wieder an ihren Platz und verschraube sie.
Dann will ich mich am Ergebnis erfreuen, finde jedoch fünf Minuten später im Salon noch den kleinen externen Lautsprecher, den ich an das Funkgerät anschließen möchte. Der Außenlautsprecher soll es möglich machen, den Funk auch zu verstehen, wenn der Motor läuft. Bislang musste ich immer runter in den Salon, wenn ich dachte, dass Sissi gerufen wird. In Zukunft werde ich wissen, dass Sissi gerufen wurde und kann dann entspannt zum Funkgerät gehen und antworten. Nur liegt dieser blöde Lautsprecher auf dem Salontisch zwischen allem möglichen anderen Installationsmaterial und ist nicht an seinem angedachten Einbauort. Also muss ich noch einmal die ganzen Verkleidungsteile abnehmen und den Lautsprecher an seinen Platz bringen.
Erste Messungen zeigen, dass die Solarzellen auf dem Cockpitdach mit den neuen Kabeln ca. 15% mehr Leistung liefern.
Was ist noch zu tun? Die Stromversorgung des Kühlschranks wird noch erneuert und dann habe ich den Elektrojobs alle erledigt. Fast alle. Ein neues Antennenkabel für die Funkantenne will noch gekauft und verlegt werden. Die Antenne ist noch gut, beim Durchmessen bietet sie einen Kurzschluss für den Gleichstrom des Messgeräts. Das alte Kabel war mehrfach unterbrochen und gelötet, da ist die Sende- und Empfangsqualität hingegangen.
Es ist doch eigentlich gar nicht schwer. Von Montag bis Freitag kann man zwischen 8 Uhr und 11:30 Uhr die nicht mehr gewollten Haustiere abgeben. Die Videoüberwachungskameras bieten auch eine Alarmierungsfunktion. Inzwischen werde ich alarmiert, wenn ein Tier abgeworfen wird. Okay, die Kameras geben Alarm, wenn sich auf dem Parkplatz etwas tut. Die Zahl der Fehlalarme ist überschaubar. Einmal war bin ich hingefahren um zu wissen, was sich in der Box vor der Tür befindet.
Während ich noch überlege und mit Eva telefoniere, was wir mit den Kätzchen machen sollen, kommt plötzlich ein Wagen auf den Parkplatz gefahren. Eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern sitzt darin. Sie steigt aus und geht zu den Kätzchen, sammelt sie ein. Ich frage sie, warum sie die Tiere zuerst ausgesetzt, dann wieder eingesammelt hat. Ihre Mutter hat die Katzenkinder ohne zu fragen bei uns entsorgt. Es ist traurig, die Kätzchensaison hat gerade erst begonnen. Am nächsten Morgen finden wir vier Hundewelpen vor der Tür.
Im Hafen geht alles seinen normalen Gang. Drei deutsche bewohnte Boote liegen am Steg. Neben Sissi und Pamina noch ein deutscher Katamaran. Der Kat liegt so nah an meinem Boot, dass ich sehen kann, was da alles so veranstaltet wird. Die Besitzerfamilie hat das Boot in Aruba erworben und macht es nun langfahrtentauglich. Arbeiter von der Marina gehen jeden Tag ein und aus, das Boot muss perfekt werden. Der Eigner ist ein ehemaliger Lufthansa Pilot. Wenn die alle so sind, werde ich nie wieder in einen Lufthansa-Jet einsteigen. Das wird wahrscheinlich sowieso nicht passieren.
Anfangs fand ich die Leute ja ganz nett. Der Eigner hat noch keinerlei Erfahrung mit Langstreckensegeln und hatte eine Unmenge Fragen an mich. Allerdings hat er sich zu keiner der Fragen meine Antworten anhören wollen bzw. wenn er sie angehört hat, hat er nicht zugehört. Okay, es muss jeder seine eigenen Erfahrungen sammeln. Auch ich habe den Stein der Weisheit noch nicht gefunden, dabei gibt es in Aruba jede Menge Steine.
Er fragte mich am Anfang dieser Woche, ob ich Bescheid sagen würde, wenn ich wieder zum Supermarkt einkaufen fahre. Er würde gerne mitfahren. Am gestrigen Freitag war es dann soweit. Ich sehe ihn den Steg entlang laufen und kündige die Fahrt zum Supermarkt für etwa 16 Uhr an. Das geht bei diesem Menschen nur mündlich, denn der Katamaran ist das einzige Boot, mit dem ich länger im selben Hafen liege und von dem ich nie eine Telefonnummer bekommen habe.
Ziemlich pünktlich stehe ich vor dem Katamaran. Jetzt passt es ihnen gerade nicht, sie haben etwas anderes vor. Sie behandeln mich, als würde ich sie bei wichtigen Tätigkeiten stören. Also gehe ich wieder, schnappe mir Portemonnaie und Autoschlüssel und will losziehen.
Plötzlich steht die ältere Tochter vor meinem Boot und will wissen, ob sie und ihre Mutter doch mitfahren können. Das ist ja kein Problem für mich, es war sowieso geplant. Auf dem Parkplatz treffen wir Rebecca, die Hund Charly gerade ausführt. Die beiden bleiben erst einmal für einen ausführlichen Schnack stehen. Ich komme mir vor, wie der letzte Hanswurst. Ich habe keine Aktien mit dem Hund. Ich muss auch keine Kinder auf meinem Boot unterrichten. Ich will eigentlich nur in den Supermarkt fahren. Eine knappe Viertelstunde später sitzen wir gemeinsam im Auto. Die beiden fangen eine Unterhaltung auf Tschechisch an. Schön, sie sprechen eine Sprache mehr als ich. Das empfinde ich als sehr unhöflich. Ich muss lernen, öfter Nein zu sagen. Der Eigner möchte noch, dass ich ihm seinen Parasailor richte und ihm eine Einweisung gebe. Das geht nicht. Es gibt keinen Katamaran, der groß genug wäre, dass wir beide darauf gleichzeitig fahren könnten.
Am Mittwoch habe ich den ersten Preis beim Music Bingo gewonnen, eine Flasche Rum aus Venezuela. Wie die meisten Gewinner auch habe ich mir von Sanne eine Ladung Gläser kommen lassen und eine Lokalrunde ausgegeben. Es kommt ja nicht auf den Rum an, sondern darauf, dass man einen schönen Abend hatte.
Hi Jörg,
wieder mal schön, wie Du die notwendige Größe von Katamaranen beschreibst… Wir sind ebenfalls schon mehrfach ähnlichen Hasardeuren begegnet, allerdings nicht in Kombi mit dieser Form von Ignoranz. Herrlich. Allerdings- kennt dein Pilot den Link zum Blog? Das wird dann nochmal lustig.
Liebe Grüße und Respekt zu deiner Elektro-Neuinstallation!