Jetzt setze ich meine Geschichte an der Stelle fort, wo ich am Donnerstag aufgehört habe. Fred hat Sissi nach der Probefahrt verlassen und gemeint, dass der Motor jetzt erst einmal abkühlen muss, bevor er wieder an der Einstellschraube drehen kann. Mir fällt ein, dass ich den Watermaker schon ein paar Tage nicht mehr benutzt habe. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar ist das Wasser hier nicht so richtig klar, doch auch das Leitungswasser ist aufgrund seines hohen Chlorgehalts keine Alternative. Vor Chlor im Wasser warnt die Bedienungsanleitung ausdrücklich, da es die Membran zerstört. Also lasse ich das Gerät im Hafen laufen, die Filter muss ich entsprechend öfter wechseln bzw. reinigen.
Also drücke ich den Einschalter und es passiert exakt nichts. Normalerweise quittiert das Gerät den Tastendruck mit einem Piepston, bevor die Hochdruckpumpe mit ihrer Arbeit beginnt. Was ist los? Das auf der Rückseite eingesteckte Kabel ziehe ich erst einmal heraus, mache alle Kontakte sauber und probiere es aus. Nichts. Die Sicherung des Geräts ist einwandfrei in Ordnung. Der Schalter steht in der Position „On“. Aber es passiert nichts. Das ist natürlich super. Jetzt läuft der Motor wieder und wir können kein Wasser machen. Das alles passiert natürlich am Gründonnerstag. Meinen Händler kann ich erst wieder am Dienstag erreichen. Nach eingehender Untersuchung des rückseitigen Steckers fällt mir auf, dass von den vier Leitungen nur drei verbunden sind, die vierte ist abgebrochen. Damit kann ich arbeiten.
Der verwendete Stecker ist sehr schön, ich kann ohne großen Aufwand die Kabel entfernen. Ich schneide ein Stück des mehrere Meter langen Steuerkabels ab, dann werden die Enden neu verzinnt (ich hasse Löten, Lötkolben, den Geruch von Lötzinn) und anschließend wieder in die Klemmen gesteckt. Dann kommt der Stecker wieder in die Steuereinheit und in froher Erwartung drücke ich die On/Off Taste. Es passiert nichts. Kein Piep. Ist die Sicherung eingeschaltet? Ja. Nach kurzer Suche finde ich eine Feinsicherung auf der Platine des Geräts. Die ist durchgebrannt. Natürlich! Ich Esel! Ich habe beim Löten bzw. dem Einstecken der einzelnen Kabel vermutlich einen Kurzschluss verursacht. Mmmpf. Es ist Gründonnerstag, die Geschäfte haben noch etwa zwei Stunden auf. Jetzt habe ich erst einmal ein anderes dringendes Problem, die Eintracht spielt in Barcelona.
Ich starte die Radioübertragung auf hr Inforadio und nach wenigen Sekunden hallt schon mein Torjubel über die Werft. Es steht 1:0 für die Eintracht. Ich stelle das Radio ein wenig lauter, dann kommt es besser gegen die Schleifmaschinen an. Fred kommt wieder an Bord. Er ist von der Radioübertragung fasziniert. Ich höre praktisch keinen Unterschied zwischen der Fankulisse im Waldstadion in der vergangenen Woche und den Frankfurter Fans in Barcelona. Fred bemerkt irgendwann, dass er das Spiel auch ohne Kenntnisse der deutschen Sprache verfolgt. Beim 2:0 erklärt er, dass er nach dem Abpfiff wiederkommt für eine weitere Probefahrt. Ich will diese Probefahrt sofort, vielleicht habe ich auch einen Lauf. Außerdem kann man das Radio einfach noch etwas lauter stellen, dann brüllt der Kommentator gegen den Motorenlärm. Beim 3:0 bin ich ein glücklicher Mensch. Wir sind auf dem Weg zurück zum Liegeplatz. Der Motor dreht jetzt anständig hoch. Was nun noch an Geschwindigkeit fehlt, ist sicherlich dem Bewuchs unter der Wasserlinie geschuldet. Da mache ich mir keine Illusionen. Es steht noch 3:0, als wir Sissi wieder vertäuen. Kurz nach dem Abpfiff verlässt Fred das Boot. Er ist sichtlich zufrieden mit sich. Es war eine lange Zeit.
Am Freitag wache ich gegen Mittag auf. Tolles Spiel. Ich denke darüber nach, jetzt endlich mit den Malerarbeiten loszulegen. Viel mehr passiert ist jedoch nicht, so ein Spiel steckt einem ganz schön in den Knochen. Holger freut sich für mich, dass der Motor wieder läuft. Er fragt mich, ob ich am Samstag nicht Lust habe, mit ihm Essen zu gehen und eine Tour über die Insel zu machen. Natürlich habe ich Lust. Holger hat viel erlebt in seinem Leben und kann gut erzählen. Selbstverständlich habe ich auch genug Seemannsgarn im Gepäck. Ich habe Basse-Terre immer für die spektakulärere Insel gehalten, doch Holger hat mich eines Besseren gelehrt. Natürlich sind die Berge nicht so hoch, dafür aber sind die Löcher viel tiefer. Ein großer Bereich von Grande-Terre liegt unterhalb des Meeresspiegels.
So sitze ich mal wieder im Salon und beginne mit der Vorbereitung dieses Beitrags. Ich sammle die wenigen Fotos ein, die ich habe. Ich mache noch schnell die Bilder vom Watermaker, weil ich sie noch nicht gemacht habe. Plötzlich höre ich von draußen laute Schreie „Sissi, ist jemand an Bord“. Dann sehe ich schon, wie der Hafenmeister an meiner Windfahne hochklettert und an Deck steigt. Er entschuldigt sich dafür, mir wieder einen Nachbarn zu bringen, doch er hätte keine Wahl. Kein anderer Platz ist frei. Diese Nachbarn abzulehnen wäre mir auch sehr schwer gefallen. Noch vor wenigen Tagen stand das Boot in der Werft an Land. Jetzt wird es mit dem Seenotrettungskreuzer reingebracht. Dann wandert eine riesige Wasserpumpe vom Segelboot zurück auf das Rettungsboot. Damit ist klar, dass dieses Boot vor dem Sinken bewahrt werden musste.
Meine neuen Nachbarn haben sicherlich allen Grund frohe Ostern zu feiern. Ich auch. Nur fünf Sekunden Vorglühen, dann etwa 0,3 Sekunden den Anlasser betätigen und sofort grollt es im Keller von Sissi. Der Watermaker hat noch einen Filterwechsel erfahren, welcher mehr als überfällig war. Und ich kann nicht mit dem Streichen anfangen. Trotz intensiver Suche finde ich kein Klebeband zum Abkleben. Wie oft war ich in den letzten Wochen im Baumarkt? Warum habe ich nicht geprüft, ob noch Klebeband an Bord ist. Doch leider ist es das nicht. Am Dienstag machen die Geschäfte wieder auf.