Wie immer nach einer Seepassage schlafe ich mich am nächsten Morgen erst einmal gründlich aus. Nach dem Morgenkaffee mache ich mich an die Arbeit. Diesmal ist wieder eine Reparatur fällig. Die Genua soll bitteschön wieder an ihren Platz.
Zuerst bereite ich die Arbeiten vor. Dazu gehört auch, die Ursache für den Sturz der Genua in die Nordsee zu beseitigen. Das Genuafall ist oben am Mast gerissen und natürlich ist der längere Teil in den Mast gestürzt. Das kann die anderen Fallen blockieren und deswegen muss es raus. Es blockiert auch schon beim Herausziehen, nach fünf Minuten habe ich das Gefummel erledigt. Zum Glück habe ich noch ein Reservefall, das nun zum neuen Genuafall befördert wird.
Bisher habe ich diese Tätigkeit immer zu zweit ausgeführt. Alleine ist es ein wenig nervig. Die Genua zurecht zupfen, dann am Mast mit der Winschkurbel wieder einen Meter hochziehen. Dann wieder vorne die Genua zurecht zupfen. Und wieder an den Mast gehen und sie kommt wieder ein paar Meter höher.
Trotz des bedeckten Himmels komme ich bei der Arbeit ordentlich ins Schwitzen. Dafür habe ich heute aber auch schon einen Programmpunkt eingeplant, auf den ich mich besonders freue. Ich schaue nicht auf die Uhr, doch es dauert mit allen Arbeiten keine halbe Stunde, bis das Segel wieder im alten Glanz erstrahlt. Auf dem Weg nach oben kann ich es auch leicht auf eventuelle Schäden kontrollieren. Ich finde keine Schäden und das ist gut so. Ein Besuch beim Segelmacher hätte mir jetzt noch gefehlt.
Zum Schluss muss ich die Genua nur noch einrollen, das dauert keine Minute. Fertig. Wenn das Reservefall reißt, habe ich zur Not noch das Spifall. Wenn das reißt, muss ich ohne Genua weitersegeln. Um neue Fallen in den Mast einzuziehen, muss jemand an die Mastspitze klettern. Dass ich nicht dieser Jemand bin, habe ich in diesem Blog schon des Öfteren geschrieben. Ich gehe zum Hafenmeisterbüro, denn ich habe ein paar Fragen. Außerdem habe ich meinen Duschbeutel dabei, ich möchte die hiesigen Duschen testen.
Auf dem Weg zum Hafenmeister komme ich an der Luxusschleuse mit Schwimmsteg vorbei. Damit wird Schleusen so einfach, wie längsseits an einem Steg anlegen. Es ist wirklich kein Aufwand. Auch für den Fischer links im Bild gibt es Hilfestellung. An der Schleusenwand sind Drahtseile montiert, an denen man festmachen kann. Dann kann das Boot ganz einfach nach oben fahren, ohne dass die eigenen Festmacher nachjustiert werden müssen.
Der Hafenmeister ist auch der Schleuser in Personalunion. Er hat gerade keine Zeit für mich, denn es haben sich in beide Richtungen schon wieder Boote angemeldet. Also gehe ich erst einmal unter die Dusche.
Ich finde einen Duschtempel, der seinesgleichen sucht. In dieser Qualität habe ich das noch nie gesehen, jedenfalls nicht in den vergangenen drei Jahren. Die Fußbodenheizung in der Dusche der Oban Tavellers Marina war ja nett, auch die großen Kabinen haben gefallen. Die Regenwalddusche in Islay war toll. Doch hier ist alles beisammen, ein komplettes Badezimmer erwartet mich.
Alle Duschkabinen sind komplett mit Waschbecken und Toilette ausgestattet. Für die, die nur auf Toilette müssen, gibt es noch separate Räumlichkeiten, deren Qualität nicht hinter den abgebildeten zurück bleibt. Die Dusche ist absolut sauber. Als ich vor einigen Jahren mit Sissi zum Königstag nach Amsterdam gefahren bin, gab es in der dortigen Marina Badezimmer mit vergleichbarer Ausstattung. Schade, dass ich kein Duschgetränk mitgenommen habe. Das Wasser fließt so lange man will. Die Temperatur ist frei einstellbar, von Eisschrank bis Hummer sind alle Einstellmöglichkeiten da. Herrlich.
Auf dem Weg nach draußen fällt mein Blick auf den Wegweiser zum Family-Bathroom. Ich öffne die Tür und bin begeistert. Allerdings muss ich sagen, dass hier die Qualität einen Tick hinter der Badewanne damals in Amsterdam zurückbleibt. In Amsterdam gab es nämlich ein großes Fenster, durch das man auf die Stadt schauen konnte. Doch wer will bitteschön bei diesen Sanitäranlagen meckern. Ich nehme mir vor, zwei- bis dreimal am Tag zu duschen.
Der Hafenmeister verrät mir dann den Preis, den ich für diesen Luxus zu zahlen habe. Es ist nicht die teuerste Marina, in der ich jemals war. In der Karibik sind die Preise höher und auch in Oban wird mehr aufgerufen . Außerdem gibt er mir noch den Tipp, zu den Öffnungszeiten des Restaurants baden zu gehen. Vorher solle ich mir einen Gin-Tonic holen und diesen dann in der Badewanne genießen. Ich frage nach Supermärkten und Busverbindungen. Es gibt fußläufig erreichbar einen kleinen Supermarkt. Ansonsten gibt es nichts. Für die Busverbindungen muss er eine Kollegin anrufen, denn er kommt immer mit dem Auto zur Arbeit. Ich bringe meine Sachen zurück zu Sissi und mache mich auf den Weg zu einem kleinen Spaziergang. Neben dem Hafenmeister gibt es auch noch Google-Maps, ein zuverlässiger Begleiter bei der Suche von Bushaltestellen und Supermärkten.
Der Supermarkt ist keine 10 Minuten von der Marina entfernt. Er hat eine Gefriertruhe mit Fertiggerichten, ein Regal mit Knabberzeug und ein Regal mit Alkohol. Dazu eine kleine Ecke mit Softdrinks und Hygieneartikeln. Die Lotterie- und Tabaktheke nimmt einen großen Raum ein. Hier werde ich wohl nicht einkaufen gehen. Direkt gegenüber ist eine Bushaltestelle, an der ich wohl nicht abfahren werde. Ich spaziere in Richtung der Metrostation. Dort zeigt mir Google auch einen ALDI an.
In einem Hof sehe ich eine Katze, die gerne eine Taube fangen würde. Als ich sie fotografiere, lenke ich sie von ihrer Tätigkeit ab. Nach etwa drei Kilometern erreiche ich die Metrostation. Natürlich lasse ich mir ein Foto eines abfahrenden Zuges nicht nehmen. Die Metro will in den kommenden Tagen noch inspiziert werden.
Nur wenige hundert Meter von der Metro entfernt ist ALDI. In Deutschland wäre der Satz schön zweideutig, doch die Metro ist hier eindeutig ein Transportmittel. Im Inneren bietet ALDI keine Überraschungen. Davor ist eine Bushaltestelle. In etwa einer Viertelstunde soll von hier ein Bus zur Marina fahren. Der Hafenmeister hat mir geraten, nach einem gemütlichen Spaziergang zum Supermarkt einfach ein Taxi zu nehmen. Das sehe ich aber gar nicht ein. Die Wartezeit vertreibe ich mir mit AIS-Stalking. Die Lycka ist in der Anfahrt auf Newcastle. Der Bus bringt mich zu einer anderen Haltestelle, die keine fünf Minuten von der Marina entfernt ist. Alles im grünen Bereich, in Oranjestad musste ich ein ganzes Stück weiter laufen. Ich schaue noch kurz beim Hafenmeister rein und bitte ihn, die Lycka zu mir an den Steg zu legen.
Die Wiedersehensfreude ist groß. Auf meinem langen Schlag von Peterhead nach Newcastle habe ich sie einfach überholt. Die Lycka fährt immer nur kleine Stücke und tagsüber. Auf diese Weise sehen die beiden zwar viele Marinas, aber auch nicht mehr von der Gegend als ich. Die Lycka wird am nächsten Morgen mit der passenden Tide weiterfahren, ich bleibe noch.
Wieder ein schöner Bericht und wohl leider einer der letzten für diesen Törn.
Für das Einfädeln des Keders gibt es sog. Segeleinfädler. Damit wird die Arbeit Einhand deutlich einfacher.