Clachnaharry

Clachnaharry ist ein Ortsteil von Inverness. Nach diesem Ortsteil ist die Seeschleuse benannt, eine Eisenbahnbrücke ebenfalls und eine weitere Schleuse, die “Arbeiterschleuse”.

Herr Clachnaharry vor seinem Häuschen

Genau wie über den Kanälen in Holland gibt es über den Caledonian Canal Eisenbahnbrücken. Genauer gesagt gibt es deren zwei Stück. Die eine am Neptune’s Staircase ganz im Westen, die andere in Clachnaharry ganz im Osten des Kanals. Und genau wie in Holland haben in Schottland die Züge Vorfahrt vor den Booten. Also richten sich die Betriebszeiten der Brücken nach dem Eisenbahnfahrplan. Da Scotrail lange nicht so einen dichten Fahrplan hat wie die Holländer, ist das jedoch sehr entspannt.

Eisenbahn-Drehbrücke in geschlossenem Zustand

Ich sehe ein Segelboot in Richtung Nordsee fahren. Da ich niemals die Chance haben werde, ein Foto von Sissi bei der Durchfahrt durch die Eisenbahnbrücke oder in der Seeschleuse zu bekommen, beiße ich in den sauren Apfel und mache einen Spaziergang zu den beiden Schleusen mit der Brücke dazwischen. In Holland werden alle Brücken ferngesteuert. In Schottland werden sie nah gesteuert.

Brückenöffnung

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wer in Holland für die Eisenbahnbrücken zuständig ist. Entweder ist es ein Bediensteter der Eisenbahn oder einer von Rijkswaterstaat. Aufgrund des holländischen Pragmatismus tippe ich auf Letzteres. In Schottland ist es definitiv nicht die Kanalverwaltung, die für die Eisenbahnbrücken zuständig ist. Es ist auch nicht Scotrail, denn die sind nur Betreiber der Züge. Die Brücken werden von einem Angestellten des Gleisnetz-Betreibers bedient.

Der Öffner

Die Öffnung der Brücke erfordert einiges an Arbeit. Zunächst muss der Öffner allerlei Verriegelungen lösen, dann geht er an das Steuerpult und schließlich dreht sich die Brücke. Von Anfang bis Ende dauert der Vorgang gut und gerne 10 Minuten. Das Drehen der Brücke selbst ist innerhalb einiger Sekunden erledigt. Auch das Schließen und Verriegeln dauert so lange. Damit ist klar, dass die Brücke nur bei einer größeren Lücke im Fahrplan geöffnet werden kann.

Ein dänisches Segelboot fährt aus

Ist die Brücke einmal offen, bleibt sie auch eine ganze Weile offen stehen. Das kann ich während meines Spaziergangs hautnah erleben. Die Schleusenwärterin, die eben noch das dänische Segelboot durch die Schleuse nach unten gebracht hat, macht sich zu Fuß auf den Weg zur Seeschleuse.

Lokführerperspektive

Ich will ihr folgen, mache aber vorher noch ein Bild aus der Lokführerperspektive. Der rote Punkt auf der Brücke ist nicht für die Segler, sondern für die Lokführer aufgemalt. Er ist ein letztes Warnsignal, bevor der Zug in den Kanal fällt. Eigentlich sollte ein Lokführer dieses Bild niemals sehen, denn das Haltesignal ist ein ordentliches Stück von der Brücke entfernt aufgestellt.

Offene Brücke, in der Mitte der Gleise sind die Stangen, mit denen die Brücke verriegelt wird.

Während die Schleusenwärterin zur Seeschleuse spaziert, überquere ich noch schnell den Kanal und mache das Bild von der offenen Brücke. Dann folge auch ich dem Segelboot, das zwischen den beiden Schleusen parken muss, bis die Seeschleuse bedient wird. Die Schleusenwärterin findet noch Zeit, ein paar Worte mit einen Hundefreund zu wechseln. Das Wort Eile kennt man hier nicht.

Offene Eisenbahnbrücke und geschlossenes Schleusentor dahinter

Ich frage mich, warum das Schleusentor wieder geschlossen wurde. Von See her kommend wird gleich ein Motorboot in den Kanal fahren. Dazu muss die Schleuse geöffnet sein. Da das aber nicht mein Problem ist, folge ich jetzt erst einmal dem Dänen.

Warten auf die Schleusenöffnung

Der wartet immer noch darauf, dass sich die Schleuse für ihn öffnet. Das geschieht dann auch bald. Das ältere Ehepaar an Bord arbeitet routiniert mit den Leinen. Ich frage mich, wo sie hinfahren werden. Der Wind ist derzeit nicht dazu gemacht, nach Deutschland oder Dänemark zu segeln. Vor diesem Problem werde ich auch in wenigen Tagen stehen.

Dänemark ist in der Seeschleuse angekommen

Die Flut steht hoch, es ist nicht viel Höhenunterschied zu überwinden. Die Seeschleuse kann bei Niedrigwasser (+/- 2 Stunden) nicht geöffnet werden. Das stellt wird mich am Montag auch noch vor ein Problem stellen. Hochwasser ist in den frühen Morgenstunden und Niedrigwasser am Mittag. Am Vormittag ist reger Zugverkehr, so dass die Brückenöffnung nicht zu meiner gewünschten Abfahrtszeit möglich sein wird. Und bei auflaufendem Wasser am Nachmittag möchte ich nicht herausfahren, dann würde ich ja gegen die Strömung fahren müssen.

Dänemark ist frei. Jetzt liegen zwischen ihnen und der Heimat nur noch der Gegenwind und die Strömung

Die Dänen fahren aus der Schleuse, gleich darauf fährt ein Motorboot hinein. Denen sehe ich nicht mehr beim Schleusen zu, ich habe genug. Die Seeschleusen bieten selten Gelegenheit für großes Kino. Dafür muss man im Landesinneren zu den Schleusen, an denen die Caley Cruisers unterwegs sind.

Ein Motorboot fährt in die Seeschleuse, die Schleusenwärterin steht zum Empfang bereit.

Auf meinem Weg zurück zur Eisenbahnbrücke begegne ich dem Hundefreund, mit dem vor einer Viertelstunde schon die Schleusenwärterin einen Schwatz hatte.

Hundefreund

Auch wir haben ein kurzes Gespräch. Seine drei großen Hunde liegen derweil müde im Gras. Er erklärt mir, dass die Hunde sehr alt sind. Die beiden Rüden seien 14 Jahre alt und die Dame wäre schon 16. Das ist für die riesigen Tiere ein wahrhaft biblisches Alter. Er wohnt in dem Haus gleich neben der Schleuse und die Hunde schaffen nicht mehr als noch ein paar hundert Meter am Tag.

Ein weiteres Segelboot fährt zur Seeschleuse

Jetzt wird mir klar, warum das Schleusentor wieder geschlossen wurde. Ein weiteres Segelboot kommt in Richtung Seeschleuse gefahren. Es muss ein anderer Schleusenwärter das “Works Lock” besetzt haben. Den Namen hat es von den Arbeitern, die dort beim Kanalbau gewohnt haben. Der Kanal wurde nämlich zuerst von Inverness bis zum Loch Ness gebaut und dieses Teilstück auch zuerst eröffnet. Jetzt muss nur noch das Motorboot durch die Brücke und dann kann der Öffner zum Schließer werden. Ich gehe zurück zu Sissi. Die Brücke war über eine Stunde geöffnet. Undenkbar in Holland, wo es auf den meisten Bahnstrecken mindestens einen Stundentakt gibt, also zwei Züge in der Stunde fahren. Für die Schleusen in Holland werde ich ein anderes Arbeitstempo benötigen.

Ankunft in Inverness

Am nächsten Morgen erfolgt die Schleusung nach unten. Ich funke mit den Schleusenwärtern und mir wird eine Schleusenöffnung für 10:30 Uhr versprochen. Vorher wird noch eine Gruppe von Booten nach oben gebracht. Meinen Vater schicke ich schon um 10 Uhr in die Stadt. Wenn die Schleusenwärter ihn an Bord sehen, werden sie ihn zum Laufen mit den Leinen verdonnern wollen. Er wollte sich sowieso Inverness ansehen und dafür ist es nie zu früh am Tag. Die Schleusen machen pünktlich auf und Schleusenkammer für Schleusenkammer wandert Sissi als einziges Boot nach unten.

Ausfahrt aus der letzten Schleusenkammer, die Drehbrücke öffnet

Zeitgleich zu meiner Ausfahrt aus der letzten Schleusenkammer öffnet sich die Drehbrücke. Hier werden die Boote immer zu allergrößter Eile angehalten, weil der Straßenverkehr auf einer wichtigen Durchgangsstraße blockiert ist. Aus diesem Grund gibt es auch Einschränkungen für den Betrieb der Brücke. So darf diese nicht im Berufsverkehr geöffnet werden. Diese Restriktionen sind auch der Grund, dass wir gestern nicht mehr herunter fahren konnten, rein zeitlich wäre es möglich gewesen.

Die Straße ist gesperrt.Nur für Sissi.

Ich fahre durch die Brücke durch und zu Pontoon 4 der Marina. Dorthin hat mich der Schleusenwärter geschickt. Die Seaport Marina wird von der Kanalgesellschaft betrieben. Eine Übernachtung dort ist im Kanalpreis inbegriffen, weitere Übernachtungen kosten 10 Pfund pro Nacht. Deswegen werde ich hier entweder so lange bleiben, bis sich guter Wind für meine Rückreise einstellt oder meine Kanal-Lizenz abgelaufen ist. Für 10 Pfund bekomme ich keine Marina außerhalb des Kanals.

Kaum ist Sissi festgemacht, klettert mein Vater schon wieder an Bord. Zwei Stunden Stadtrundgang waren genug. Wir verbringen noch einen ruhigen Tag an Bord, morgen muss er wieder abreisen.

Nessie

Ich bin aufgeregt. Heute fahren wir über das Loch Ness. Es ist meine vierte Passage auf dem Loch Ness und bisher habe ich noch kein ordentliches Foto von Nessie machen können. Vorher jedoch müssen wir noch durch die Schleusen herunter. Pünktlich um 8:30 Uhr steht der Schleusenwärter auf den Pontoon und teilt uns unsere Plätze zu. Die Fingal of Caledonia wird als erstes Schiff in die Schleusen gehen. Dann kommt der Cruiser, dessen Fäkalientank nicht ausgepumpt werden muss. Dann die Freyja und dann wir. Ich bin zufrieden mit der Reihenfolge, der Platz ganz hinten in der Schleuse ist der ruhigste.

Schleusen in Fort Augustus

Anschließend geht es raus auf das Loch Ness. Im Gegensatz zum Loch Lochy ist hier der Himmel bedeckt und es gibt Wind. Der allerdings kommt direkt von vorne. Wir könnten nun den ganzen Tag damit verbringen, hin und her zu kreuzen. Dazu habe ich aber keine Lust. Außerdem vermeldet mein Vater den Wunsch, heute schon bis Inverness durchzufahren.

Östlicher Bereich

Im Osten ist der Kanalbetrieb normal. Also stelle ich die Motordrehzahl für eine Geschwindigkeit von fünf Knoten ein, damit sollten wir das Loch Ness in angemessener Zeit durchqueren können. So werden wir Inverness lange vor 17:30 Uhr erreichen, also vor dem Betriebsschluss des Kanals. Immerhin warten noch fünf Schleusen auf uns, eine einzelne Schleuse in Dochgarroch und dann eine Treppe aus vier Schleusen direkt in Inverness.

Frischer Wind und bewölkter Himmel

Das Ruder übernimmt hier natürlich auch wieder der Autopilot. Ich habe jetzt viel Zeit für die Küche und bereite uns ein feines Gulasch zu. Das muss stundenlang kochen und genau so habe ich das für heute geplant. Loch Ness ist über 200 Meter tief, der Tiefenmesser zeigt nur drei Striche, genau wie auf dem großen Ozean.

Urquhart Castle

Als wir an Urquhart Castle vorbei kommen, werden wir von den beiden Deutschen überholt, die inzwischen ihren Fäkalientank ausgepumpt haben. Sie holen alles aus ihrem Cruiser heraus. Dann plötzlich zeigt der Tiefenmesser nicht mehr die drei Striche, sondern nur noch 18 Meter Wassertiefe. Wie kann das sein?

Flaches Wasser auf dem Loch Ness

Ich bin ganz aufgeregt. Es kann doch eigentlich nur einen Grund geben, aus dem der Tiefenmesser eine andere als die echte Wassertiefe anzeigt. Es muss sich etwas unter Sissi befinden, das groß genug ist, ein Echo zu werfen. Kleine Süßwasserfische fallen da nicht ins Gewicht. Also sehe ich mir die Umgebung genau an und siehe da, Nessie schaut aus dem Wasser und nickt uns zu. Ich drücke den Kameraauslöser.

Endlich. Ein Bild von Nessie

Wie lange habe ich darauf gewartet. Ich war mit dem Motorrad am Loch Ness. Ich bin über das Loch gesegelt und motort. Nessie hat sich entweder vor mir versteckt oder ich konnte die Kamera vor Aufregung nicht ruhig halten. Zum ersten Mal gelingt mir eine brauchbare Aufnahme.

Nessie

Jetzt ist der Tag gerettet. Von mir aus können wir auch den Kanal verlassen und gleich nach Holland weiterfahren. Endlich habe ich ein Foto von Nessie. Damit gehöre ich zu einem ganz kleinen Kreis von Fotografen. Der Himmel klart ein wenig auf.

Der Himmel klart auf

Das Loch Ness ist zu Ende und wir sind wieder im Kanal. Das Gulasch ist fertig, zum Abendessen muss ich es nur noch einmal aufwärmen. Wir kommen zum Dochgarroch Lock und ich rufe die Schleuse über Funk. Einmal, zweimal, dreimal. Es erfolgt keine Antwort. Plötzlich öffnen sich die Schleusentore. Beim Festmachen fragt mich die freundliche Schleusenwärterin, ob ich über Funk gerufen habe. Sie hätte es leider nicht gehört, weil sie den Rasen gemäht hat. Ich frage, ob wir noch bis Inverness durchkommen werden und sie bejaht. Nachdem wir abwärts gefahren sind, kommt sie mit der schlechten Nachricht. Sie hätte nicht auf die Uhrzeit geachtet. Leider kommen wir die Schleusentreppe nicht mehr herunter. Am Anlegeplatz vor den Schleusen liegt die fette Lord of the Glens und blockiert alles. Ich probiere es trotzdem, schließlich möchte mein Vater den morgigen Tag mit Sightseeing in Inverness verbringen. Es findet sich zum Glück ein passender Parkplatz, gerade groß genug für Sissi.

Feiner Parkplatz

Nach dem Abendessen machen wir noch einen Spaziergang entlang der Marina und bis zur nächsten Schleuse dahinter. Wir wollen zum Clachnaharry Inn (Aussprache: Klacknaharry).

Clachnaharry Inn

Ich habe an diesen Pub nur positive Erinnerungen. Das Essen ist nicht so schlecht wie üblich und der Biergarten ist direkt an der Eisenbahnstrecke. Dort habe ich schon schön in der Sonne gesessen und die vorbeifahrenden Züge fotografiert. Auch drinnen ist es gemütlich, es ist zu dunkel und zu frisch für den Biergarten. Mein Vater ist kein großer Kneipengänger, doch auch er findet dieses Etablissement ansprechend. Nach zwei Getränken spazieren wir in stockfinsterer Nacht wieder zurück zu Sissi.

Prost im Clachnaharry Inn!