Mário und ich kaufen den Supermarkt leer, man weiß ja nie, wieviel Essen man braucht. Eine Seereise kann auch länger dauern, als ursprünglich geplant. Die Wettervorhersage für die kommende Woche wird sich noch ändern.
Am Donnerstagnachmittag legen wir ab. Trotz unseres vollen Kühlschranks reicht uns Mários Vater noch eine Tüte mit Lebensmitteln an Bord. Wo sollen wir die nur unterbringen? Gegen 17:30 Uhr starten wir den Motor und verlassen Vila do Porto auf Santa Maria. Eine halbe Stunde später können wir Segel setzen.
Irgendetwas sieht komisch aus. Die Leewanten sind extrem locker. Mir ist sofort klar, woran das liegt. In Horta haben wir das neue Achterstag montiert. Wir sind zwar seit dem nicht viel gesegelt, doch die Drähte haben sich jedoch schon gelängt.
Ich suche mir mein Werkzeug zusammen und spanne das Achterstag nach. Dabei möchte der große Engländer unbedingt schwimmen gehen. Ich kann ich nicht davon abhalten, das wichtige Werkzeug liegt wenige Minuten später in mehreren hundert Metern Tiefe.
Doch nun sieht alles prima aus. Abgesehen von… ja, das Übliche. Meine Crew ist seekrank. Mário möchte zur Sicherheit einen Eimer im Cockpit haben. Ich schicke ihn ins Bett. Business as usual.
In der Nacht um 3 Uhr ist wie immer Wachwechsel. Wir fahren mit einigermaßen stark gerefften Segeln, um der Seekrankheit nicht noch Vorschub zu leisten. Wir sind eher langsam unterwegs, segeln nur mit vier Knoten.
Als ich am Morgen aufwache, sind von den vier Knoten noch 2,5 Knoten übrig. Das wird sich einspielen, da bin ich mir sicher. Mário möchte schließlich auch irgendwann ankommen.
Am Mittag stelle ich fest, dass wir in den ersten 18 Stunden lediglich 65 Meilen zurückgelegt haben. Hier ist noch Luft nach oben.
Mário fühlt sich irgendwie erkältet. Ich habe wohl Fieber, kann das mangels Fieberthermometer aber nicht überprüfen. Es fühlt sich so an. In diesen Zeiten denkt man ja immer an den Onkel Covid, doch unsere Tests sind beide negativ. Man wird sich ja noch eine normale Erkältung einfangen dürfen.
Ich liege viel auf der Couch und döse. Am gemeinsamen Abendessen nimmt Mário nicht teil, er bekommt von mir eine fettfreie, geschmacksfreie aber dafür trotzdem einigermaßen gehaltvolle Extrawurst zubereitet (Kartoffeln, Erbsen, Möhren). Ungewürzt. Das Essen bleibt drin.
Während ich meine zweite Nachtwache auf diesem Törn halte, bin ich immer noch irgendwie vergrippt. Immer wieder schlafe ich auf der Couch ein, werde dann unsanft von meinem Wecker aus den Träumen gerissen. Nicht dass wir irgendein Schiff sehen würden. Am ersten Abend hat uns noch ein Kreuzfahrer passiert, seit dem ist Ruhe. Keine Schiffe, keine Wale, keine Delfine. Nur ein paar Möwen, die am Horizont ihre Kreise ziehen.
Nach der zweiten Nacht an Bord sieht Mário wesentlich besser aus. Farbe ist in sein Gesicht zurückgekehrt. Er isst freiwillig, ohne dass ich ihn dazu anhalten muss. Das ist ein gutes Zeichen.
Ich lade eine neue Wettervorhersage runter. Zumindest bis Montag wird der Wind noch recht brauchbar sein. Dann müssen wir sehen, was wir bekommen werden. Es kann sich immer noch zu unseren Gunsten ändern. Bedauerlicherweise auch zu unseren Ungunsten.
Im optimalen Fall sind wir am kommenden Wochenende in Cork, Irland. Wenn es nicht ganz so gut läuft, landen wir in Brest, Frankreich. Wenn es richtig bescheiden wird, müssen wir in den sauren Apfel beißen, und A Coruna in Spanien anlaufen. Da mein nächstes Ziel Schottland ist, wäre A Coruna wirklich nur eine Notlösung.
Wir werden sehen. Ich empfange eine Mail von der Samai. Die haben am ersten Tag 133 Meilen zurückgelegt. Ich bin neidisch, vergrößere die Genua ein wenig und passe unseren Kurs an. Weniger direkt in Richtung Irland, dafür aber schneller. Das passt auch besser zur aktuellen Wettervorhersage.
Wir haben am zweiten Tag lediglich 98 Meilen mehr auf dem Tacho. Dafür aber scheint Mários Seekrankheit besiegt. Ich fühle mich wieder besser, Fieber habe ich nicht mehr. Nach dem holprigen Start kann es ja nur noch besser werden.