Nebel

Seit Tagen haben wir die Sonne nicht mehr gesehen. Natürlich wird es am Morgen hell und am Abend wird es auch wieder dunkel, doch die Sonne versteckt sich hinter der grauen Suppe. Manchmal glaube ich, dass sie mir über den schwarzen Pullover streichelt. Dann wird es mir etwas wärmer. Oft ist es aber auch nur eine Täuschung, denn es wird mir wärmer, wenn ich den Morgenkaffee zu mir nehme. Für die nächsten Tage ist sogar einigermaßen viel Regen vorhergesagt. In Deutschland habe ich die Azoren immer mit schönem Wetter verbunden, denn es herrscht bei uns meist für Wochen Sonnenschein, wenn sich ein Azorenhoch ausgebildet hat.

Nebel über dem Berg

Am Wetter können wir nichts ändern, das ist wie es ist. Über die Konsequenzen habe ich noch gar nicht nachgedacht. Als ehemaliger Nachbar des Frankfurter Flughafens bin ich es gewöhnt, dass Flugzeuge immer landen und starten. Sie starten tagsüber im Sonnenscheinen, in der Nacht bei Dunkelheit. Es kann regnen, stürmen oder schneien, die Flugzeuge brüllen mit ihren Triebwerken über die Stadt. Ich frage bei Mid Atlantic Yacht Services, ob mein Achterstag schon geliefert wurde. Doch ich muss erfahren, dass wegen des Nebels in den letzten beiden Tagen kein Flugzeug in Horta gelandet ist.

Flughafen? Eher ein Flugplatz.

Wir haben das eine oder andere Flugzeug in den tief hängenden Wolken gesehen und uns nichts dabei gedacht. Der Rigger erklärt mir, dass die Flieger bis zu dem Berg hinter dem Hafen mit ihren Instrumenten fliegen können. Dann darf der Pilot entscheiden. Entweder kann er die Landebahn sehen, dann wird er das Flugzeug landen. Oder er sieht die Landebahn nicht, dann landet er woanders. Es gibt also immer wieder neue Gründe, warum sich unsere Weiterreise verzögert. Dass Flugzeuge wegen Nebels nicht landen können ist neu.

Die Samai liegt jetzt neben der Sissi

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Die Samai liegt jetzt neben der Sissi. Nachdem die Schweizer von uns losgemacht haben, kam erst für zwei oder drei Nächte eine deutsche Segeljacht. Als die abgefahren ist, wollte ich unbedingt die Samai an diesem Platz liegen haben. Da weiß ich nämlich, dass wir unsere Ruhe haben. Es ist kein mit Franzosen vollgestopftes Boot, die sich dann auch noch ein Dutzend Freunde zum Abendessen einladen und uns alle über das Deck trampeln. Mit der Samai ist das prima, wir hören meist nicht einmal, wenn sie das Boot verlassen oder wieder nach Hause kommen.

Die Crew der Cassie verewigt sich auf dem Kai

Unsere Freunde von der Cassie machen sich reisefertig. Die beiden Notausstiegsluken des Katamarans sind repariert. Es ist ihnen sehr wichtig, dass sie noch ein schönes Bild für die nachfolgenden Segler hinterlassen. Von den Booten hier in Horta sind etwa ein Drittel deutsche Segler, ein weiteres Drittel kommt aus Frankreich und alle anderen Nationen teilen sich das restliche Drittel. Eine Malerei mit Taiwan gibt es wohl nur einmal, ich kann mich an kein anderes Bild erinnern.

Adieu Cassie und gute Reise!

Neben den vielen weißen Plastikbooten, zu denen Sissi ja ebenfalls zählt, gibt es hier auch ein paar sehr spannende Segler. Notre Dame des Flots ankert ein paar Tage im Hafenbecken, bis ich das Schiff an der Tankstelle aus der Nähe anschauen kann. Normalerweise bin ich ein Freund kurzer und leicht zu buchstabierender Schiffsnamen, doch für diesen Segler ist der lange Name wirklich kein Handicap. Er passt einfach zu ihr.

Notre Dame des Flots
Name passt zum Schiff

Mit der Flagge der Seychellen unterwegs ist die Avontuur. Als das riesengroße Segelschiff in den Hafen kommt, wundern wir uns zunächst und stellen uns die Frage, wo sie denn ankern wird. Das ganze Hafenbecken ist wieder dicht an dicht mit ankernden Segeljachten gefüllt. Statt dessen geht die Avontuur direkt an den Betonkai, der von den Hafenmeistern offensichtlich für sie frei geräumt wurde. Später ziehen sie ein Transparent hoch, welches sie als Frachtsegelschiff bezeichnet. Vielleicht sind sie ja auf Kundenfang. Es könnte sein, dass mit einem solchen Frachtsegler unser Achterstag schneller als mit dem Flieger nach Horta kommt.

Avontuur
Nixe am Bug der Avontuur

Ich will aber nicht meckern. Die räumliche Nähe der Samai zu uns erlaubt es endlich, ein gemeinsames Abendessen einzunehmen. Der Rigger macht mir keine Hoffnung, dass das Achterstag noch kommen wird, also gehe ich zum Supermarkt und besorge ein paar leckere Lebensmittel. Einfach nur eine Lasagne zu backen erscheint mir zu wenig. Ich will Spaß in der Küche. Mindestens drei Gänge will ich servieren, mit dem Gruß aus der Küche werden es dann vier. Mit knusprig aufgebackenem Weißbrot, Terrine Forestière aus Guadeloupe und dazu entsetzlich sauren Gürkchen kann ich unsere Gäste überraschen. Anschließend eine stundenlang gekochte Gemüsesuppe mit Rindfleischeinlage. Der Portugiese an der Fleischtheke wusste genau, welches Fleisch ich für eine gute Suppe brauche – das, das mit dem Knochen kommt. Unsere Bordspezialität Lasagne ist natürlich der Hauptgang und als Nachtisch gibt es Eis mit Schlagsahne. Jedes Mal, wenn ich an Bord Schlagsahne schlage, denke ich über den Kauf eines elektrischen Mixers nach. Bisher hat es aber auch immer so geklappt.

Der Morgen danach

Bis zur späten Stunde sitzen wir zusammen, essen, trinken, unterhalten uns und haben Spaß. Während des Kochens musste ich schon zweimal abspülen, es gibt an Bord einfach nicht genug Platz. Am nächsten Morgen ist immer noch genug Geschirr übrig. Doch lecker war es. Jetzt sind Jens und ich in Kürze zum Grillen eingeladen. Lecker. Wir freuen uns drauf.

Clube Naval da Horta

Der örtliche Segelclub hat auch spannende Boote. Strahlend weiß ist das Großsegel des ungewöhnlich getakelten Fahrzeugs. Die Kinder hier lernen in Optimisten, Piraten und Jollen das Segeln, mindestens zweimal in der Woche ziehen sie ihre Kreise durch das Hafenbecken. Für den segelnden Nachwuchs ist also gesorgt.

Dieses Gemälde erinnert mich an einen vollkommen aus den Fugen geratenen Segelurlaub in Schottland mit dem vollkommen durchgeknallten Skipper Manfred H. aus M. Warum sind wir damals nicht auf diese Idee gekommen?

Und so warten wir darauf, dass sich der Nebel lichtet und die Landung für unser neues Achterstag möglich ist. Der Flieger von heute Mittag aus Lissabon ist jedenfalls nicht in Horta, sondern auf der Nachbarinsel Pico gelandet. Vielleicht kommt das Achterstag ja auch mit der Autofähre. Bis dahin wird der Herd gequält. Hauptsache ist, dass das Essen schmeckt.

Brasserie Restaurant Sissi

Wieder einmal üben wir uns in der Disziplin, in der wir große Erfahrung haben. Warten. Wir warten auf unser neues Achterstag. Natürlich warten wir über die Pfingstfeiertage, dann ist der diesjährige Wäldchestag auf den Azoren auch noch ein Feiertag und der kommende Freitag wird wieder ein Feiertag sein. Drei Feiertage in einer Woche auf den Azoren erscheint sehr viel, doch das ist mehr eine Konzentration von Feiertagen. Außerdem wird von den meisten Menschen normal gearbeitet. Der Supermarkt hat auf, man kann im Bootsbedarfsladen einkaufen und auch die Leute der einzelnen Jachtservice-Firmen sind normal am Arbeiten. Lediglich die Kirchenglocke wird so schnell geläutet, als würde der Glöckner vorher eine große Nase voll Aufputschmittel schnupfen.

Pizzaproduktion

Wir brauchen jedenfalls nicht mehr mit dem Gas sparen, sondern können den Herd wieder einmal komplett zur Essensproduktion nutzen. Auch auf den Pizzateig warten wir über mehrere Stunden – Stunden, nicht Tage. Unsere Schwester hat die Angewohnheit, den Pizzateig so lange im Kühlschrank gehen zu lassen, bis dieser einen Namen bekommen hat. Unseren Teig hat Jens sofort getauft und damit darf er noch am gleichen Tag verarbeitet werden.

Pizza Horta mit Schinken, Pilzen und Broccolispargel

Irgendwo im Fernsehen haben wir neulich vom sogenannten Broccolispargel gehört, den dann im Supermarkt gesehen und gleich einmal gekauft. Er soll angeblich einen feinen Geschmack nach Spargel haben und durfte somit auf unsere Kreation Pizza Horta, doch in meinen Augen ist es Etikettenschwindel. Den Spargel im Namen könnte man sich sparen, das Gemüse schmeckt doch sehr nach Broccoli. Lecker ist die Pizza trotzdem.

Knuspriger, dünner Teig und leckerer Belag in der Pizzeria Sissi

Neben dem, was wir oben in unsere Körper hinein füllen, gibt es noch das andere Ende. Auch dafür muss ich warten, genauer gesagt möchte unsere Bordtoilette eine Wartung. Der Pumphebel ist doch inzwischen arg schwergängig geworden. Das fällt einem über die Zeit gar nicht auf, es fällt erst dann auf, wenn nach der Wartung wieder gepumpt wird.

Wartung der Bordtoilette

Auch Sissi hat schon einige Wochen gewartet, nämlich auf eine gründliche Innenreinigung. Mitten auf dem Atlantik kommt niemand auf die Idee, den Putzlappen großartig zu schwingen. Deswegen ist es im Hafen um so wichtiger, damit wir uns wieder wohlfühlen können. Außerdem schmeckt das leckere Essen viel besser, wenn man es in einer sauberen und appetitlichen Umgebung zu sich nehmen kann.

Innenreinigung. Jens sei das Tragen der Jogginghose verziehen.

Klaus hat mir mit seinen Emails einen Floh ins Ohr gesetzt. Er schreibt immer wieder über Coq-au-vin, also einem Hühnchen in Rotwein gekocht. Ich frage ihn nach seinem Rezept. Das passe ich dann an die im hiesigen Supermarkt verfügbaren Zutaten an. Die wichtigste Zutat, das Hühnchen, bekommen wir sogar in exzellenter Qualität von den Azoren.

Produktion des Coq-au-vin

Ich wäre so gar nicht auf die Idee gekommen, das Huhn vorher zu braten, doch eigentlich ist die Idee total einfach. Zuerst das Huhn schön anbraten, dann im übriggebliebenen Fett das Gemüse braten und das alles anschließend in den Topf werfen, mit dem Wein übergießen und ewig lange schmoren. Dann müssen wir wieder warten. Warten auf das Essen.

Das Huhn schwimmt im Wein
Rotwein aus Portugal in ausreichender Menge. Das Huhn soll ja schließlich schwimmen können.
Pilze vor dem Braten
Geschrumpfte Pilze nach dem Braten.

Während das Huhn im Rotwein schwimmen lernt, brate ich die Pilze an. Das konzentriert den Pilzgeschmack. Außerdem soll ich die Pilze laut Rezept erst kurz vor Schluss, nach dem Abschmecken der Sauce hinzugeben. So hat es Klaus geschrieben. Das ergibt Sinn, sonst kann sich der feine Pilzgeschmack nicht gegen den Rotwein behaupten. Danke für das Rezept. Wenn genug Rotwein übrig ist, ist er zum Hühnchen der pure Genuss.

Coq-au-vin mit Rotwein

Überall um uns herum wird an den Booten gearbeitet. Der direkte Nachbar wartet auf sein Vorstag. Der Nachbar hinter unserem Heck hat auf dem Ozean ebenfalls Teile des Vorstags verloren. Der Nachbar auf der anderen Seite braucht für seinen Motor einen neuen Anlasser. Der Nachbar daneben dichtet gerade die Notausstiegsluken wieder ab.

Überall wird gearbeitet

Ich glaube inzwischen, dass Segelboote für alles geeignet sind, nur nicht zum Segeln. Schätzungsweise 95% der Boote, die in Horta ankommen, haben mehr oder minder große Schäden, die vor der Weiterfahrt behoben werden müssen. Es gibt den Bootsbauer, der sich immer wieder vor den Kunden verstecken muss, weil sie ihm mehr Aufträge nachwerfen, als er bearbeiten kann. Der Rigger ist beinahe rund um die Uhr im Einsatz, er und seine Angestellten haben Kunden ohne Ende. Meinem Nachbarn habe ich mit ein paar Elektronikproblemen geholfen, jetzt kommen plötzlich Segler von anderen Booten und fragen um Hilfe. Das müsste man doch monetarisieren können…

Blümchen auf dem Weg zum Supermarkt

Eigentlich bin ich ja ein IT-Fuzzi, Softwareentwicker und Datenbankspezialist. Doch hier in dieser Umgebung und mit den Möglichkeiten, die sich hier bieten, wächst mehr und mehr der Gedanke, dass ich auch anderweitig arbeiten könnte. Ich unterhalte mich mit dem Bootsbauer, einem Deutschen. Der sagt, dass die Saison hier ein halbes Jahr dauert und dass es für die ganze Elektronik, die man heutzutage auf den Booten verbaut, in Horta keine Reparaturfirma gibt. Azoren ist Portugal. Portugal ist EU. Das eröffnet im Gegensatz zu Aruba durchaus Möglichkeiten. Als ich in Aruba so manche Jacht elektronisch wieder flott bekommen habe, war das immer Schwarzarbeit – bar auf die Hand. Hier könnte ich das sogar legal… Jetzt gehe ich aber erst einmal zum Supermarkt und hole die Zutaten für eine Lasagne.

Lasagneproduktion in der Trattoria Sissi
Nur Aufnahmen des Endprodukts fehlen

Diese Lasagne soll eine ganz besondere werden, den in der kommenden Nacht erwarten wir die Samai. Die sind aus Französisch Guyana in nur drei Wochen zu den Azoren gefahren und damit fast eine Woche schneller auf 3000 Meilen als Sissi. Natürlich bekommt die Samai zunächst auch keinen Hafenplatz. Deswegen fällt die gemeinsame Lasagne vorerst aus, doch die für Jens und mich zubereitete Pasta, auf die wir auch sehr lange warten müssen, während sie im Ofen ist, schmeckt uns auch zu zweit.

Warten auf den Platz an der Hafenmauer

So ist die Samai endlich hier und doch noch nicht angekommen. Ihr Dinghi ist leider verstorben, ich habe ihnen mein Mini-Dinghi geliehen. Damit kann die vierköpfige Familie aber leider nicht an Land gehen. Wir hoffen alle, dass die Wartezeit bald ein Ende hat.

Es ist weg

Wir haben es geschafft. Endlich liegen wir an der Mauer, wenn auch nur indirekt. Hier werden die Boote auf Anweisung des Hafenmeisters in Dreierreihe geparkt. Wir haben Glück und sind das mittlere Boot in der Reihe. Außen liegt ein Regattaboot mit Schweizer Flagge, das jedoch von amerikanischen Schweizern bewohnt wird. Das Boot wiegt nur vier Tonnen. Eigentlich hätten wir da ganz draußen dran gehen sollen, doch die alte Dame Sissi mit ihren 12 Tonnen ist etwas schwer für den Schweizer. Innen an der Mauer liegt ein Franzose, der sich unterwegs auch so einige Schäden am Boot eingefangen hat.

Die Mastleiter ist oben, das Achterstag unten.

Noch am selben Tag schläft der Wind ein. Das ist für uns die ideale Gelegenheit, die Mastleiter nach oben zu ziehen. Dank genauer Planung der einzelnen Arbeitsschritte muss Jens auch nur einmal an die Mastspitze klettern. Er hat die nötigen Werkzeuge dabei, wir können nach nur zwei Stunden das Achterstag an Bord zusammenrollen. Dann gehe ich zum Yacht Service und der Rigger nimmt mich sogar im Auto mit zu Sissi, um die gebrauchten Drahtseile abzuholen. Ich drücke ihm außerdem noch unsere leere Gasflasche in die Hand, denn sein Geschäft bietet auch den Wiederbefüll-Service an. Ich soll am nächsten Tag für eine Anzahlung vorbei kommen, doch als ich die Flasche abhole, ist leider noch kein Preis aus Portugal auf den Azoren angekommen.

Wandmalereien im Hafen

Überall im Hafen stoßen wir auf bemalte Wände. Der Mensch scheint das Bedürfnis zu haben, sich zu verewigen. Das betrifft offenbar insbesondere die Segler, die es über den weiten Ozean nach Horta geschafft haben.

Bodenmalereien auf dem Steg

Mehrere hundert wenn nicht gar tausend Bilder schmücken jede freie Stelle Beton. Mit einer Ausnahme. Es hat sich noch niemand getraut, die weißen Wände des Hafenmeistergebäudes anzumalen. Dabei ist dort der Untergrund schon vorbereitet. Ansonsten findet man die Bilder überall.

Hier wird gemalt.

Eigentlich hatte Jens vor, uns auch irgendwo ein Denkmal zu malen. Ich fand den Gedanken auch lustig. Wir machen aber nicht das, was alle machen, deswegen lassen wir es einfach sein. Wir werden Horta spurlos verlassen, die Erinnerung in unseren Köpfen wird bleiben.

Deutsches Boot mit Motorschaden wird hineingeschleppt

Wir haben auch kein Monopol auf Schäden am Boot. Dieser deutsche Segler wird vom Hafenmeister an die Kaimauer geschleppt, er hat offensichtlich einen Motorschaden. Ich wünsche ihm von Herzen, dass es für ihn nicht so lange dauert wie für mich in Guadeloupe.

C’est la vie mit frisch erneuertem Ruder

In der Trockenmarina finde ich die „C’est la vie“. Noch am Tag, an dem wir an die Mauer durften, sind mir ein paar Französinnen begegnet, die ich aus Guadeloupe kenne. Sie reisen mit der „C’est la vie“ und lagen in Pointe-à-Pitre für ein paar Tage längsseits an Sissi. Ins Auge sticht das frisch erneuerte Ruder. Das ist sowas wie der Supergau auf einem Boot, wenn das Ruder einen Schaden hat. Wenn ich die Französinnen noch einmal sehe, werde ich sie fragen, was ihnen zugestoßen ist.

An der Supermarktkasse

An der Supermarktkasse wird meine Geduld auf die Probe gestellt. Mit voller Absicht habe ich mich hinter der Segelcrew angestellt. Die kaufen zwar viel ein, müssen aber nur einmal bezahlen. Das ist besser, als in der Schlange hinter fünf Portugiesen zu warten, die zwar jeder nur wenig einkaufen, dafür aber jeder einzeln zahlen müssen. Das Zahlen dauert oft sehr lange. Gestern ist der Kunde, der vor mir kassiert wurde, erst einmal zum Geldautomaten gelaufen, hat dort Bargeld gezogen und dann an der Kasse gezahlt. Warum er den Einkauf nicht mit der Karte zahlen wollte, erschließt sich mir nicht. Vielleicht zahlt er aus Prinzip immer nur mit Bargeld. Die Kassiererin hat es gefreut, sie bekam eine bezahlte Pause. Die vier Franzosen vor mir treiben den Bezahlvorgang allerdings auf die Spitze. Sie erklären der Kassiererin, dass jeder von ihnen jeweils ein Viertel des Einkaufs zahlen möchte. Nun muss erst einmal die Chefin kommen, die Kasse entsprechend programmieren und dann tritt jedes Crewmitglied einzeln an, schiebt die Karte ins Lesegerät und zahlt sein Viertel. Toll.

Salamander

Dann ist da noch die Salamander. Der Besitzer ist wohl ein ARC-Teilnehmer aus vollster Überzeugung. Er hat es offenbar nötig, betreutes Segeln über den Atlantik zu machen. ARC-Flaggen aus den vergangenen fünf Jahren schmücken sein Boot. Dass er zu viel Geld hat und dass er jedes Jahr zweimal über den Atlantik fährt, kann er auf diese Weise an jedermann kommunizieren.

Ich weiß, dass es auch viele nette Menschen gibt, die an der ARC teilnehmen oder teilgenommen haben. Zum Beispiel meine Freunde von der Milena Bonatti, mit denen ich zusammen vor drei Jahren meinen 49. Geburtstag in Spanien gefeiert habe. Die sind eher aus Unsicherheit mitgefahren, nicht weil sie unbedingt das Geld ausgeben wollten. Nach zwei Atlantiküberquerungen sollte man als Segler aber so weit sein, dass man das auch alleine schafft. Das ist meine Meinung, dazu stehe ich, auch wenn ich die zweite Querung noch nicht abgeschlossen habe.