Geiz ist geil! Elektronische Katastrophen und ein Lauf

An Bord mangelt es uns nicht an kommunikativen Gadgets. Wir haben immerhin drei Android-Telefone und zwei Tablets im Gepäck. Auf all diesen Geräten ist die Software für IridiumGo! installiert. Ich persönlich nutze ein Google Pixel 4a. Das Gerät erfreut mich mit einem unverbastelten Android und es kommt ohne Software, die man nicht will. Aus dem Playstore habe ich die Iridium-Software installiert. Die Konfiguration ist kein Problem, das gehört für einen Softwareentwickler zum kleinen Einmaleins. Schon in Aruba habe ich das Gerät getestet und mir eine E-Mail nach Hause geschickt. Alles gut. Viel mehr wollte ich nicht testen, die Datenflatrate war nicht aktiv und zeitgetaktete Verbindungen sind über Satellit sehr teuer. Da war ich geizig.

Im Übrigen lief in der Vergangenheit auf der ganzen Reise die Iridium-Kommunikation über ein damals auf dem Hinweg in Portugal erworbenes Huawei-Tablet. Das allerdings hatte sich in den letzten Monaten des Jahres 2021 so sehr aufgebläht, dass ich ihm die Rückreise nicht mehr zugetraut habe. Mein Neffe Eike brachte ein neues Tablet mit, ebenfalls ein Huawei. Das erwies sich als Totalausfall. Damit kann man nicht einmal auf den Playstore zugreifen. Die installierte Version der Iridium-Software ist uralt und funktioniert gar nicht. Die ausgehenden Mails landen nicht im Spool-Ordner. Das kommt von den Sanktionen gegen China und bringt die Weltpolitik auf die Sissi. Die Reise nach Guadeloupe haben wir noch über das alte Tablet abgewickelt, die Dinger sind in Aruba sehr teuer. Da war ich geizig. Außerdem habe ich ja noch das Telefon als Rückfallebene.

In Guadeloupe kosten die Geräte kaum mehr als in Deutschland. Ich erwerbe ein Samsung-Tablet. So will ich ganz sicher gehen, denn die Dinger sind wirklich weit verbreitet. Ich installiere die Software, teste sie kurz und dann spiele ich mit Eike wieder Schach. Es sieht alles gut aus. Eike fliegt nach Hause, ich streiche das Cockpit. Nebenbei mache ich noch Probefahrten und habe mit den Kleinigkeiten viel zu tun. Irgendwann ist die Datenflat wieder aktiv. Ich kümmere mich nun um die Kommunikation und muss feststellen, dass die aktuelle Version aus dem Playstore auch die ausgehenden Mails nicht in den Spool-Ordner bekommt. Die Kommunikation mit dem Telefonprovider läuft aufgrund des Zeitunterschieds zäh. Hätte ich das Gerät mal gleich nach dem Kauf gründlich getestet. Da war ich geizig. Außerdem habe ich ja noch das Telefon als Rückfallebene.

Auf dem kleinen Samsung-Telefon, in dem immer die Aruba-Simkarte steckte, ist die Software. nicht installiert. Warum auch? Ich habe ja mein eigenes Telefon. Da war ich faul.

Jens und ich fahren los und setzen die Segel. In der Nacht setze ich die erste Positionsmeldung an unser Tracking über den Satelliten ab. Ich sehe eine eingehende E-Mail und freue mich, öffne gleich den Posteingang und sehe – nichts. Gar nichts. Das Gerät hat die Mail verschluckt. Das gleiche Verhalten zeigte mein altes Pixel 3, das wegen Fettleibigkeit zum Batterietausch nach Deutschland gereist ist. Mein Telefonprovider war damals wirklich gründlich bei der Sache und konnte das Problem nie lösen. Deswegen kaufte ich damals das Huawei.

Jens hat die Iridium-Software glücklicherweise auf seinem Telefon installiert, einem Pixel 4 ohne das a. Ich leite ihn durch die Konfiguration. Er macht einen Test, es funktioniert sofort. Warum? Wir prüfen die Einstellungen der Telefone. Sie haben beide exakt den gleichen Softwarestand in ihrem Betriebssystem. Auch die Version der Iridium-Software ist identisch. Im Gegensatz zu Jens habe ich meiner App die Berechtigungen gegeben, die sie braucht. Das kenne ich noch aus der Konfiguration des alten Huawei. Nur funktioniert seine ohne die Berechtigungen, meine aber mit den Benutzerrechten nicht. Ich ändere das, das Ergebnis ändert sich nicht. Bei Jens kommen die E-Mails an, bei mir nicht. Hauptsache ist, dass wir wieder erreichbar sind. Sonst wäre es schwer, uns das Eintracht-Ergebnis in Londen mitzuteilen. Die Iridium-Software ist Vollschrott.

Sissi kümmert sich inzwischen ums Vorankommen. Sie gleitet bei drei bis vier Windstärken mit sechseinhalb Knoten über den Atlantik. Der ist bei diesen Windverhältnissen eigentlich schon so ruhig wie der Teich im Frankfurter Palmengarten. Das fühlt sich für Jens leider anders an, auch heute ist er noch nicht richtig fit. Antigua haben wir hinter uns und in der Nacht fahren wir an Barbuda vorbei. Die Schufterei mit dem Schrubber hat sich jedenfalls gelohnt. Bis zu den Azoren bringt uns der glatte Rumpf bestimmt vier oder fünf Tage Zeitvorteil. Über unsere Stromproduktion können wir überhaupt nicht meckern, am frühen Nachmittag vermeldet der Batteriemonitor 100% Ladung in allen Batterien.

Bei der Wachablösung in der Nacht bin ich wirklich richtig müde. Ich schlafe durch bis um 10 Uhr morgens. Nach dem Aufwachen sehe ich das Gesicht von Jens, der mir einen Kaffee klaut. Damit ist mir klar, dass er seine Seekrankheit überwunden hat. Wir sind immer noch über sechs Knoten schnell, auch der Kurs ist sehr gut. Die Eintracht hat das Finale erreicht, unser Signalhorn trötet über den weiten, leeren Ozean. Europa, wir kommen!

2. Etmal: 131nm
Position: 18°57’N 62°47W

Guadeloupe ist im Kielwasser

Wir sind unterwegs, die ersten 24 Stunden sind vergangen. Die Abreise aus Pointe-à-Pitre gestaltet sich reibungslos. Zuerst bekommt Fred noch kalte Füße, unterbricht seine Arbeit und ich kann die Rechnung bezahlen. In Rechnung gestellt hat er mir die fünf Einspritzdüsen (Bosch), die erste Revision der Pumpe (Bosch) und 10 Arbeitsstunden seinerseits. Das ist fair. Meine Kreditkarte zischt durch sein Lesegerät und die Motorengeschichte hat ein Ende. Bis zur nächsten Tankfüllung womöglich – wir tanken in der Marina an der Bootstankstelle. Es kann ja nicht jede Bootstanke verseucht sein.

Kurz nach dem Verlassen der Hafeneinfahrt gehen die Segel hoch, wir sind wirklich unterwegs. Während der Fahrt teste ich noch ein wenig die Tracking-Funktion auf der Webseite (Stalking Sissi), die ist aber leider defekt. Mehr als eine Nachricht an Martin kann ich nicht mehr senden. Hoffentlich kümmert er sich darum, sonst müssen wir ohne die Darstellung auskommen.

Im schönsten Nachmittagslicht passieren wir Marie Galante, eine zu Guadeloupe gehörige Insel mit vielen Rumdestillerien. Dann können wir nach Norden wenden. Ich habe immer noch Telefonnetz und chatte ein wenig mit Soraida, die mal wieder Überstunden machen muss, weil ein Kollege nach Bonaire geflogen ist. Es geht auf Mitternacht zu, als wir an der Ostspitze von Guadeloupe La Désirade an Steuerbord liegen lassen. Die Situation war für mich etwas befremdlich.

Auf der Seekarte sind mehrere sogenannte FADs eingezeichnet. Die Erklärung dafür ist „Fish aggregating device“ und bezeichnet eine große Sonderboje, die in einem Radius von einer Seemeile um die eingezeichnete Position schwingen kann. Ich schalte das Radar an. Das gibt mir auch gleich einen guten Überblick, welches Licht zu welcher Insel gehört. Von den FADs ist keine Spur zu sehen, sie sollen ein weißes Blinklicht haben. Letztendlich habe ich von etwa 10 FADs, deren Position wir passiert haben, genau eines zu sehen geglaubt und an seinem Licht erkannt.

Das neue Antennenkabel des Funkgeräts zeigt Wirkung. Während auf den früheren Langstrecken nur wenig im Funk zu hören war, begleiten uns nun die Funksprüche aus Guadeloupe. Pan Pan (Katamaran sitzt auf Grund). Wettervorhersage. Noch ein Pan Pan (Fischerboot mit Motorenausfall). Wieder eine Wettervorhersage. Bei den Franzosen gibt es mehrmals am Tag eine aktuelle Wettervorhersage (schön) für die Küstenbereiche (unnütz für uns). Jetzt beim Schreiben dieser Zeilen sind wir auf Höhe von Antigua und hören noch die Organisation eines weiteren Pan Pan durch deren Küstenwache. Abwechselnd spricht die Funke Englisch oder Französisch.

StammleserInnen des Blogs werden sich fragen, was mit Jens ist. Das Übliche. Ich habe heute einen der wenigen Sonnenaufgänge meines Lebens erlebt, weil Jens gestern Nachmittag seekrank in seiner Koje verschwunden ist.

1. Etmal: 105,7 nm
Position: 16°58N 61°25W

(Die Position kann man zum Beispiel bei Google-Maps eingeben)