Die grüne Tristesse

Eines Abends, in einer Pizzeria in Horta, trafen wir einen Mann, der mit seiner Tochter den Urlaub auf den Azoren verbrachte. Er fand die Inseln furchtbar langweilig. Man könne dort ja gar nichts unternehmen. Es sei alles nur grün. Läuft man über einen Hügel sieht man wieder nur Grün. Geht man ein paar Ecken weiter, ist immer noch alles grün. Außerdem steht hinter jeder Ecke eine Kuh. Man sieht überall nichts außer Kühen. Er stellt sich seinen Urlaub offenbar anders vor. Partyinseln sind die Azoren jedenfalls nicht. Zumindest so, wie ich sie kennengelernt habe.

Die grüne Hölle

Ich habe das ganze Grün bisher nur aus dem Auto oder dem Bus betrachte, und war noch gar nicht so richtig mittendrin. Das wollte ich nun ändern und brach zu einer Wanderung in den Naturpark in der Nähe von Serreta auf. Wir sind dort ein paar Tage zuvor mit dem Bus durchgefahren und ich wusste sofort, dass ich dort nochmal hin muss.

Fingerhut. Einfach nur öde.

Es ist 7:30 Uhr als mein Wecker klingelt. Der Bus fährt zwar erst um 9:00 Uhr, aber ich muss Jörg vorher noch mit einer Kanne Kaffee bestechen, damit er mich dem Dinghi an Land fährt. Würde ich alleine fahren, sitzt Jörg den ganzen Tag auf dem Boot fest. Das ist der Nachteil vom Ankern. Nach einer Dreiviertelstunde Busfahrt bin ich in Angra und habe dort genug Zeit, mich in ein Café zu setzen und zu frühstücken, bis mich der nächste Bus nach Serreta fährt.

total langweilige Pfade

Nach meinem Frühstück stelle ich mich an die Haltestelle und warte. Ich warte und warte, doch der Bus kommt nicht. Eine Frau, die auch wartet, steht irgendwann auf und verschwindet. Dieser Bus fährt wohl nicht. Zu Fuß mache ich mich also auf den Weg. Ich will erst mal aus der Stadt raus und dann mein Glück per Anhalter versuchen. Es dauert keine 15 Minuten bis ein Wagen anhält und mich mitnimmt. Der Mann meint, ich sei ja wahnsinnig, zu Fuß zu gehen. Serreta liegt ja am anderen Ende der Insel. Er springt in die Rolle des Fremdenführers und erklärt mir in jeden Ort den wir durchfahren, wo man baden kann und welches Restaurant das beste ist.

Ein Baum. Gibt’s überall auf der Welt. Gähn.

An der Straße, unterhalb des Wanderparkplatzes, steige ich aus, bedanke mich für die Mitfahrgelegenheit und laufe los. Der Parkplatz ist Startpunkt für drei verschiedene Routen. 7 km, 10 km, und 22 km. Ich entscheide mich für die 10 km. Die Route geht durch Wälder nach unten an die Küste und endet im Mata de Serreta, dem Park, den ich aus dem Bus gesehen hatte.

Alles andere als aufregend. Wo geht’s denn hier zur nächsten Bar?

Viel mehr habe ich von dieser Wanderung eigentlich gar nicht zu berichten. Ich bin mit einigen Stopps für Fotos und einer Mittagspause etwa 4 Stunden durch die wirklich wunderschöne Landschaft gelaufen. In der ganzen Zeit bin ich keinem einzigen Menschen begegnet und habe keine Autos oder die Geräusche von irgendwelchen Maschinen gehört. Nur das Zwitschern von Vögeln und das Rauschen des Windes in den Baumkronen.

Eine Steilküste. Laaaaaaaangweilig.

Den Rückweg nach Praia bin ich dann auch wieder per Anhalter gefahren. Es wäre zwar noch ein Bus gefahren, aber Jörg hatte angekündigt, dass er was zu Essen vorbereitet. Und mein Magen hat nach der Wanderung ziemlich laut geknurrt. Es gab leckeres Thunfischsteak. Ich beende diesen Blog noch mit ein paar Fotos von dieser langweiligen Landschaft.

Bäh, Regen! Kein Wunder das hier alles so schrecklich grün ist.
Es ist wahr. Grün hinter jeder Ecke. Entsetzlich.
Auf die nächsten Bilder sind sehr grün. Du musst wirklich nicht weiter scrollen.
Im nächsten Urlaub flieg ich zum Ballermann. Da passiert wenigstens was.
Kühe im Regen.

Unfaire Spiele

Auf Terceira findet gerade ein zehntägiges Festival statt. Auf den Straßen tönt laute Musik aus Lautsprechern. Jörg ist das heute zu viel Trubel und so ziehe ich alleine durch die Gassen von Angra und sehe mir den Ort an. Die Straßenbeschallung findet zum Glück nur im Zentrum statt. Ein paar Gassen weiter wird es wieder ruhig.

Das Highlight ist am Nachmittag der Seilstierkampf. Seit die spanische Armee im 16. Jahrhundert mit Hilfe von Bullen nieder gerannt und so eine Invasion verhindert wurde, ist das Festival mit seinen Stierkämpfen das größte, nicht religiöse Fest auf Terceira. Fast jeder Ort auf der Insel veranstaltet diese Straßenkämpfe. Daneben laufen noch andere Veranstaltungen, wie zum Beispiel ein Jetski-Rennen.

Wären wir in Angra vor Anker geblieben, hätten wir für dieses Jetski-Rennen einen Platz in der ersten Reihe gehabt. Ich schieße nur ein paar Fotos und laufe weiter. Jetskis, die schnell im Kreis fahren, finde ich nicht spannend genug, um länger zu bleiben. Außerdem macht sich ein kleines Hüngerchen breit. Ich muss nicht lange suchen, bis ich eine Fressbude finde. Mit einem Sandwich setze ich mich in den nächsten Park und sehe einem Pärchen beim Tauben füttern zu,

Mir wurde gesagt, dass ich wenigstens eine Stunde vor Beginn der Kämpfe vor Ort sein sollte, um einen guten Platz zu bekommen. Ich kann so das komplette Spektakel von Anfang bis Ende beobachten. Ausgehend von dem Platz vor einer Kirche sind die Straßen abgesperrt. Alle Haustüren an der Straße sind mit Brettern und Paletten gesichert. Zuschauer machen sich auf allen verfügbaren Mäuerchen breit. Anwohner öffnen Tür und und Tor, um selbst Fremde wie mich auf ihren Balkon zu lassen. Auch das hat hier Tradition und es ist schließlich gefährlich, auf der Straße zu stehen.

Ein Transporter mit vier engen Transportboxen auf der Ladefläche rollt an. Mit einem kleinen Kran werden die Boxen unter viel Getöse abgeladen und auf der Straße miteinander verzurrt. Immer wieder gibt es laute Schläge aus dem Inneren, die die Wände der Boxen zum Erzittern bringen. Bevor ein Stier auf die Straße gelassen wird, bekommt er eine Schlinge um den Hals gelegt.

10 Männer in weißen Hemden und schwarzen Hüten, die „Pastores“, nehmen dann Positionen entlang einer langen Leine ein. Fünf am Ende der Leine und fünf ein gutes Stück weiter vorne. Ihre Aufgabe ist es, den Stier daran zu hindern, unkontrolliert in die Zuschauer zu stürmen, die am Ende der Strecke an den Bierständen stehen. Sobald der Stier an der Leine hängt, begeben sich die Pastores in Position. Eine Rakete wird abgefeuert. Das ist das Zeichen für alle noch umher Stehenden, die Straße zu räumen.

Die Pastores machen sich bereit.

Jetzt wird die Box geöffnet und der Bulle laufen gelassen. Hunderte Kilo Muskelmasse setzen sich in Bewegung und stürmen auf einen der „Capinhas“ zu. Der Stierkämpfer weicht aus und fängt an, Kreise um den Stier zu drehen, der wütend und schnaubend versucht, den Capinha auf die Hörner zu nehmen.

Tanz mit dem Stier.

Nach ein paar Runden bleibt der Stier stehen, um etwas Luft zu holen. Ein weiterer Capinha steht ein Stück weiter die Straße herunter und provoziert. Der Stier nimmt erneut Anlauf und rennt los. Auf diese Weise wird der Stier langsam die Straße hinunter getrieben. Wird er dabei zu schnell oder nähert er sich dem Ende der Straße, greifen die Pastores ein und ziehen ihn an der Leine zurück. Ein fairer Kampf sieht für mich anders aus. Immer wieder versuchen auch Leute aus dem Publikum ihr Glück und wagen den Tanz mit dem Stier. Meist endet dies mit einem rettenden Sprung über den Zaun.

Rettung in letzter Sekunde.

Nach etwa 20 Minuten wird der Kampf beendet und der Stier zurück in seine Box verfrachtet. In einer kurzen Pause wird der nächste Stier vorbereitet. Das gibt den Zuschauern Zeit, sich neues Bier oder einen Snack zu kaufen. Vier Stiere sollen an den Start gehen. Die zweite Rakete wird gezündet und die Straße leert sich. Dann passiert erst mal nichts. Nach einem kurzen Moment dann laufen die Capinhas zurück zur Box. Bestürzte Blicke. So schnell sie irgendwie können, wird die Box wieder zurück auf den Transporter geladen. Für diesen Bullen war der Kampf bereits verloren, bevor er eine Chance bekam.

Ich nutze die Pause bis zum nächsten Start, um mir einen anderen Platz zu suchen. So langsam verstehe ich wie das Hin und Her funktioniert und ich möchte näher ans Geschehen. Auf die Straße. Auf Metal-Konzerten stehe ich auch gerne in der Menge und lasse mich durch die Gegend schubsen. Gemeinsam mit anderen zusammen vor dem Stier die Straße hinunter zu flüchten ist zwar was komplett anderes, kommt dem Gefühl aber auf jeden Fall sehr nah. Ein besonderes Erlebnis.

Flucht vor dem Stier.

Nach ein paar Stunden ist dann alles vorbei. Die drei verbliebenen Stiere werden abtransportiert. Die Barrikaden an den Häusern werden abgebaut. Die Stadtreinigung räumt Müll von der Straße. Ich hatte einen schönen Nachmittag voll neuer Eindrücke, Spaß und Adrenalin. Dass die Stiere durch diese Veranstaltung einen immensen Stress erleiden und so auch sterben, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Die Kämpfe sind vorbei.

Auf dem Weg zurück finde ich noch ein süßes Kätzchen, das ich wahrscheinlich stundenlang hätte kraulen können, wenn ich nicht den letzten Bus erwischen müsste.

Miau.

Spaziergang in der Dampfsauna

Auf Barbados hatte ich das schon probiert. Durch den Dschungel zu wandern. Nur gibt es dort leider nicht soviel davon. In St. Lucia war der Wasserfall mit einer Horde von Touristen verstopft. Jörg Bauer will endlich einen schönen Wasserfall sehen und ich will in den Dschungel. Also steigen wir ins Mietauto und fahren los. Ganz in den Norden zur Cascade Couleuvre. Da soll es sehr dschungelig sein. Neue Insel – neues Glück. Wir sollten beide nicht enttäuscht werden.

Dschungelpfad und Lianen.

Wie in Frankreich so üblich, gibt es am Ausgangspunkt einen Parkplatz. Ein Wegweiser sagt uns, dass die Strecke bis zum Wasserfall nur etwa 1,5 Kilometer lang ist. Kommt mir fast etwas zu wenig vor. Ich wollte doch wandern. Nach den ersten paar Metern merken wir allerdings schon, dass die Strecke nicht so leicht wird. Wir müssen gleich zu Beginn durch den Fluss. Brücken gibt es nicht. Was soll’s, ich hab ja wasserfeste Schuhe. Jörg stapft in seinen Sandalen voraus.

Flussdurchquerung

Nur langsam kommen wir auf dem schmalen und sehr rutschigen Pfad vorwärts. Der Weg geht stets bergauf, entlang des kleinen Flusses. Wir sind zwar erst 10 Minuten unterwegs, aber mein T-Shirt ist nass. Wir sind zwar unter den riesigen Bäumen im Schatten, aber es ist trotzdem heiß. Die Luftfeuchtigkeit schätze ich auf knapp über 100 Prozent.

Liane

Der Dschungel zeigt sich von seiner wunderschönen Seite. Farne, Palmen, riesige Bäume, mit Moos bewachsen, und hier und dort eine bunte Blume. Ich bleibe immer wieder stehen, um ein Foto zu schießen oder den Geräuschen des Dschungels zu lauschen. Zu lange darf man aber auch nicht stehen bleiben. Der Schweiß beginnt bei jeder Pause, vom Gesicht zu tropfen. Also weiter und wieder durch den Fluss.

Fluss im Dschungel

Ein gutes Stück weiter halten wir an, um einen Schluck Wasser zu trinken. Die T-Shirts kleben uns am Körper. Da sieht Jörg einen anderen Wanderer winken. Er zeigt auf einen Strauch und ruft irgendwas auf französisch. Da ist wohl irgendwas Cooles, also gehe ich hin und krame meine Kamera aus dem Rucksack. Als ich sehe, was da langsam über einen Ast krabbelt, fange ich breit an zu grinsen. Eine bunte Vogelspinne! – Badesalz Fans dürfen jetzt schmunzeln – Die hätte ich da niemals gesehen. Ich bin begeistert und mache etwa 5000 Fotos. Jörg ist längst weiter gelaufen.

Eine bunte Vogelspinne!

Ich muss richtig Gas geben, um Jörg wieder einzuholen. Die Spinne hat mich zu sehr fasziniert und er hat so vielleicht 5 Minuten Vorsprung. Gut, dass mein T-Shirt nicht mehr nasser werden kann. Eine Flussdurchquerung weiter und ich sehe ihn wieder. Im Hintergrund hören wir leise den Wasserfall rauschen. Es kann also nicht mehr weit sein.

Cascade Couleuvre

Am Wasserfall bietet sich uns ein ähnlicher Anblick wie auf St. Lucia. Kleine Grüppchen von Leuten tummeln sich in Badesachen unter dem Wasserfall und machen Fotos. Nur eben keine zwanzig Busladungen sondern höchstens zwanzig Menschen. Es gibt also kein großes Gedränge und jeder kommt mal unter den Wasserfall.

Schönheiten unter dem Wasserfall.
Schönheit unter dem Wasserfall.