Ein gebrauchter Tag

Jens und ich sind beide sehr müde, um nicht zu sagen durch den Wind. Der Tag schleppt sich dahin. Wir segeln einen schönen Kurs vor dem Wind, sind einigermaßen schnell und doch können wir uns nicht so recht daran erfreuen. Wir sind einfach nur müde. Abwechselnd legen wir uns hin und versuchen, ein paar Minuten Schlaf zu finden.

Jens sieht am Nachmittag noch einen großen Wal, der aber schon wieder abgetaucht ist, bis ich es aus dem Bett ins Cockpit geschafft habe. Auch eine Schule Delfine begleitet uns für eine Weile, sie sind aber zu weit weg für ein Foto. Ich versuche irgendwie, meine Nachtwache zu überleben. Dabei gelingt es mir sogar noch, ein leckeres Zwiebelbrot zu backen.

Bei der Wachablösung ist dann der Wind erst einmal weg. Mitten im Einfluss eines ordentlichen Tiefs haben wir eine windtote Zone gefunden. Das ist etwa so, als würde man über einen Fußballplatz laufen und in den einzigen Hundehaufen treten, den der Hund des Platzwarts irgendwo hinterlassen hat. Die erste Stunde finde ich keine Schlaf, während Jens sich bemüht, das Boot einigermaßen aus dieser Zone herauszufahren. In meinem Hinterkopf klingt die Musik von Nirvana (Unplugged Album in New York), obwohl ich seit Jahren kein Nirvana mehr gehört habe.

Als ich am Morgen aufwache, fühlt es sich an, als würden wir mit maximaler Geschwindigkeit segeln. Tun wir auch, aber leider auf einem Am-Wind-Kurs. Das fühlt sich viel schneller an, als es in Wirklichkeit ist. Wir sind nur mit 3-4 kn unterwegs. Ich vermute, dass sich langsam unser Problem mit dem „Ankommen“ einstellt. Das Paradebeispiel für dieses Problem ist Porto. Damals waren wir mit fünf Knoten unterwegs und drei Stunden vor Porto. Eine Stunde später waren es nur noch vier Knoten, wir waren immer noch drei Stunden von Porto entfernt. Noch eine Stunde später waren wir mit drei Knoten unterwegs und immer noch drei Stunden von Porto entfernt.

Damals haben wir den Motor angeworfen. Das machen wir diesmal nicht, die verbleibenden 160 Liter Diesel würden uns nicht helfen. Außerdem ist es noch viel zu weit. Wir würden bei diesem Gegenwind auch nicht wirklich schnell fahren können, unter Segeln sind wir immer schneller.

Der Himmel ist bedeckt, der Wind pfeift. Aber es regnet nicht. Wir sind guten Mutes. Noch ein paar Tage und wir haben es geschafft.

19. Etmal: 104 nm
Position: 36°23‘N 42°01‘W
Reststrecke: 646 nm