Die Schleusenwärterin hat mir am Vortag empfohlen, gegen 11 Uhr loszufahren. Dann kommen wir vor der Mittagspause durch die beiden Drehbrücken, die vor uns liegen und sind rechtzeitig an den Schleusen, die nur am Nachmittag besetzt sind. Das Personal am Caledonian Canal hat derzeit einen hohen Krankenstand, deswegen ist die Zahl der Schiffe limitiert. Außerdem sind die Schleusen-Betriebszeiten eingeschränkt. Für die Schleusentreppe in Fort Augustus muss ich uns dann persönlich anmelden, so steht es im Beipackzettel zum Kanal.
Am Funk höre ich den Funkverkehr auf Kanal 74 mit. Dieser Kanal gilt für den ganzen Kanal, ein schönes Wortspiel. Wo sich Brücken und Schleusen häufen, ist dieser Kanal oft ziemlich voll, normalerweise ist auf dem Wasser aber so wenig los, dass das kein Problem darstellt. Ganz im Gegenteil. Oft ist es eine Hilfe zu wissen, was an der Schleuse nach der nächsten Brücke gerade gemacht wird. So kann man die Geschwindigkeit des eigenen Boots anpassen und passend zur Schleusenöffnung ankommen.
Offenbar haben die Schleusenwärter von Fort Augustus die beiden mittleren Schleusen früher besetzt. Es herrscht schon reger Betrieb. Also legen auch wir früher ab und sind schon um 10 Uhr unterwegs. Auch heute haben wir lediglich zwei Schleusen und zwei Drehbrücken vor uns. Mein Vater steht wieder wacker am Ruder, ich kann mich um alles andere kümmern. Bei der zweiten Drehbrücke kommt uns ein Schwarm Caley Cruiser entgegen. Das sagt mir, dass die sich dahinter befindende Schleuse gerade auf unserer Seite geöffnet ist. Sehr schön. Ich mache mir keine Gedanken um die Brückendurchfahrt, wenn jeder ganz weit rechts fährt, gibt es keinerlei Probleme. Das macht den Fahrern der Cruiser Angst. Als ich später am Tag im Funk die Frage eines Seglers höre, wie denn die Vorfahrtsregelung bei der Brückendurchfahrt ist, habe ich ein ganz klein wenig schlechtes Gewissen.
In Fort Augustus angekommen hilft mir ein Segler von der Freyja of Orwell beim Anlegen. Das ist die Retourkutsche für meine Hilfe, die ich diesem Boot einen oder zwei Tage vorher beim Anlegen gegeben hatte. Er hatte es damals bitter nötig und erst im zweiten Versuch die Annäherung an den Steg geschafft. Voller Freude reißt er mir die vorbereitete Leine vom Bug und macht damit meine ganze Planung zunichte. Trotzdem bedanke ich mich freundlich, man weiß nie, ob man solche Hilfe nicht auch einmal brauchen kann. Nachdem er mir am nächsten Tag alleine beim Anlegen zugesehen hat, fragt er mich, ob seine Hilfe womöglich kontraproduktiv gewesen sei. Ich bestätige es ihm, sage ihm aber auch, dass ich das trotzdem geschätzt habe.
Wir machen uns auf die Suche nach dem Schleusenwärter, der sich hier im Büro befinden soll. Leider ist das Büro nicht besetzt. Auch die anderen Bootsführer suchen nach dem Schleusenwärter, neben den beiden Seglern sind es noch zwei Cruiser. Ich finde einen Bediensteten von Scottish Canals, der aber nichts mit den Schleusen zu tun hat. Er ruft ein paar Leute an (die sind wirklich alle super freundlich und hilfsbereit) und sagt, dass in einer Stunde das Büro besetzt sein wird.
Tatsächlich ist nach einer Stunde jemand im Büro. Er teilt mir mit, dass man die Anmeldungen nur für die Bergfahrt braucht. Für die talwärts fahrenden Boote käme am nächsten Morgen ein Schleusenwärter an den Pontoon und würde die Termine zuteilen. Da alle Bootsführer ein wenig kirre sind, muss er diese Auskunft noch dreimal erteilen.
Auf einem der Caley Cruiser sind Deutsche. Deutsche wissen immer alles. Deswegen erklärt mir der Deutsche auch alles zu den Schleusen und zur Personalknappheit am Kanal. Es fehlt nur noch, dass er mir erklärt, wie ich mein Schiff schleusen muss. Für ihn sind es jedenfalls erst die Schleusen Nummer drei bis sieben, denn er hat das Boot einen Tag vorher in Laggan übernommen. Trotzdem hängt schon der Wasserschlauch in seinem Tank. Vielleicht hat er das Charterboot mit leerem Wassertank bekommen, ich mache mir keine Gedanken. Ich habe schon lange keinen Schlauch mehr in den Tank gehalten. Wozu habe ich den Watermaker? An der Entsorgungsstation liegt die Fingal. Sie hat ihren Fäkalientank ausgepumpt. Der Matrose hat noch über seinen Schlauch geschimpft, der zwei Meter zu kurz war. So musste er das Hotelschiff von Hand zwei Meter nach vorne ziehen.
Der Cruiser mit den Deutschen liegt sehr schräg im Wasser. Sie teilen mir mit, dass sie morgen nicht mit der ersten Gruppe schleusen können. Sie müssen warten, bis die Fingal die Entsorgungsstation verlassen hat, weil sie ihren Fäkalientank auspumpen müssen. Ich wundere mich noch darüber, wie man innerhalb eines Tages den Fäkalientank voll bekommen kann. Die Antwort folgt sofort. Sie haben mit dem Wasserschlauch nicht den Frischwassertank aufgefüllt. Statt dessen haben sie ihn in den Fäkalientank gesteckt. Der ist jetzt randvoll. Deswegen liegt der Cruiser so schräg im Wasser. Ich lächle innerlich und weiß, warum ich niemals einen der in den Marinas vorhandenen Wasserschläuche in meinen Frischwassertank stecken würde.
Das scheinen ja wirklich Experten zu sein das bezahlte Wasser gleich wieder abpumpen zu lassen und somit doppelt zu bezahlen für das Wasser!