Musik in den Segeln, Tunfisch im Topf

Es geht aufwärts. Während ich gestern fast den gesamten Tag auf der Couch verbracht habe, fühle ich mich heute wie neu geboren. Meine Müdigkeit ist wie weggeblasen. Das könnte vielleicht daran liegen, dass ich gestern insgesamt 18 Stunden mit mehr oder weniger vielen Unterbrechungen gedöst und geschlafen habe. Auch Mário fühlt sich besser. Wir wagen es, die Reisetabletten abzusetzen und schauen, ob die Seekrankheit endgültig besiegt ist. Ich schlage vor, für das Abendessen eine Tunfischsuppe zu kochen. Er findet die Idee klasse.

Eine gute Suppe braucht neben den Zutaten auch eine ordentliche Portion Zeit. So bin ich dann den ganzen Nachmittag mit der Zubereitung beschäftigt. Das Ergebnis rechtfertigt den Aufwand. Wir löffeln genüsslich unsere Suppe. Die Seekrankheit ist wirklich besiegt. Sogar der Eimer, der seit Beginn des Törns griffbereit im Cockpit steht, durfte endlich wieder in seine Backskiste zurück. Dort fühlt er sich wohler und ist mir nicht mehr in Füßen.

Ein Knarzen kommt aus dem Funkgerät. Wir haben vor einigen Stunden das letzte Frachtschiff gesehen, ansonsten ist der AIS-Bildschirm leer. Das Knarzen wiederholt sich, eine leise Stimme ruft ein deutsches Segelboot. Die Stimme ist zwar leise, doch ich erkenne Micha von der Samai. Nachdem ich seinen morgendlichen Blog gelesen hatte, habe ich diese Begegnung für den späten Nachmittag oder frühen Abend erwartet. Wir haben unseren Vorsprung durch die langsame Segelei hergegeben. Egal, ist ja keine Regatta. Wir wollen alle gesund mit intakten Booten ankommen.

Manchmal klappt die Verbindung gut, manchmal kommt nur Rauschen aus dem schwarzen Kasten. Die Samai ist 10 Meilen östlich von uns. Ich schätze, es liegt an den Wellen. Wenn wir oben sind, können wir gut sprechen, wenn wir unten sind, ist die Verbindung tot. Unsere Antenne ist halt nicht im Masttop, sondern hinten am Geräteträger. Das reduziert die Reichweite. Fakt ist, dass es allen gut geht. Wir wünschen uns gute Fahrt.

Während meiner Wache klart der bis dato bedeckte Himmel auf und ich genieße den Anblick des Sternenhimmels. So schön habe ich ihn lange nicht gesehen. Mário erscheint im Salon, er kann aus welchen Gründen auch immer nicht schlafen. So bitte ich ihn, die gesamte Beleuchtung auszuschalten und dann ins Cockpit zu kommen. Nach wenigen Minuten sind unsere Augen an die absolute Dunkelheit gewöhnt und wir sehen die Milchstraße in ihrer ganzen Schönheit und Pracht.

Nach einer halben Stunde schalte ich die Beleuchtung wieder an. Es ist Zeit für den Logbucheintrag um Mitternacht und das Update der Stalking-Sissi-Seite. Dann fangen wir an, laut Musik zu hören. Wir werfen abwechselnd Titel in die Playlist. Mário ist nicht nur ein unkomplizierter Esser, er hat auch einen unkomplizierten Musikgeschmack. Als er aber “Dies Irae” aus Mozarts Requiem in die Liste aufnimmt, beende ich die Session. Das ist nicht nur abseitig, das ist ein Foulspiel.

Nach einer angenehmen Nacht stehe ich ausgeschlafen auf und genieße meinen Kaffee. Die frische Wettervorhersage sieht gar nicht so schlecht aus. Ich kann zwar immer noch nicht sagen, wo wir landen werden, dafür kann ich aber schon einmal sagen, dass die für morgen eigentlich erwartete Flaute ausfällt.

3. Etmal: 114 nm
Position: 39°35‘N 20°55‘W

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