Jetzt schreibe ich einmal etwas zum Thema Kultur. Beziehungsweise zum Thema Kunst. Also zum Thema Musik und Tanz. Micha von der Samai fragte mich vor ein paar Tagen, ob ich Interesse am Musikfestival in der Altstadt hätte. Ich wusste ja, dass es in der Stadt die eine oder andere Bühne gibt, doch ich habe an den Abenden den Hintern nicht hoch bekommen und bin an Bord geblieben. Die Blasmusik von der Bühne in der Nähe der Bushaltestelle hat mich auch nicht gerade motiviert, Sissi zu verlassen und mich in die Reihe der Zuschauer einzusortieren.
Bei einem meiner Spaziergänge in den Abendstunden kam ich schon einmal an einer der Bühnen vorbei. Es wurde Fado gespielt, traditionelle portugiesische Musik. Das ist nicht so mein Ding, ich finde es etwas fade. Auch die Blasmusik von dieser Bühne konnte ich bis zum Boot hören. Das hat mich nicht motiviert, Sissi zu verlassen und mich in die Reihe der Zuschauer einzusortieren.
Mir war gar nicht klar, dass Blasmusik und Fado schon Teile des Musikfestivals waren. Als ich mit Sandra und Micha in Richtung Altstadt spaziere, dabei mehrere Flaschen Sagres Bier im Rucksack trage, stelle ich mir die Frage, ob ich nicht Eulen nach Athen trage. Das Sagres hat mir Rebecca geschenkt, ich mag es gar nicht so sehr. Mir ist das Superbock lieber, doch Sandra steht auf Sagres. Also ist die Gelegenheit günstig, diese Flaschen mal ausgetrunken zu bekommen.
Nun steht die Bühne an einer anderen Stelle, es gibt andere Musik. Die Bühne wird innerhalb weniger Tage an verschiedenen Stellen in der Altstadt auf- und abgebaut. Mir wäre es egal, wo sie nun genau steht, aber dahinter ist sicher ein Plan. Zum Glück habe ich die Bierflaschen im Gepäck, denn im Gegensatz zu jedem anderen mir bekannten Musikfestival gibt es hier genau gar keine Verkaufsstände. Dafür gibt es heute traditionellen Volkstanz von den Azoren, genauer gesagt von Sao Miguel.
Die Tanzgruppe tritt in traditioneller Kleidung auf. Das Publikum besteht aus Touristen und Einheimischen. Die Sitzplätze sind zumeist von den Einheimischen belegt, wir stehen mit den meisten anderen Touristen am Rand. Das gibt mir aber die Gelegenheit, ein wenig herumzulaufen und Bilder und Videos anzufertigen. Von der Musik her ist es nicht wirklich mein Fall, doch es ist nicht so langweilig wie Fado. Dafür ist die Tanzperformance echt gut. Die Leute sind mit viel Engagement dabei, auch das Publikum geht mit. Okay, der einheimische Teil des Publikums klatscht den Rhythmus mit.
Nach ziemlich genau einer Stunde ist die Darbietung beendet. In dieser Zeit konnten wir zu dritt noch gar nicht den Sixpack Bier leeren. So schlendern wir noch etwas über den Kirchplatz. Die Zuschauer jedenfalls zerstreuen sich schnell, als hätten sie noch einen anderen Termin an diesem Abend.
Fünf Minuten nach dem Ende ist niemand mehr zu sehen. Nur der Bettler mit seinem Fahrrad versucht, bei den wenigen noch verbliebenen Touristen den einen oder anderen Euro zu bekommen. Auch wir schlendern gemütlich wieder in Richtung der Marina. Insgesamt ist es ein schöner Abend geworden.
Am folgenden Tag lassen wir das Festival aus, es wird Kinderunterhaltung geboten. Doch am Tag darauf gibt es Jazz. Angekündigt ist das Azorean Jazz Quartet. Sandra bleibt an Bord, Jens legt sich ins Bett, Micha und ich ziehen los.
Jazz hat offenbar nicht so viele Fans wie der Volkstanz, heute sind in den Sitzreihen noch viele Stühle frei. Auch diesmal sitzen vor allem die Einheimischen auf den Stühlen, wir Touristen stehen wieder ringsum. Ich habe nicht besonders viel Ahnung von Jazz, weiß allerdings, dass mir Free-Jazz ganz und gar nicht zusagt. Hier wird eher klassischer Jazz geboten. Micha nennt es „Gassenhauer“. Sicherlich die richtige Musik für diesen Anlass an diesem Ort.
Noch nie zuvor habe ich einem Saxofonisten so sehr beim Spielen zugesehen. Noch nie ist mir aufgefallen, wie dick die Backen beim Spielen werden. Auch diese Gruppe legt sich ins Zeug, jeder Spieler bekommt Raum für Soli. Als der Pianist plötzlich zur Toilette muss, schauen die anderen drei erst einmal blöd aus der Wäsche, dann stimmen sie zu dritt ein weiteres Lied an.
Die Kirchenglocke schlägt 22 Uhr. Der Pianist läutet auf seinem Piano mit. Eine feine Sache. Auch wenn die wenigsten dieses Video bis zum Ende schauen werden, filme ich eines der Stücke mal von Anfang bis Ende. Auch diesmal ist die Vorstellung nach einer Stunde vorbei, Micha und ich gehen gut unterhalten zurück zu unseren Booten.