Nächtliche Party im Boot

Schwere Schritte trampeln über das Boot. Ich bin gerade dabei, mir den Morgenkaffee zu kochen und eile nach oben. Wieder einmal kommt ein Nachbar kurz längsseits, um auf seinen Krantermin zu warten. Sonst klopfen sie vorher immer an und fragen höflich. Ich will ihm seine Leinen auf Slip legen, damit er ohne Getrampel Sissi wieder verlassen kann. Er lehnt es ab. Das nervt, dann will ich an Bord bleiben bis er ablegt.

Kurzzeitiger Nachbar

Es ist schon bald ein ganzer Monat, den wir hier in der Werft liegen. Bei Dunkelheit ist mir schon oft aufgefallen, wie es überall auf dem Beton krabbelt. Das ist nicht wirklich gut. Dann fand ich eine in der Besteckschublade. Ein paar Tage später war eine bei Eike im Bett. Dann war wieder Ruhe. Vielleicht Fehlalarm, vielleicht sind die gerade von Land an Bord gekommen. Bei den Lebensmitteln sind keine zu finden. Auch nicht beim Werkzeug, bei den Ersatzteilen oder in den Fallen.

Diese ist schon seit einigen Monaten an Bord

Wir sind sowieso auf der Suche nach einem komischen Geruch, der sich im Boot breit gemacht hat. Irgendwie kommt mir der Geruch bekannt vor, ich kann mich aber nicht so recht erinnern, woher ich ihn kenne. Ich pumpe die Bilge aus, da wir nicht mehr an Bord duschen, habe ich wohl vergessen, sie nach den letzten Duschen auf See zu leeren. Das riecht gerne einmal. Der Geruch verschwindet aber nicht. Also suchen Eike und ich nun sämtliche Stauräume für Lebensmittel ab. Alle Konserven müssen raus.

Alles muss raus!

Einige Konserven sind inzwischen drei Jahre alt geworden. Viele hatten in ihrer Geschichte Kontakt mit Salzwasser. So gut man es auch mit Süßwasser abspült, Salzwasser ist unglaublich mächtig. Einige der Konserven wandern in den Müll, weil sie wohl bald durchrosten werden. Andere wandern in den Müll, weil sie sich gebläht haben. Die meisten sehen noch hervorragend aus. Nur die allerletzte Dose lässt Eike gleich wieder fallen. Sie ist undicht geworden und darunter findet gerade eine Party statt. Wir machen mit, unser Beitrag heißt Super-Tox.

Für ihn ist die Party vorbei.

Nach und nach öffnen wir alle Hohlräume, finden weitere Feiernde und bringen ein wenig Schwung in die Veranstaltungen. Anschließend werden die Hohlräume wieder verschlossen, das Boot gut gelüftet und wir spielen im Cockpit ein paar Partien Schach. Hin und wieder krabbelt ein Partyflüchtling über den Fußboden. Die sind immer von den Drogen ziemlich berauscht und leicht zu fangen. Dann werden sie im Atlantik bestattet. Irgendwann machen wir die Klappen wieder auf und sammeln die Leichen ein. Mir ist klar, dass das Problem nicht behoben, sondern nur vermindert ist. Hier in der Werft werden wir es auch nie loswerden.

Zum Morgenritual gehört nun ab sofort das Einsammeln der Fundstücke. Wenn ich diesen Ort verlassen habe, werde ich einen professionellen Kammerjäger kommen lassen. Das ist es mir wert.

Die Pumpe ist wieder da!

Dann steht plötzlich Fred mit der Diesel-Einspritzpumpe vor dem Boot. Er macht sich gleich an die Arbeit. Ich erkläre ihm, dass ich einen deutschen Mechaniker an der Hand habe, den man bei Fragen gerne anrufen kann und der den Motor in- und auswendig kennt. Er hat aber anscheinend selbst jemanden in der Hinterhand, jedenfalls werden fleißig Whatsapp-Nachrichten getauscht und ich kann an den Sprachnachrichten hören, dass es um die Einspritzpumpe geht. Das ist für mich auch in Ordnung, Hauptsache er kann jemanden mit Ahnung fragen.

Der Zusammenbau ist fast beendet.

Nach dem Zusammenbau kommt der große Moment. Der Motor muss wieder gestartet werden. Nach unzähligen Versuchen ist der Anlasser heiß gelaufen. Fred meint, er komme in ein paar Minuten wieder, wenn der Anlasser abgekühlt ist. Eike und ich holen wieder das Schachbrett. Zwischenzeitlich höre ich den lauten Ruf „Sissi!“ vom Wasser her. Das Motorboot des Hafenmeisters hat einen Segler im Schlepp, der bei Sissi längsseits festgemacht werden soll. Das geht ganz unproblematisch und niemand muss über das Deck trampeln.

Der Anlasser muss abkühlen

Fred kommt mit Startpilot wieder, einem hochexplosiven Spray, das dem Motor den Start erleichtern soll. Nach ein paar Versuchen ist es auch soweit, der Motor läuft für ein paar Sekunden. Durch das Spray nagelt er erbärmlich. Irgendwann ist das Spray leer, es stinkt barbarisch unter Deck und ich habe Angst vor einer explosiven Gasmischung unter Deck. Fred ist da ziemlich gelassen. Er beendet seine Arbeit für den Tag und sagt sich für den Folgetag gleich für den Morgen an. Ich sei sein erster Kunde.

Nachbarin auf Zeit wird zum Kran geschoben.

Unsere Nachbarin auf Zeit hat auch einen Motorschaden. Und sie hat einen Krantermin. Deswegen holt sie der Hafenmeister am folgenden Morgen wieder ab und schiebt sie zum Kran. Niemand trampelt bei uns über das Boot. So soll es sein. Inzwischen ist es 11 Uhr und ich warte auf Fred. Doch von Fred ist weit und breit nichts zu sehen.