Man kann es den Leuten niemals recht machen. Besonders nicht bei der Planung der Mahlzeiten auf einem Transatlantiktörn. Wir haben noch jede Menge Gemüse, es ist aber kein frisches Fleisch mehr da. Ab sofort leben wir von unseren Konserven. Besonders unseren Kartoffeln geht es nicht gut. Die vertragen das Klima nicht so richtig und wollen gegessen werden. Die Süßkartoffeln halten sich noch prima. Die können das Klima besser ab. Ich schlug heute ein Gericht mit Bratkartoffeln und für morgen ein Gericht mit den letzten Kartoffeln vor. Daraufhin meuterte Jens, unser Pastafari. „Kartoffeln, immer nur Kartoffeln!“ Da muss ich mir noch etwas einfallen lassen. Vielleicht lege ich Lasagneplatten zwischen die Kartoffelschichten.
Der Wind ist unfreundlich. Irgendwo zwischen wenig und ganz wenig. Das hat zur Folge, dass wir in den Wellen herum taumeln, wie eine betrunkene Kuh auf einer Eisfläche. Wenn uns eine Welle dann richtig erwischt, schlägt die Genua und es kracht in allen Ecken von Sissi. Irgendwie wünsche ich mir schon ein paar Tage mit Starkwind. Damit können wir besser umgehen, dann schaukeln wir auch nicht mit 4 kn vor uns hin, sondern zischen mit doppelter Geschwindigkeit durch die Wogen.
Es hat sich eine Routine der Wachwechsel eingeführt. Nach dem Abendessen gehen Jakob und Jens früh ins Bett, ich habe die Wache bis Mitternacht. Dann wecke ich Jakob, der bis um vier Uhr Dienst tut. Er weckt Jens, der dann den Rest der Nacht an der Reihe ist. Morgens gegen 8:30 Uhr habe ich ausgeschlafen und übernehme von Jens. Das endet dann meist gegen Mittag, danach sind wir alle wach. Dann ist jeder mal an der Reihe. Ansonsten wird gedöst, gelesen, gegessen. Es findet eine tägliche Kontrolle des Boots statt. Haben sich Schrauben gelöst? Wir arbeiten Hand in Hand, routiniert. Wir fahren zusammen über den Atlantik. Manchmal frage ich mich – fahren wir auch gemeinsam?
In den ersten Tagen haben wir uns zunächst wieder an die Regeln auf See gewöhnen müssen, die sich durchaus von denen im Hafen unterscheiden. Es bleibt hier etwa kein Gegenstand dort liegen, wo man ihn abgelegt hat. Wenn man sich nicht mit mindestens einer Hand festhält, bleibt man auch nicht lange stehen. Wir sind jetzt so fit, dass wir in unserer gemeinsamen Tageszeit auch gemeinsam etwas unternehmen können. Wir schlafen inzwischen gut und müssen tagsüber nicht den fehlenden Nachtschlaf nachholen.
Gesellschaftsspiele haben wir nur wenige im Gepäck, doch Online-Spiele werden wir kaum machen können. Auf jeden Fall will ich mich morgen mal an einer Pizza versuchen. Auf anderen Booten bekommen sie das mit der Pizza auch hin, da werde ich Pizza-Gott doch ebenfalls ein paar leckere Scheiben aus dem Ofen ziehen können. Abwechslung muss sein, wir haben keine Kartoffeldiät gebucht. Falls wir übermorgen dann unsere letzten Kartoffeln Neptun übereignen müssen, ist das eben so.
Eigentlich müssen wir nur noch den heutigen Samstag überstehen. In der Nacht zum Sonntag wird Wind aufkommen. Dann wird sich die Stimmung an Bord schlagartig verbessern, denn ein schnelles Boot macht mehr Spaß als ein langsames Boot. Im Augenblick fühlt es sich an, als wäre der Atlantik ein zähflüssiges Sirup. Und die fliegenden Fische nerven. Der Kerl auf dem Foto zu diesem Blog hat unter einem Fender angefangen, vor sich hin zu müffeln. Bäh. Fischsuche ist auch Bordroutine.
Am Morgen erwartet mich vor dem ersten Morgenkaffee die erste Reparatur. Die elektrische Kaffeemühle mahlt keinen Kaffee mehr. Liebevoll nehme ich sie auseinander und streichle die Innereien mit einem zarten Pinsel. Ich befreie sie von großen Kaffeebrocken und finde noch ganz viele tief im Inneren des nützlichsten Haushaltsgeräts an Bord. Dann bekomme ich meinen Lebensspender, den schwarzen Zaubertrank. Mmmmh, lecker.
4. Etmal: 97 nm
Position um 12 Uhr: N15°45′ W31°05′
Noch 1666 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 398 Meilen hinter uns.