Überfahrt nach Barbados Tag 4 – Schaukeln, nicht segeln

Man kann es den Leuten niemals recht machen. Besonders nicht bei der Planung der Mahlzeiten auf einem Transatlantiktörn. Wir haben noch jede Menge Gemüse, es ist aber kein frisches Fleisch mehr da. Ab sofort leben wir von unseren Konserven. Besonders unseren Kartoffeln geht es nicht gut. Die vertragen das Klima nicht so richtig und wollen gegessen werden. Die Süßkartoffeln halten sich noch prima. Die können das Klima besser ab. Ich schlug heute ein Gericht mit Bratkartoffeln und für morgen ein Gericht mit den letzten Kartoffeln vor. Daraufhin meuterte Jens, unser Pastafari. „Kartoffeln, immer nur Kartoffeln!“ Da muss ich mir noch etwas einfallen lassen. Vielleicht lege ich Lasagneplatten zwischen die Kartoffelschichten.

Der Wind ist unfreundlich. Irgendwo zwischen wenig und ganz wenig. Das hat zur Folge, dass wir in den Wellen herum taumeln, wie eine betrunkene Kuh auf einer Eisfläche. Wenn uns eine Welle dann richtig erwischt, schlägt die Genua und es kracht in allen Ecken von Sissi. Irgendwie wünsche ich mir schon ein paar Tage mit Starkwind. Damit können wir besser umgehen, dann schaukeln wir auch nicht mit 4 kn vor uns hin, sondern zischen mit doppelter Geschwindigkeit durch die Wogen.

Es hat sich eine Routine der Wachwechsel eingeführt. Nach dem Abendessen gehen Jakob und Jens früh ins Bett, ich habe die Wache bis Mitternacht. Dann wecke ich Jakob, der bis um vier Uhr Dienst tut. Er weckt Jens, der dann den Rest der Nacht an der Reihe ist. Morgens gegen 8:30 Uhr habe ich ausgeschlafen und übernehme von Jens. Das endet dann meist gegen Mittag, danach sind wir alle wach. Dann ist jeder mal an der Reihe. Ansonsten wird gedöst, gelesen, gegessen. Es findet eine tägliche Kontrolle des Boots statt. Haben sich Schrauben gelöst? Wir arbeiten Hand in Hand, routiniert. Wir fahren zusammen über den Atlantik. Manchmal frage ich mich – fahren wir auch gemeinsam?

In den ersten Tagen haben wir uns zunächst wieder an die Regeln auf See gewöhnen müssen, die sich durchaus von denen im Hafen unterscheiden. Es bleibt hier etwa kein Gegenstand dort liegen, wo man ihn abgelegt hat. Wenn man sich nicht mit mindestens einer Hand festhält, bleibt man auch nicht lange stehen. Wir sind jetzt so fit, dass wir in unserer gemeinsamen Tageszeit auch gemeinsam etwas unternehmen können. Wir schlafen inzwischen gut und müssen tagsüber nicht den fehlenden Nachtschlaf nachholen.

Gesellschaftsspiele haben wir nur wenige im Gepäck, doch Online-Spiele werden wir kaum machen können. Auf jeden Fall will ich mich morgen mal an einer Pizza versuchen. Auf anderen Booten bekommen sie das mit der Pizza auch hin, da werde ich Pizza-Gott doch ebenfalls ein paar leckere Scheiben aus dem Ofen ziehen können. Abwechslung muss sein, wir haben keine Kartoffeldiät gebucht. Falls wir übermorgen dann unsere letzten Kartoffeln Neptun übereignen müssen, ist das eben so.

Eigentlich müssen wir nur noch den heutigen Samstag überstehen. In der Nacht zum Sonntag wird Wind aufkommen. Dann wird sich die Stimmung an Bord schlagartig verbessern, denn ein schnelles Boot macht mehr Spaß als ein langsames Boot. Im Augenblick fühlt es sich an, als wäre der Atlantik ein zähflüssiges Sirup. Und die fliegenden Fische nerven. Der Kerl auf dem Foto zu diesem Blog hat unter einem Fender angefangen, vor sich hin zu müffeln. Bäh. Fischsuche ist auch Bordroutine.

Am Morgen erwartet mich vor dem ersten Morgenkaffee die erste Reparatur. Die elektrische Kaffeemühle mahlt keinen Kaffee mehr. Liebevoll nehme ich sie auseinander und streichle die Innereien mit einem zarten Pinsel. Ich befreie sie von großen Kaffeebrocken und finde noch ganz viele tief im Inneren des nützlichsten Haushaltsgeräts an Bord. Dann bekomme ich meinen Lebensspender, den schwarzen Zaubertrank. Mmmmh, lecker.

4. Etmal: 97 nm
Position um 12 Uhr: N15°45′ W31°05′
Noch 1666 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 398 Meilen hinter uns.

Fliegender Fisch

Überfahrt nach Barbados Tag 3 – Magie, keine Zauberei

Es soll keiner sagen, dass es auf See an Höhepunkten und Sensationen mangelt. Wir konnten auf unserer Seereise bisher unzählige Vogelviecher beobachten, sahen Delphine, Wale, Schildkröten und inzwischen auch fliegende Fische. Am dritten Seetag jedoch fand der erste Höhepunkt einer zukünftig nicht enden wollenden Reihe von Höhepunkten auf unserer Transatlantik-Tour statt. Und damit meine ich nicht das leckere Gulasch zum Abendessen, bei dem ich mit den in Mindelo erworbenen Scharfmachern etwas unvorsichtig umgegangen bin.

Die Mahlzeiten sind zwar die wichtigsten Fixpunkte des Tages, die Süßwasserdusche ist jedoch ein extremer Höhepunkt. Auf anderen Segelbooten gibt es sie gar nicht, da ist Süßwasser nur für den Kaffee und zum Zähneputzen verfügbar. Um Strom zu sparen, gönnen wir uns „nur“ alle zwei Tage eine Süßwasserdusche, dazwischen muss eine Katzenwäsche mit dem Waschlappen reichen. Hatte ich schon erwähnt, dass der Watermaker eine spitzenmäßige Investition war? Heute gab es die erste Transatlantikdusche und sie war toll. Einzig die Schiffsbewegungen waren bei nur gut 3 Windstärken unerquicklich.

Jetzt habe ich Nachtdienst und es ist gerade wahnsinnig schön. Am Himmel steht die Halbmondsichel, manchmal ist sie zwischen den Wolken zu sehen, oft jedoch nur zu erahnen. Der Wind hat etwas aufgefrischt und kommt genau von hinten. Satte vier Windstärken, Tendenz Richtung fünf. Ein Traum. Die Wellen kommen auch genau von hinten, es sind lange, weite, angenehme Wellen. So surfen wir minutenlang die Wellen auf und ab. Dabei liegt das Schiff ganz ruhig im Wasser und macht kaum Geräusche. Nur das Zischen der Wellen ist zu hören, im Hintergrund surrt noch der Windgenerator. Magisch. Minutenlang. Wir fahren dabei mit 6 kn. Toll. Minutenlang. Dann läuft eine Welle quer. Aus ist es mit der Magie, Sissi schüttelt sich und alles klirrt, scheppert, knarzt, klappert und knallt. Eine knappe Minute kehrt dann wieder Ruhe ein, mit der Ruhe schleicht sich die Magie zurück ins Cockpit. Das ist keine Zauberei, hier glitzert der Atlantik magisch im fahlen Mondlicht.

Am folgenden Morgen werde ich durch ein Geräusch wach, das neu ist. Neue Geräusche machen mir immer Sorgen. Ich rufe zu Jens, er möge mal die Windfahne checken, dann bekomme ich als Antwort, dass die Schraube, die wir schon mehrfach ersetzt bzw. festgezogen haben, sich schon wieder auf Abwege macht. Das Hauptproblem ist, dass wir keine Unterlegscheiben mehr für M12er Schrauben haben. Ich schlumpfe uns eine Unterlegscheibe aus einem Kabelschuh für M12. Dann ergänze ich das mit einer halben Tube Schraubenkleber (eine Welle hat mich zu fest auf die Tube drücken lassen) und ziehe die Schraube wieder ordentlich fest. Wenn der Hersteller nur ein Drehmoment angegeben hätte, so muss es halt aus dem Handgelenk kommen.

Die Sonne scheint, der Himmel ist leicht diesig, der Wind bläst nur mit Windstärke 3. Also kommen wir nur langsam voran, doch auch heute konnten wir das Etmal von gestern wieder überbieten. Wenn das so weitergeht, werden wir in der letzten Woche nach Barbados rasen.

3. Etmal: 106 nm
Position um 12 Uhr: N15°48′ W29°27′
Noch 1757 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 301 Meilen hinter uns.

Frühstück auf dem Atlantik

Überfahrt nach Barbados Tag 2 – Zwiebelbrot und Müdigkeit

Unser erster vollständiger Seetag beginnt verschlafen, wie es auf der ganzen Welt bei den Menschen am 1. Januar eines jeden Jahres üblich ist. Allerdings sind wir nicht verschlafen, weil wir uns die Lichter mit Alkohol ausgeschossen hätten, sondern weil die erste Nacht auf See zumeist grausam ist. Der Atlantik lässt Sissi rollen, wir rollen in den Betten und haben uns noch nicht wieder daran gewöhnt. Deswegen haben wir alle nicht genug Schlaf bekommen.

Entsprechend langsam läuft alles an. Wir müssen ein neues Brot machen, das Zwiebelbrot ist aufgegessen. Wir machen zur Zeit ein neues Brot an jedem Tag. Wir machen jeden Tag ein neues Zwiebelbrot. Das muss aufhören, sonst haben wir weder genug Zwiebeln noch genug Mehl, um uns über den Atlantik zu backen. Aber ich setze noch einmal einen Teig an und dabei setze ich einen oben drauf. Ich leere eine Packung Schinkenspeck (ganz klein gewürfelt) in den Brotteig. Ein Brot mit Zwiebeln und Speck. Mein nächstes Brotprojekt wird dann ein Marmeladenbrot. Oder ich backe ein Leberwurstbrot.

Anschließend machen wir ein Chili con carne. Wir müssen essen, wir sind alle hungrig. Der Geruch der bratenden Zwiebeln für das Zwiebelspeckbrot macht uns wahnsinnigen Appetit. Ich hätte gerne einen Deich aus Reis um mein Chili herum gehabt, aber Jens rührt den Reis brutal in den Chilitopf rein. Er ist zu faul zum Anrichten. Dafür wird er bei der nächsten Lasagne büßen. Dann rühre ich ihm Nudeln in die Bolognesesauce und nenne es „Lasagne für faule“.

Die zweite Nacht auf See ist besser. Wir sind einerseits wieder mehr an das Schaukeln gewöhnt, andererseits hat das Schaukeln auch schwer nachgelassen. Die ganze Zeit haben wir versucht, vor einer Flaute in Richtung Südwest zu entkommen, beim Herunterladen der neuen Vorhersage können wir aber sehen, dass sich die Flaute in Luft aufgelöst hat. Um so besser. Die Halse ist schnell gemacht und jetzt laufen wir mehr oder minder direkt in Richtung West, direkt nach Barbados. Wir erklären Jakob die Handhabung des Radargeräts, damit er in der Nacht auf seiner Wache auch nach Squalls schauen kann.

Wir sehen nichts und niemanden. Hier sind keine anderen Schiffe unterwegs. Nur der endlos weite Atlantik ist vor der Tür unseres schwimmenden Wohnmobils mit dem besten Ausblick.

2. Etmal: 103 nm
Position um 12 Uhr: N15°42 W27°40
Noch 1860 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 195 Meilen hinter uns.

Atlantischer Ausblick