Überfahrt nach Barbados Tag 3 – Magie, keine Zauberei

Es soll keiner sagen, dass es auf See an Höhepunkten und Sensationen mangelt. Wir konnten auf unserer Seereise bisher unzählige Vogelviecher beobachten, sahen Delphine, Wale, Schildkröten und inzwischen auch fliegende Fische. Am dritten Seetag jedoch fand der erste Höhepunkt einer zukünftig nicht enden wollenden Reihe von Höhepunkten auf unserer Transatlantik-Tour statt. Und damit meine ich nicht das leckere Gulasch zum Abendessen, bei dem ich mit den in Mindelo erworbenen Scharfmachern etwas unvorsichtig umgegangen bin.

Die Mahlzeiten sind zwar die wichtigsten Fixpunkte des Tages, die Süßwasserdusche ist jedoch ein extremer Höhepunkt. Auf anderen Segelbooten gibt es sie gar nicht, da ist Süßwasser nur für den Kaffee und zum Zähneputzen verfügbar. Um Strom zu sparen, gönnen wir uns “nur” alle zwei Tage eine Süßwasserdusche, dazwischen muss eine Katzenwäsche mit dem Waschlappen reichen. Hatte ich schon erwähnt, dass der Watermaker eine spitzenmäßige Investition war? Heute gab es die erste Transatlantikdusche und sie war toll. Einzig die Schiffsbewegungen waren bei nur gut 3 Windstärken unerquicklich.

Jetzt habe ich Nachtdienst und es ist gerade wahnsinnig schön. Am Himmel steht die Halbmondsichel, manchmal ist sie zwischen den Wolken zu sehen, oft jedoch nur zu erahnen. Der Wind hat etwas aufgefrischt und kommt genau von hinten. Satte vier Windstärken, Tendenz Richtung fünf. Ein Traum. Die Wellen kommen auch genau von hinten, es sind lange, weite, angenehme Wellen. So surfen wir minutenlang die Wellen auf und ab. Dabei liegt das Schiff ganz ruhig im Wasser und macht kaum Geräusche. Nur das Zischen der Wellen ist zu hören, im Hintergrund surrt noch der Windgenerator. Magisch. Minutenlang. Wir fahren dabei mit 6 kn. Toll. Minutenlang. Dann läuft eine Welle quer. Aus ist es mit der Magie, Sissi schüttelt sich und alles klirrt, scheppert, knarzt, klappert und knallt. Eine knappe Minute kehrt dann wieder Ruhe ein, mit der Ruhe schleicht sich die Magie zurück ins Cockpit. Das ist keine Zauberei, hier glitzert der Atlantik magisch im fahlen Mondlicht.

Am folgenden Morgen werde ich durch ein Geräusch wach, das neu ist. Neue Geräusche machen mir immer Sorgen. Ich rufe zu Jens, er möge mal die Windfahne checken, dann bekomme ich als Antwort, dass die Schraube, die wir schon mehrfach ersetzt bzw. festgezogen haben, sich schon wieder auf Abwege macht. Das Hauptproblem ist, dass wir keine Unterlegscheiben mehr für M12er Schrauben haben. Ich schlumpfe uns eine Unterlegscheibe aus einem Kabelschuh für M12. Dann ergänze ich das mit einer halben Tube Schraubenkleber (eine Welle hat mich zu fest auf die Tube drücken lassen) und ziehe die Schraube wieder ordentlich fest. Wenn der Hersteller nur ein Drehmoment angegeben hätte, so muss es halt aus dem Handgelenk kommen.

Die Sonne scheint, der Himmel ist leicht diesig, der Wind bläst nur mit Windstärke 3. Also kommen wir nur langsam voran, doch auch heute konnten wir das Etmal von gestern wieder überbieten. Wenn das so weitergeht, werden wir in der letzten Woche nach Barbados rasen.

3. Etmal: 106 nm
Position um 12 Uhr: N15°48′ W29°27′
Noch 1757 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 301 Meilen hinter uns.

Frühstück auf dem Atlantik

Überfahrt nach Barbados Tag 2 – Zwiebelbrot und Müdigkeit

Unser erster vollständiger Seetag beginnt verschlafen, wie es auf der ganzen Welt bei den Menschen am 1. Januar eines jeden Jahres üblich ist. Allerdings sind wir nicht verschlafen, weil wir uns die Lichter mit Alkohol ausgeschossen hätten, sondern weil die erste Nacht auf See zumeist grausam ist. Der Atlantik lässt Sissi rollen, wir rollen in den Betten und haben uns noch nicht wieder daran gewöhnt. Deswegen haben wir alle nicht genug Schlaf bekommen.

Entsprechend langsam läuft alles an. Wir müssen ein neues Brot machen, das Zwiebelbrot ist aufgegessen. Wir machen zur Zeit ein neues Brot an jedem Tag. Wir machen jeden Tag ein neues Zwiebelbrot. Das muss aufhören, sonst haben wir weder genug Zwiebeln noch genug Mehl, um uns über den Atlantik zu backen. Aber ich setze noch einmal einen Teig an und dabei setze ich einen oben drauf. Ich leere eine Packung Schinkenspeck (ganz klein gewürfelt) in den Brotteig. Ein Brot mit Zwiebeln und Speck. Mein nächstes Brotprojekt wird dann ein Marmeladenbrot. Oder ich backe ein Leberwurstbrot.

Anschließend machen wir ein Chili con carne. Wir müssen essen, wir sind alle hungrig. Der Geruch der bratenden Zwiebeln für das Zwiebelspeckbrot macht uns wahnsinnigen Appetit. Ich hätte gerne einen Deich aus Reis um mein Chili herum gehabt, aber Jens rührt den Reis brutal in den Chilitopf rein. Er ist zu faul zum Anrichten. Dafür wird er bei der nächsten Lasagne büßen. Dann rühre ich ihm Nudeln in die Bolognesesauce und nenne es “Lasagne für faule”.

Die zweite Nacht auf See ist besser. Wir sind einerseits wieder mehr an das Schaukeln gewöhnt, andererseits hat das Schaukeln auch schwer nachgelassen. Die ganze Zeit haben wir versucht, vor einer Flaute in Richtung Südwest zu entkommen, beim Herunterladen der neuen Vorhersage können wir aber sehen, dass sich die Flaute in Luft aufgelöst hat. Um so besser. Die Halse ist schnell gemacht und jetzt laufen wir mehr oder minder direkt in Richtung West, direkt nach Barbados. Wir erklären Jakob die Handhabung des Radargeräts, damit er in der Nacht auf seiner Wache auch nach Squalls schauen kann.

Wir sehen nichts und niemanden. Hier sind keine anderen Schiffe unterwegs. Nur der endlos weite Atlantik ist vor der Tür unseres schwimmenden Wohnmobils mit dem besten Ausblick.

2. Etmal: 103 nm
Position um 12 Uhr: N15°42 W27°40
Noch 1860 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 195 Meilen hinter uns.

Atlantischer Ausblick

Überfahrt nach Barbados Tag 1 – Happy New Year!!!

Der letzte Tag des Jahres ist auch zugleich unser letzter Tag in Mindelo. Wir wollen gegen Mittag starten. Zuvor muss noch Diesel getankt werden. Marc von der Gentoo schreibt mir eine Warnung, nicht die Tankstelle in der Marina zu benutzen. Es hätten drei Boote der ARC dort getankt und Probleme mit dem Diesel bekommen. Das Risiko wollen wir nicht eingehen, wir tragen 130 Liter Diesel von der nächsten Straßentankstelle an Bord. Der Marina-Tankwart lacht uns aus, denn der Diesel kostet an der Straße 1 Eurocent mehr. Ich lasse mich lieber auslachen, als später mit Dieselpest irgendwo hängen zu bleiben.

Dann verlassen wir die Marina. Vollkommen unspektakulär, wir fahren einfach raus. Es steht niemand am Steg, um uns zu verabschieden. Wer auch? Alle anderen sind schon unterwegs. Wir werden sie auf Barbados bzw. Martinique wieder sehen. Ich mache uns einen Schweinebraten mit frischen Paprika und kanarischen Kartoffeln, die langsam gegessen werden wollen. Wir haben sie schnell gegessen. Die Sauce zum Schweinebraten dicke ich mit ein wenig Mehl an, damit sie nicht sofort vom Teller gesprungen kommt. Es funktioniert. Trotz des Rollens bleibt die Sauce auf dem Teller. Wir bauen Kartoffeldeiche.

Um Mitternacht löst mich normalerweise Jakob bei der Wache ab. Diesmal schalte ich um Mitternacht zusätzlich das Nebelhorn ein, läute die Schiffsglocke und drehe das Radio auf große Lautstärke. Wir machen unsere eigene Silvesterparty. Weil das alles so viel Spaß macht, beschließe ich, gleich mal die Zeitzone zu ändern, in der wir uns befinden. Die Kapverden ragen sowieso unangemessen weit in die nächste Zeitzone rein. Wir sind jetzt auf UTC -2 und damit drei Stunden hinter Deutschland. Außerdem haben wir noch einen Jahreswechsel vor uns, den wir um Mitternacht dann prompt feiern – mit Nebelhorn, Schiffsglocke und lauter Musik. Leider ist der Himmel bedeckt, wir können keine Sterne sehen.

Gegen zwei Uhr gehen Jens und ich dann ins Bett. Jens hat seine Wache noch vor sich, ich meine hinter mir. Alles wie immer, alles Routine. Sissi knarzt, das Wasser rumpelt im Tank und in den Schränken scheppert das Geschirr. Es läuft!

Ach ja, noch etwas: Auch diesmal hat Jens sein Abendessen nicht mit Neptun geteilt. So langsam gewöhnt er sich an das Leben auf See.

1. Etmal: 92 nm
Position um 12 Uhr: N15°58 W26°04
Noch 1954 Seemeilen bis nach Barbados.

Adieu Mindelo