Da war dann noch das Rigg. Seit Wochen haben wir einen Punkt auf der To-Do-Liste, nämlich die Kontrolle des Riggs. Da wir auf der Sissi keine Maststufen haben, müssen wir uns anders behelfen. In Leixoes haben wir bei einem französischen Boot eine ungewöhnliche Mastleiter gesehen, die uns sofort gefallen hat. Wir haben im Internet recherchiert und einen Anbieter gefunden.
Nach unseren Maßen wurde diese Leiter dann angefertigt und nach Lagos geliefert. Sie passte.
Man nimmt das Großsegel herunter und zieht die Mastleiter dort hoch, wo man sonst das Großsegel hochzieht. Die Mastrutscher mussten wir vorher ausmessen, sie sind sozusagen maßgefertigt in der richtigen Größe und Machart an der Leiter dran.
Dann kann man leicht den Mast erklimmen. Ich musste Jens vorletztes Jahr schon einmal zur Mastspitze hochziehen, nachdem ich den Mast in Holland in einen Baum gefahren hatte. Ja, in Holland stehen Bäume manchmal ganz nah an den Wasserstraßen. Das war eine Heidenarbeit und Jens hat sich dabei auch nicht besonders wohl gefühlt. Das ist jetzt mit der Leiter ganz anders. Ich muss Jens nur noch gegen Abstürzen sichern, hochklettern kann er nun alleine.
Wir freuen uns nun über die einfache Möglichkeit, den Mast zu erklimmen. Das bringt uns echt weiter.
Außerdem füllen wir noch die Reservekanister mit Diesel, den Kühlschrank mit Essen und und und. Es geht weiter!
Es ist mal wieder so weit. Wir wollen los. Heute ist ein besonderer Tag, denn wir verlassen das kontinentale Europa. Eine besondere Stimmung. Nervenkitzel und doch Normalität. Sissi ist bereit, wir haben alles geprüft. Das Rigg ist gecheckt, der Motor auch, die Vorratslasten biegen sich und der Frischwassertank ist auch voll. Was kann da noch schief gehen?
Natürlich kann alles schief gehen. Wir sind aber zuversichtlich. Nicht nur für heute, auch für die nächsten Tage wird schöner Wind aus der richtigen Richtung vorhergesagt. Wir erwarten zwischen 15 und 25 Knoten Wind aus nördlichen Richtungen, können also bequem vor dem Wind fahren – unsere Lieblingsrichtung. Wir erwarten, irgendwann im Laufe des Sonntags wieder Land zu sehen. Die Kanaren.
Dort waren wir beide noch nicht. Als Flugverweigerer wollte ich dort niemals hin. Hier in Lagos wurde es in den letzten Tagen kalt und regnerisch. Ich habe heute Nacht sogar mal wieder die Winterdecke aus ihrer Versenkung geholt. Das wird sich ändern, denn angeblich herrscht auf den Kanaren „ewiger Frühling“. Mal sehen, wie sich das so anfühlt.
Uns stehen fünf Tage ohne Internet bevor. Fünf Tage Dauerbetrieb des Schiffs. Fünf Tage abwechselnd schlafen und wach sein. Fünf Tage Wind, Wellen, Bewegung im Schiff, Lärm aus der Takelage und Knarzen der Inneneinrichtung. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Atlantiküberquerung im kommenden Monat und doch ein großer Schritt auf unserer Reise.
Die Windvorhersage ist für die kommenden Tage ziemlich stabil. Wir beobachten das nun schon einige Zeit und sehen auf dem Nordatlantik dicke, fette Tiefdruckgebiete, die in Richtung Nordeuropa ziehen. auf deren Rückseite bläst unser Wind. Unser perfekter Wind.
Jetzt gehen wir noch einmal unter die Dusche, das ist die letzte warme Dusche bis zu den Kanaren. Anschließend ist Abfahrt. Wir fahren mal wieder in den Sonnenuntergang.
Es ist noch sehr voll auf den Kanaren. Wir konnten in keiner Marina einen Liegeplatz reservieren und hoffen darauf, Sissi irgendwo in der Nähe einer Dusche festmachen zu können. Noch ist die ARC nicht gestartet, es liegen noch mehrere hundert Boote in Las Palmas auf Gran Canaria, die gegen Ende des Monats über den Atlantik wollen. Doch den guten Wind können und wollen wir nicht auslassen. Einen solch perfekten Wind werden wir auf absehbare Zeit nicht mehr bekommen.
Wieso ich so über die Vorhersage schwärme? Weil wir ausnahmsweise zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Weil die Vorhersage ausnahmsweise so unglaublich stabil ist. Und weil ich die Nase voll von Lagos habe.
Nur von den süßen Katzen haben wir die Nase nicht voll. Da würden wir uns noch ein paar einpacken wollen, wenn es denn machbar wäre.
Es ist endlich da! Das letzte Paket, auf das wir hier in Lagos gewartet haben. Es war 11 Tage unterwegs von Frankfurt am Main, seit es unsere Eltern aufgegeben haben. Wir hatten es auch fast schon aufgegeben zu warten, Susanne hat uns angeboten, es uns zu den Kanaren nachzuschicken.
Der Inhalt wird uns einige Wochen weiter bringen, es ist voll mit leckerem Kaffee unserer Lieblingsrösterei. Vielen Dank an unsere Eltern für die leckeren Bohnen.
Laut Google Maps sind es von Frankfurt nach Lagos etwa 2500 Kilometer, die mit dem Auto in 24 Stunden zurückgelegt werden können. Der LKW von DHL fährt sicherlich etwas langsamer und so ein Paket möchte auch noch sortiert, gescannt und liegengelassen werden. Mit 10 Tagen rechnet es sich angenehmer. 2500 Kilometer in 240 Stunden sind immerhin fünfeinhalb Knoten Geschwindigkeit. Damit war das Paket mit Sissi-Reisegeschwindigkeit unterwegs durch Europa.