Brot

In Deutschland sind wir wirklich verwöhnt mit der Brotkultur. Ich meine damit nicht die Supermarktbäckereien, die die Teiglinge in den Ofen schieben und so tun, als könnte man dort frisches Brot erwerben, sondern die immer noch zahlreichen Handwerksbäcker, die viele leckere Sorten anbieten. Schon in Holland war es mit diesem Luxus vorbei, dort gibt es weiches, labberiges Brot, dass sich über Tage nicht verändert und eigentlich nur so aussieht, als wäre es Brot. Eben Teiglinge aus dem Supermarktofen.

Das ist auch in Schottland nicht anders und wir werden auch sonst nur wenig Gelegenheit haben, frisches Brot in der Qualität zu kaufen, die wir haben wollen. Also müssen wir selbst backen.

Frisches Brot, selbst gebacken.

Wenn uns das Brot ausgeht, nehme ich mein Standard-Rezept. Vor dem Start unserer Reise habe ich mit verschiedenen Brotrezepten experimentiert und mir eines aufgeschrieben, das immer gut funktioniert hat und bei dem ein leckeres Brot herausgekommen ist.

Zutaten:
500 g Mehl
350 ml Wasser
2 EL Öl
2 TL Salz
1 EL Zucker
1 Päckchen Trockenhefe

Beim Mehl kann man mit den Sorten variieren. Wir haben normales Weizenmehl (Typ 405) an Bord, außerdem noch Vollkornmehl. Die beiden Sorten mische ich gerne halb und halb, dann finde ich das Brot am leckersten. Je mehr Vollkornmehl man dazu gi bt, desto mehr Wasser möchte der Teig haben. Bei einem reinen Vollkornteig können es dann auch schon 450 ml Wasser sein.

Zubereitung:
Alle Zutaten werden miteinander gemischt und gut durchgeknetet. Der Teig muss noch ziemlich feucht und schlotzig sein. Er sollte an der Schüssel und an den Fingern kleben. Es darf auf keinen Fall ein „trockener“ Teig werden, wie etwa bei einer Pizza.

Dann muss die Mischung mindestens zwei bis drei Stunden gehen. Ich stelle die Schüssel gerne in den Maschinenraum, wenn der Motor etwas gelaufen ist, damit wird die Hefe unterstützt.. Den letzten Teig habe ich ein paar Stunden im Maschinenraum vergessen, das Brot war hinterher besser, als alle Brote zuvor.

Anschließend wird der Backofen auf ca. 175°C vorgeheizt, was bei unserem Gasofen nicht so leicht zu treffen ist. Wenn der etwas heißer ist, ist es dem Brot auch egal. Das Brot kommt dann eine Stunde in den Ofen und ist fertig. Zu Hause im Elektroofen mit Unter- und Oberhitze haben 45 Minuten völlig gereicht.

Die erste Scheibe schneide ich gerne noch vom warmen Brot ab und probiere, wie es diesmal geworden ist. Wir haben das frische Brot auch schon mit Schotten geteilt, danach hatte ich eine Warteliste für neue Crewmitglieder, weil es ihnen so gut geschmeckt hat.

Probiert es einmal aus, Brot backen ist ganz leicht!

Nachtrag:
Unser Neffe Eike ist Bäckerlehrling. Er hat uns noch zwei Tipps gegeben, wie das Brot verbessert werden kann. Man sollte für eine schöne Kruste auf dem Brot noch eine Schale mit Wasser in den Ofen stellen.
Wenn man Körnerbrot backen möchte, sollte man die Körner über Nacht einweichen. Dann ziehen sie beim Backen nicht die Feuchtigkeit aus dem Teig. Statt dessen geben sie später die Feuchtigkeit wieder an den Teig ab und das Brot bleibt lange frisch.

So lange hat sich das Brot bisher bei uns noch nicht gehalten, dass es nicht mehr frisch geschmeckt hätte, denn es war vorher aufgegessen.

Shake, rattle and roll

Nach einem schönen und ausgeruhten Tag in Whitehills fuhren wir weiter nach Inverness, wo sich das östliche Ende des Caledonian Canals befindet. Die Strecke beläuft sich etwa auf 50 Seemeilen, also braucht man mit den üblicherweise für Kalkulationen verwendeten 5 Knoten Geschwindigkeit 10 Stunden Fahrzeit. Die Kanalschleusen werden im Sommer von 8 bis 17 Uhr bedient und um 8 Uhr war auch Hochwasser in Inverness. Kurz vor Inverness kommen mehrere Engstellen, in denen eine starke Tideströmung herrscht. Deswegen war klar, dass wir bis spätestens um 8 Uhr morgens in Inverness angekommen sein müssen.

Die Wettervorhersage sprach von Gegenwind bis zu sechs Windstärken, der aber Stunde um Stunde weniger werden sollte – bis hin zur totalen Flaute. Unser Plan war somit gegen 18 Uhr in Whitehills abzufahren. Dann ist die prognostizierte Ankunftszeit irgendwo um 4 Uhr am Morgen. Es waren also vier Stunden Luft in der Kalkulation.

Wir verabschiedeten uns von Hafenmeister Bernie, starteten den Motor und wussten, dass in dieser Nacht die Segel unten bleiben würden und Onkel Benz für den Vortrieb sorgen musste.

Whitehills von See aus gesehen nach unserer Abfahrt

Das Radio lief mit hoher Lautstärke und spielte zu Filmmusik von Blues Brothers. Wir sangen die meisten Lieder mit und freuten uns auf die Fahrt in den Sonnenuntergang. Doch das Wetter ist nicht immer unser Freund, die Wettervorhersage zwar präzise aber längst nicht stundengenau. Sissi begann, wild in den Wellen zu tanzen. Immer öfter bohrte sich der Bug in eine der entgegen kommenden Wellenberge.

Im Keller wummerte der Diesel, aus den Cockpitlautsprechern dröhnte Musik. Wir haben vor Jahren schon das Spiel „Alpen-DJ“ erfunden. Damit sind wir immer wieder über die langweiligen Autobahnen durch die Alpen Richtung Kroatien zum Segeln gefahren. Das Spiel ist ganz einfach. Wir haben eine große Musiksammlung mit einer höheren fünfstelligen Zahl an Titeln. Man gibt einen Begriff ein , z.B. „Black“ oder „Sailing“ oder was auch immer. Zumeist gibt es eine Trefferliste mit mehreren Musiktiteln, die dann auf die Playliste genommen werden. Ein paar davon. Am meisten Spaß macht es, wenn einer den Begriff vorgibt und der andere dann einige Stücke auf die Liste nimmt. Wir finden immer wieder unerwartete Kleinode in unserer Sammlung.

Kreuzfahrtschiff macht Dreck

Alsbald begegnete uns ein Kreuzfahrer. Die markante Abgasfahne sahen wir lange, bevor wir das Schiff mit unseren Augen sahen. In Zeiten, in denen man bei PKWs, Zentralheizungen und BBQ-Grills auf die Emissionen achtet, erscheint eine solche Dreckschleuder wie ein aus der Zeit gefallener Anachronismus.

Ich machte eine AIS-Abfrage, um herauszufinden, um welches Schiff es sich handelt.

AIS-Information zum Kreuzfahrer

Das Schiff war also die Crown Princess. Ein nur 13 Jahre altes Schiff, das offenbar nicht einmal über eine einfache Abgasreinigung verfügt. Wir schüttelten den Kopf, weil wir das nicht verstehen konnten.

Wir schüttelten jedoch nicht nur den Kopf, denn nebenbei wurden wir von Sissi auch selbst ganz ordentlich durchgeschüttelt. Der Wind hat sich nämlich nicht an die Wettervorhersage gehalten und wurde stärker,. Dabei sollte er doch abflauen. Es baute sich eine harte Welle auf, die die Reise ein wenig unkomfortabel machte. Da das Log immer noch 4 Knoten anzeigte, war uns das allerdings egal, schließlich hatten wir vier Stunden Luft in der Kalkulation und würden auch mit vier Knoten immer noch vor dem Kippen der Tide (und damit vor dem Einsetzen der Gegenströmung) durch die Engstellen vor Inverness kommen.

Tankschiff im Gegenverkehr

Wenige Stunden später hatten wir wieder Gegenverkehr. Diesmal war es ein Tankschiff. Das rußte nicht, jedenfalls nicht so sichtbar, wie es bei dem Kreuzfahrer war. Das ist irgendwie eine komische Welt.

Die Windstärke stieg derweil in den Böen auf 7 Bft, die Wellen wurden höher und Sissi bohrte immer wieder den Bug in die Wellen. In der Konsequenz reduzierten wir die Geschwindigkeit das machte die Fahrt zwar langsamer, dafür aber um einiges komfortabler. Nur würden wir so die Tide nicht schaffen. Ich schnappte mir den Reeds Nautical Almanach,, um einen Ausweichhafen zu finden. Die sind hier aber nicht so dicht verteilt. In die meisten können wir gar nicht hereinfahren. Die sind zu klein, zu flach oder können nur bei Hochwasser angfahren werden. Also blieben wir bei unserem Plan und knüppelten weiter unter Maschine gegen den Wind an.

Um Mitternacht ging ich zu Bett. Wer mit dem Gedanken spielt, sich für teures Geld einen Parabelflug mit dem Flugzeug zu leisten, um Schwerelosigkeit zu erleben, kann das Geld auch gerne zu uns tragen. Wir fahren dann mit Sissi gegen solche Wellen an. Die Koje hob und senkte sich im Wellentakt, immer wieder verlor ich den Kontakt zu r Matratze, weil diese unter mir einfach wegsackte. Ich durfte „Schwerelosigkeit“ erleben und knallte dann wieder auf das Bett. An ruhigen Schlaf war nicht zu denken.

Nach einigen Stunden stand ich wieder auf, um Jens abzulösen. Wir sind kaum voran gekommen, haben teilweise nur 2 Seemeilen pro Stunde auf unser ZIel hin gut gemacht. Jens legte sich hin. Vorher überlegten wir, was wir machen, wenn wir die Tide verpassen. Da es keine ordentlichen Ausweichhäfen in dieser Ecke gibt, war klar, dass wir dann unter Motor auch noch gegen die Strömung fahren müssen. Noch mehr Geschüttel.

Nördlichster Punkt unseres Törns
Nebenbei bemerkt: Irgendwann in der Nacht erreichten wir den nördlichsten Punkt unserer gesamten Reise. Von hier aus wird es erst einmal nach Süden gehen, bis wir an Weihnachten in der Karibik sind.

Dann flaute der Wind aber innerhalb kurzer Zeit ab und ich konnte Gas geben. Normalerweise fahren wir unter Motor mit 1400 Umdrehungen pro Minute 5 Knoten, diesmal habe ich 2400 Umdrehungen eingestellt. Damit waren wir 7,5 Knoten schnell. Das hat zwar eine Menge Diesel gekostet wir kamen aber einigeraßen pünktlich an die enge Stelle. Vorher sahen wir noch einige Tanker auf Reede liegen die wohl darauf warteten endlich mit Öl beladen zu werden

Tanker auf Reede

An einer der Engstellen befindet sich ein Leuchtturm, gegenüber eine alte Festung. Die Festung konnte ich aufgrund des Sonnenstands nicht so ablichten, wie ich das gerne gewollt hätte, also hielt ich auf den Leuchtturm.

Chanonry Point

An dieser Stelle haben wir im vergangenen Jahr noch viele Delphine gesehen. Dieses Jahr war kein einziger Delphin zu sehen. Vom Leuchtturm aus ist es nicht mehr weit. Es war Zeit, mit dem Schleusenwärter zu funken und einen Platz in der Schleuse klar zu machen.

Wir bekamen eine Wartezeit von 50 Minuten mitgeteilt. Das Problem ist die Drehbrücke der Eisenbahn. Die kann nur aufgemacht werden, wenn kein Zug die Brücke anfährt.

Eisenbahn-Drehbrücke in Clachnaharry

In dem kleinen weißen Häuschen auf der rechten Bildseite sitzt ein Bahn-Mitarbeiter. Der kümmert sich um die Drehbrücke. Zwei Züge mussten wir abwarten, dann öffnete sich die Brücke. Wir konnten in die Seaport-Marina weiterfahren.

Sissi bekam eine neue Tankfüllung und ich habe mich erst einmal auf die Couch geworfen. Zwei Stunden unruhiger Schlaf innerhalb von 24 Stunden reichen nicht aus. Jens war genauso müde, hat das Geschüttel und Gerolle aber gut überstanden. Diesmal war er nicht seekrank und das ist gut so . Im Prinzip hat alles funktioniert, wie es geplant war. Es hat nur etwas länger gedauert.

Jetzt ist es 2 Uhr in der Früh am Folgetag und ich kann nicht schlafen. Nach sieben Tassen Kaffee, einigen Cola und einem zweistündigen Powernap am Mittag hat es mich gerade total überdreht. Egal – morgen ist Kanalfahrt angesagt, da wird es auf keinen Fall Sissi und die kleine Crew durchwürfeln. Es wird auch niemand Würfelhusten bekommen.

Geschüttelt, nicht gerührt

Dieser Bericht entsteht gerade live auf der Überfahrt von Peterhead nach Inverness. Es ist Dienstag, der 25. Juni und kurz vor 13 Uhr Ortszeit.

Wir sind seemännisch die letzten Vollspackos. Also in echt. Nach dem gestrigen Studium der Wetterkarten und Tideströmungen wollten wir unter Motor von Peterhead bis Fraserburgh fahren, um dann dort bei passender Windrichtung und -Stärke den Parasailer herauszuziehen. Aus diesem Grund haben wir es auch nicht für nötig befunden, die Genua betriebsfähig zu machen oder das Groß klar zum Setzen zu halten.

Jetzt haben wir den Salat. Selbstverständlich wäre der Wind in Richtung und Menge mit dem Parasailor machbar, dann wäre auch Ruhe im Schiff. Auch mit der Genua könnten wir den Wind nutzen und Ruhe in den Kahn bringen. Der Wind aus nördlichen Richtungen sorgt aber dafür, dass hier eine perverse Welle steht – die Mitfahrer vom letztjährigen Schottlandtörn werden das noch kennen. Wir können nicht vor zum Bug kriechen und die Genua gangbar machen, die Gefahr ist zu groß, dass einer über Bord geht. Also arbeitet Onkel Benz weiterhin unter großer Lärmentwicklung.

Befreit vom Frühstück

Wenn man (wie ich) gerade unter Deck sitzt, ist das so ein wenig wie das Gefühl, ein Würfel in einem Knobelbecher zu sein. Wir werden geschüttelt. Jens hat die letzten Stunden mit einem flauen Gefühl im Cockpit verbracht, dann war es nach einer Kursänderung plötzlich so weit. Sein Frühstück und er gehen fortan getrennte Wege. Hoffentlich bringt ihn der Schlaf in seiner Koje wieder hoch.

Und die Moral von der Geschichte? Ganz einfach: In Zukunft haben wir immer mindestens ein Segel klar, so dass wir Ruhe in den Kahn bringen können. Die Unterwegs-Häfen Fraserburgh, Whitehills u. A. können wir bei dieser Windrichtung und Welle wahrscheinlich nicht sicher anlaufen, der Reeds rät davon ab. Also Augen auf und durch! In spätestens 10 Stunden ist der Spuk vorbei.

Ende des Live-Berichts von unserer Überfahrt.

Nachtrag: Wir konnten Whitehills doch anlaufen. Ein Telefonat mit dem Hafenmeister hat Klarheit gebracht. Für alle, die an Jens‘ Problemen teilhaben möchten, habe ich hier ein kleines Filmchen von der Situation. Hätten wir wenigstens einen Fetzen Segel setzen können, wäre alles halb so wild geworden.

Geschüttelt