Chamito

Heute erreicht mich nach dem Frühstück eine Nachricht von Anneke. Chamito ist heute Nacht gestorben. Damit ist er nur knapp vier Monate alt geworden. Gestern ist er noch durch sein Gehege gesprungen und hat sich seines Lebens gefreut. Heute früh wurde er dann gefunden.

Chamito im Alter von vier Tagen

Ich wünsche dem Donkey Sanctuary und allen Helfern dort, dass es in nächster Zeit möglich sein wird, ein paar Esel von Bonaire nach Aruba zu schaffen und gesunde Babys zu zeugen.

Sklavenmarkt

Heute machen wir einen Ausflug auf die große Insel. Hier sind die Berge nicht so hoch, das Grün der Pflanzen ist nicht so intensiv und wir merken, dass es hier nicht so viel regnet, wie auf der Nachbarinsel.

Kilometerlanger Strand ganz im Osten von Grande Terre

Zunächst führt uns der Weg schnurstracks nach Osten. Wir wollen zum östlichsten Punkt. Ich habe keine Ahnung, warum es in der Natur des Menschen liegt, solche Punkte zu besuchen, wir machen es aber den anderen nach, folgen am Ende einem kilometerlangen Strand und stehen dann auf dem Parkplatz an der Ostspitze.

Gipfelkreuz am östlichsten Punkt

Wir schauen nach Osten und ich bemerke Eike gegenüber, dass es von hier bis Afrika kein Land mehr gibt. Lediglich die vorgelagerte Insel „La Désirade“ ist schemenhaft erkennbar.

La Desirade, im Osten vorgelagerte Insel, die ebenfalls zu Guadeloupe gehört.

Wie überall auf den karibischen Inseln gibt es eine Wetterseite und die Seite mit den Badestränden. Hier jedenfalls wäre Baden lebensgefährlich, die Wellen brechen sich, wir genießen das Schauspiel.

Keine Einladung zum Baden

Alsbald wird es uns zu warm, wir genießen die Klimaanlage im Auto und fahren die Küstenstraße entlang nach Norden. Küstenstraße ist zu viel versprochen. Nur wenige Ausblicke auf das Wasser sind uns vergönnt. Diese Ecke von Guadeloupe zeichnet sich durch unzählige Zuckerrohrplantagen aus, touristisch ist nicht viel los. Aber die kleinen Hafenstädte haben ihren eigenen Charme. Wenn das Wetter etwas kühler wäre, könnte man sich auch in die Bretagne versetzt fühlen – mit mehr Palmen halt.

La porte de l’enfer. Das Tor zur Hölle. Sieht von hier aus harmlos aus.

Ohne Ziel und ohne Navigationssystem, dafür aber mit einer IGN-Papierkarte und offenen Augen stechen mir auf einem Schild die Worte „Porte de l’enfer“ in die Augen. Das Tor zur Hölle. Das müssen wir sehen. Ich erkläre es Eike und er ist sofort teuflisch begeistert. Am Parkplatz des Höllentors finden wir eine kleine Bar, die an einer Bucht steht. Die Bucht selbst ist unspektakulär und ruhig. Aber man könnte hier baden, einer der wenigen Orte an der Ostküste. Nach kurzem Aufenthalt fahren wir weiter, das Auto klettert auf einen Berg und wir sehen den Eingang zur Unterwelt noch einmal von oben. Spannend.

Aus der ruhigen Bucht kommend mutet der Atlantik durchaus wie die Hölle an.

Ebenfalls auf den Straßenschildern werden wir auf den Sklavenmarkt hingewiesen. Im Westen von Grande Terre befindet sich der kleine Ort Petit Canal. Dort ist der Hafen, in welchem damals die Sklaven eingeschifft worden sind. Heute liegen dort kleine Fischerboote.

Hafen von Petit Canal. Heute für Fischerboote.

In einem Zelt am Parkplatz sitzen zwei Fremdenführer und warten auf Kundschaft. Leider können sie die Führung nicht auf Englisch anbieten. Ich habe keine Lust, Französisch zu übersetzen, deswegen machen wir die Tour lieber auf eigene Faust, starten mit dem Denkmal für den unbekannten Sklaven und der ewigen Flamme.

Denkmal für den unbekannten Sklaven
Gedenktafel

Die Franzosen haben bei der Kolonisierung der Insel Guadeloupe die vorher Einheimischen auf die Nachbarinsel Dominica verschleppt. Für die Arbeit in den Plantagen wiederum dann Menschen aus Afrika in die Karibik, die die harte Arbeit im Durchschnitt nur sieben Jahre überlebten (Quelle: Wikipedia).

Hinter den Bäumen ist das ehemalige Sklavengefängnis.

Neben dem Sklavenmarkt am Hafen ist nur wenige hundert Meter entfernt das ehemalige Gefängnis. Ein überdimensionaler Baum hat die Ruine übernommen. Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich um einen Bantambaum.

Eingang zum Gefängnis
Das Gitter ist in etwa 2,50 Metern Höhe.
Der Baum ist mächtiger als die Steine

Es sind leider keine Informationstafeln vorhanden, die uns sagen würden, wie viele Menschen in den kleinen Zellen untergebracht waren oder warum die Sklaven eingesperrt wurden. Unruhige Zeiten gab es in der Geschichte jedenfalls genug. Vielleicht hätten wir doch die geführte Tour machen sollen.

Blick in umgekehrter Richtung, in Richtung Freiheit.

Am 27. April 1848 wurde die Sklaverei in den französischen Kolonien für immer abgeschafft. Die ehemaligen Sklaven mochten nicht mehr auf den Plantagen arbeiten, so dass bis 1889 etwa 42000 Inder für diese Arbeit angeworben werden mussten. Wir steigen in unseren Wagen und fahren wieder zurück zu Sissi, die Tour hat sich länger als erwartet hingezogen. Im Wagen diskutieren wir noch über die Geschichte des Sklavenhandels in die Karibik.

Schon in den letzten Tagen ist mir eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen aufgefallen, die am frühen Abend immer wieder mit ihren Fahrrädern durch das Werftgelände fahren und die Schiffe genau inspizieren. Ich spreche sie an und erzähle ihnen von dem gestohlenen Fahrrad. Sie wissen erst einmal gar nichts. Ich lobe eine Belohnung für die Wiederbeschaffung aus. Einer der Jugendlichen meint, er würde den Dieb kennen. Ich erkläre, dass sie sich die Belohnung verdienen können, wenn das Rad wieder zu mir zurück kommt. Bei einem Neupreis von 1500€ kann ich es ja einmal versuchen. Eine halbe Stunde später verstaut Eike das Rad unter Deck, ich zähle die Geldscheine vor. Zwar bin ich mir sicher, direkt beim Dieb gekauft zu haben, doch der Preis war gut. Dafür verstirbt in der folgenden Nacht eine weitere Batterie. Nun besteht akuter Handlungsbedarf. Zum Glück sind die Batterien hier günstiger als in Aruba. Eine Batterie, die ich dort für ca. 850 US$ erwerben könnte, kostet hier „nur“ 430€.

Nun ist nur noch eine Batterie übrig geblieben.

Dschungelbuch

Seit ein paar Tagen schon brausen wir mit unserem Mietwagen über die Insel. Ich habe das Geschoss für eine Woche gemietet, damit wir uns Guadeloupe in aller Ruhe von der Landseite anschauen können. Am Motor kommen wir im Moment nicht voran, wir warten darauf, dass endlich ein Mechaniker Zeit für uns hat. Die hier im Hafen ansässigen Betriebe sind teilweise für Wochen ausgebucht.

Es gibt viel zu sehen auf Guadeloupe!

Also nehmen wir das Leben wie es ist. Wir setzen uns ins Auto und fahren nach Basse-Terre. Guadeloupe ist eigentlich zwei Inseln. In der Mitte der beiden Inseln „fließt“ der „salzige Bach“, la rivière salée. Im Auto bemerken wir kaum, dass wir auf einer Art Autobahn von der einen auf die andere Insel wechseln, doch die Ampeln, Schranken und Scharniere der Klappbrücke sind mir aus Holland wohlbekannt. In jeder Nacht wird die Brücke geöffnet, so dass Segelboote von einer auf die andere Seite fahren können. Auch mit Sissi möchte ich da noch durch, doch dazu muss der Motor wieder laufen. Die eine Insel „Grande-Terre“ ist übersetzt die große Insel, „Basse-Terre“ ist die niedrige Insel. Auf dieser befindet sich mit 1467 Metern Höhe jedenfalls der höchste Berg. Einer der höchsten Berge in der Karibik, nicht nur auf Guadeloupe. Einige vorgelagerte Inseln gehören auch noch dazu, die besuchen wir aber mit dem Boot, wenn der Motor wieder läuft…

Ausblick

Auf Empfehlung von Martin (SY Fairytale), der vor ein paar Tagen nach Ende seines Chartertörns mal wieder im Cockpit von Sissi saß, suchen wir uns den dritten Wasserfall des Carbet aus. Auf engen und steilen Straßen kämpft sich unser Mietwagen tapfer voran. Immer wieder stößt mein rechter Fuß gegen den Fahrzeugboden. Bergab ist der Motor hingegen super.

Blick herunter zu unserem Boliden.

Das Fahrzeug hat etwa 35,4 PS installiert. Die Straßen auf Guadeloupe folgen dem steilen Verlauf der Geländekontur. Ich schalte aus dem fünften in den vierten, den dritten Gang, dennoch kommen wir auf den Nationalstraßen kaum einmal schneller als 50 km/h voran. Von hinten „schieben“ uns große SUVs, die dann auch bei nächster Gelegenheit überholen.

Imposante Blätter

Das obligatorische Orientierungsschild am Parkplatz verheißt eine Wanderung von 40 Minuten bis zum Wasserfall. Ich bin überrascht, dass wir nach knapp 500 Metern auf einen weiteren Parkplatz kommen. Dann wird der Wanderweg schmaler und nach wenigen hundert Metern kann er auch nicht mehr mit dem Auto befahren werden. Zunächst geht es auf gut ausgetretenen Pfaden in die grüne Hölle.

Hervorragender Wanderweg – zu Beginn der Tour

Mit zunehmender Steilheit des Geländes können wir sehen, wie die Verwaltung des Nationalparks immer wieder gegen die Naturgewalten zu kämpfen hat. Teilweise besteht der Weg aus Holzstegen, die über die verschlammtesten Wegstücke gezimmert sind. Diese wiederum sind von Wasserfluten immer wieder weggespült worden. Wir klettern über Baumwurzeln. Wir machen uns dreckig.

Passage durch den Bach

Neben vielen Vögeln können wir auch andere Tiere hören. Sind es Affen? Werden wir sie sehen können? Nein, wir sehen keine Affen. Aber wir treffen Dutzende anderer Wanderer. Ich finde es faszinierend, wie der Franzose wirklich jedem anderen Wanderer ein freundliches Bonjour zukommen lässt. Natürlich bekommt von uns auch jeder sein Bonjour zurück. Eines der Bonjour endete mit dem Ruf „Jörg!?!“ Tatsächlich, eine Bekannte kommt gerade vom Wasserfall heruntergelaufen. Ricarda von der Lady Charlyette ist ebenfalls in Guadeloupe. Nach einer halben Stunde Fußmarsch können wir den Wasserfall deutlich hören.

Ende der Wanderung? Nein, wir halten uns nicht an die Regeln.

Der Weg ist weggerutscht. Wir können nicht weiter. Das jedenfalls sagt das Schild und unsere Augen sehen es ebenfalls. Wir hangeln uns an Baumwurzeln herunter und machen und noch ein wenig dreckiger. Dann haben wir es endlich geschafft und sind unterhalb des Wasserfalls.

Wir haben das Ziel erreicht

Ich muss erst einmal meine Wunden lecken. Der Abstieg ist an meinem kaputten Knie nicht komplett vorüber gegangen. Ich kann mein kaputtes Kreuzband geradezu flattern sehen. Also strecke ich mich im Schatten aus, während Eike sein wohlverdientes Bad nimmt.

Eike ist unter dem Wasserfall

Derweil kommt die nächste Reisegruppe an. Deutsche. Wir kommen nach kurzer Zeit ins Gespräch. Es handelt sich um neun Leute, die alle zusammen einen Katamaran gechartert haben und vor Beginn ihrer Charter noch ein paar Tage die Insel anschauen. Ist ja fast wie bei uns, nur dass wir auf den Mechaniker warten. Damit der Motor endlich wieder läuft.

Die nächste Gruppe kommt an.

Irgendwann lassen die Schmerzen im Knie so einigermaßen nach. Eike ist ein wenig durchgefroren, das Wasser ist nicht so warm wie im Atlantik. Die Klettertour gleich wird ihn wieder aufwärmen, da bin ich mir sicher. Langsam machen wir uns auf den Weg.

Hier ist die Baumwurzel der Weg. Es geht aufwärts.

Im Endeffekt entpuppt sich der Aufstieg als viel leichter als erwartet. Und auch viel leichter, als es der Abstieg gewesen ist. Meinem Knie jedenfalls fügt er keinen weiteren Schaden zu.

Dennoch machen wir an der nächsten Schutzhütte erst einmal für ein paar Minuten Pause. Wir nutzen die Gelegenheit zum Betrachten der Vegetation. Tiere sehen wir leider nicht, nur die deutsche Reisegruppe, die den Wasserfall wenige Minuten nach uns verlassen hat. Warum reiben sie ihre Hände an diesem Baum und riechen daran? Sieh‘ an, es handelt sich um einen Gummibaum.

Gummibäume. Die weißen Flecken an der Rinde sind Kautschuksaft.

In jede Richtung schaffen wir es nicht, die „vorgeschriebene“ Wanderzeit zu erreichen. Wir sind langsamer. Nach einer Stunde Abstieg stehen wir wieder vor unserem Wagen. Ich hoffe, dass wir nicht in einen Stau geraten. Stop-and-go mit einem Schaltwagen und Knieschmerzen links ist unangenehm. Auf dem Weg zur Küste dokumentiere ich noch einmal die schöne Aussicht aus dem Gebirge auf das Meer.

Aussicht auf das Meer

Natürlich gibt es in Pointe-a-Pitre einen Stau. Wir besuchen noch ein Einkaufszentrum und wie immer bin ich von der Auswahl in Frankreich begeistert. Neben frischem Thunfisch kaufe ich noch zwei Pferdesteaks. Eike hat noch nie Pferd gegessen. Am Abend sitzen wir im Cockpit und schauen in den Fernseher. Eike fragt mich, ob ich das Fahrrad nach unten geräumt habe. Ich habe das Fahrrad nicht angefasst. Doch an Deck, wo das Fahrrad nachmittags nach gestanden hat, ist keine Spur mehr zu sehen. Man hat uns das Fahrrad tatsächlich vom Boot getragen, als wir im Dschungel unterwegs waren.