Wie bitte? St. Kitts und Nevis sind ein Problem!

Im Gegensatz zu der guten alten Zeit (vor Corona) ist das Reisen heutzutage bürokratisch reglementiert und teuer. Ich kann mich noch erinnern, einfach ohne Anmeldung in ein fremdes Land einzureisen und den Reisepass abgestempelt zu bekommen. Ohne dass man mir vorher für teures Geld in der Nase gebohrt hat. Ohne das Ausfüllen von Online-Formularen, die sowieso nicht zur Art der Durchführung der Reise passen.

Bonaire, im Januar 2022. Das Wetterfenster tut sich auf, wir beschließen abzureisen. Die Regierung von St. Kitts und Nevis verlangt den Upload eines PCR-Tests, der maximal 72 Stunden vor der Abfahrt durchgeführt wurde. Ich mache einen Termin für den 29.1. im Testcenter, zahle 190 US$ für zwei Tests und will nach Erhalt des Ergebnisses das Webformular ausfüllen. Das stellt sich erst einmal als unmöglich heraus, weil mein Browser sich weigert, das abgelaufene SSL-Zertifikat zu akzeptieren. Erst nach Installation eines neuen Browsers kann ich weitermachen. Ich muss den Schiffsnamen, die Abfahrtszeit und die Ankunftszeit in St. Kitts angeben. Ich erhalte eine Eingangsbestätigung aber keine Genehmigung. Offenbar arbeitet man in der Regierung von St. Kitts und Nevis lediglich von Montag bis Freitag. Es ist Freitagnachmittag. Wir entscheiden uns trotzdem am 30.1. zur Abreise, irgendwann verfallen unsere PCR-Tests und der Wind wird auch nicht besser.

Jetzt sind wir unterwegs. Nach nicht einmal 24 Stunden auf der Reise verschwindet der Gedanke an Corona vollkommen aus unseren Gehirnen. Wir denken nur noch an das Segeln, an unser Ziel und wie wir dort sicher ankommen.

Zuerst folgt die Windfahne dem Winddreher, dann halte ich das Ruder einfach nur noch gerade und warte darauf, dass es vorbei ist.

In einer der ersten Nächte erwischt uns so etwas wie ein Squall, ein Starkregen- und Starkwindereignis von kurzer Dauer. Unsere Windfahne fährt eine lustige Schleife mit uns. Dann rutscht die Kupplung durch. Ich will das wieder einstellen und sitze plötzlich mit den Händen am Ruder im Strahl eines Wasserwerfers. Wow. Dass man in der Karibik dermaßen frieren kann. Hoffentlich ist es bald vorbei.

Deutlich zu sehen, der Frachter weicht aus für uns. Das muss er auch, denn wir sind ein Segelboot.

Eike macht mich auf einen Frachter aufmerksam, der schon eine Weile Kollisionskurs mit uns hat. Ich bin vollkommen entspannt, nach meiner Erfahrung weichen die Frachter allesamt aus. Dieser hat auch 10 Minuten vor der möglichen Kollision seinen Kurs nicht geändert. Ich funke mit ihm um zu klären, ob er vor unserem Bug oder hinter dem Heck durchfährt. Er hat uns auf dem AIS nicht bemerkt und leitet sofort eine Kursänderung ein.

Was man nicht alles noch in der Küche findet – Puddingpulver der Marke Aruba, gekauft in Aruba. Kaum zu glauben, von woher Aruba das importiert. Das Pulver ist nämlich im Libanon hergestellt.

Wir segeln vor uns hin. Nach ein paar Tagen ist mir klar, dass wir die von mir angegebene Ankunftszeit in St. Kitts nicht halten können. Ich habe beim Ausfüllen des Formulars gedacht, lieber gebe ich den frühest möglichen Ankunftszeitpunkt an, damit wir in jedem Fall nicht unerwartet ankommen.

Nachtschicht. Die Zeit, in der man die Gedanken frei fliegen lassen kann. Ich liebe die Nächte, besonders wenn es einen schönen Sternenhimmel gibt.

St. Kitts, 3. Februar 2022. 21:42 Uhr Ortszeit. Die beim Gesundheitsministerium von St. Kitts angestellte Mitarbeiterin Ms. B. Clarke schreibt mir eine Email. Sie erklärt, dass unsere PCR-Tests abgelaufen sind und dass wir bitte neue Tests hochladen sollen. Diese Email erreicht zwar meine Mailbox, auf See kann ich sie aber nicht abrufen. Ich denke nicht einmal daran.

Auch dieser Kreuzfahrer hat seinen Kurs für uns geändert. Diesmal mussten wir ihn nicht ansprechen. Als Segler bin ich immer wieder begeistert, wie sich die Berufsschifffahrt uns gegenüber verhält. In den allermeisten Fällen ist es mit viel Rücksichtnahme.

Zur Lösung unseres Motorenproblems ändern wir den Kurs auf Guadeloupe. Ich habe keine Ahnung, wie die Einreisebestimmungen in Frankreich sind. Als EU Bürger auf einem in der EU registrierten Boot erwarte ich bei der Einreise in die EU allerdings keine größeren Probleme. So ist es dann auch. Ich mache die Einreiseformalitäten am Computer (wie früher). Zu diesem Zweck installiere ich auf dem Windows 7 Rechner erst einmal die deutsche Tastaturbelegung, die ich dann blind besser bedienen kann, als die französische (wie früher). Und ich vergesse, den Computer wieder umzustellen (wie früher). Während ich noch meine 5€ für den Ausdruck bezahle, höre ich schon den nächsten Menschen am Computer fluchen (wie früher). Ich entschuldige mich und stelle ihm die Tastatur wieder zurück. Die Einreise nach Frankreich fühlt sich so verdammt normal an. Erst als wir abends im Restaurant nach dem Pass Sanitaire gefragt werden, hat uns Corona wieder eingeholt. Wir haben natürlich keinen dabei, bekommen aber glücklicherweise trotzdem unser Essen.

Herrlich lecker. Bratwurst der Metzgerei Haase in Frankfurt Bonames auf frischem, französischem Baguette.

Wir genießen an unserem ersten Tag den Muskelkater und die kulinarischen Freuden Frankreichs. Nach dem Ruhetag kümmere ich mich auch um meine Emails und das Blog. Ich finde die Mail aus St. Kitts und antworte. Ich möchte von Frau Clarke wissen, wie wir es mit dem Segelboot anstellen müssen, dass wir nach St. Kitts kommen dürfen. Wir müssen neue PCR-Tests hochladen und ein neues Ankunftsdatum angeben. Sie möchte wissen, ob wir schon in den territorialen Gewässern sind. Ich erkläre, dass wir nach Guadeloupe fahren mussten. Ich möchte wissen, ob sie uns nach St. Kitts herein lassen, wenn unser Test älter als drei Tage ist. Auf diese Frage habe ich bis heute keine Antwort.

Von hier brauchen wir mindestens zwei Tage bis nach St. Kitts. Davor noch den Test zu machen und das Ergebnis zu bekommen und innerhalb der 72 Stunden in St. Kitts ankommen wäre sehr, sehr sportlich.

Unser vorletzter Sonnenuntergang auf dem Weg nach Guadeloupe

Natürlich kann ich es verstehen. Abertausende Segler haben sich auf den Ozean mit der Neptun-Variante (auch bekannt als Poseidon- oder Rasmus-Variante) angesteckt.

Zuletzt möchte ich noch einen Exkurs in Sachen Bürokratie machen. Das ist ja bekanntermaßen ein französisches Wort, die Franzosen haben die Bürokratie erfunden. Dabei sind wir innerhalb der letzten beiden Länder ganz schön auf dem Bürokratielevel abgerutscht. In Aruba muss ich zur Ein- bzw. Ausreise zwei Behörden aufsuchen. Dabei werden vier Formulare ausgefüllt. Die Formulare tippt der Beamte dann in den Computer ab und heftet die Originale in einen Ordnet. In Bonaire muss ich zur Ein- bzw. Ausreise eine Behörde aufsuchen. Der freundliche Beamte tippt die Informationen gleich in den Computer, druckt sie aus und als Kunde muss ich nur noch unterschreiben. In Guadeloupe muss ich keine Behörde aufsuchen. In der Marina steht ein Computer, in den ich die Informationen selbst eintippen muss. Dann ausdrucken, abstempeln lassen und fertig. Vollkommen unbürokratisch. Das ist Frankreich. Reisen wie in der guten alten Zeit.

Cidre Brut. Zwar immer noch vergleichsweise süß, doch die Süße kommt wenigstens aus den Äpfeln und wird nicht als Zucker zugesetzt. Die Flasche hat aus der Normandie einen weiten Weg bis nach Guadeloupe hinter sich gebracht. Nach dem Apfelwein aus Hessen das leckerste Apfelgetränk, das mir in letzter Zeit untergekommen ist. Vive la France.

Der Adler ist gelandet

Wir haben die Segel komplett gesetzt und versuchen, den letzten Reisetag mit Anstand hinter uns zu bringen. Noch besteht die Hoffnung, dass wir vor 20 Uhr in Pointe-a-Pitre ankommen und damit zu den Öffnungszeiten der Marina. Zeitweise gleiten wir mit mehr als sechs Knoten durch das blaue Wasser, es fühlt sich toll an.

Wir segeln so schnell wie möglich, auf der Backbordseite sieht man immer noch die drei Heiligen. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um vier Inseln.

Wenn wir Kurs auf Pointe-a-Pitre setzen, läuft es auch anfangs immer sehr gut, dann drücken uns Wind und Gegenstrom wieder aus dem Kurs und Sissi möchte näher und näher an die drei Heiligen, die Inseln, die uns den direkten Weg versperren. Also kreuzen wir und kreuzen und es wird immer klarer, dass wir es nicht mehr zu den Öffnungszeiten schaffen werden.

Die Internetverbindung ist mal da und mal nicht. Das ist nicht besonders hilfreich, denn ich versuche, mit einem Abschleppunternehmen in Kontakt zu treten. Es gelingt mir, das Problem an Jens zu delegieren. Der hat in Bad Homburg eine wesentlich bessere Chance, telefonisch durchzukommen. Immer wieder schickt er mir ein Update, dass der Abschlepper, passenderweise ist sein Name Monsieur le Mer, mit anderen Notfällen viel zu tun hat. Wir sind ja kein Notfall. Im Funk kommt ein Pan Pan durch, ein Trimaran hat seinen Mast verloren, die Segel liegen im Wasser. Das liegt sogar auf unserem direkten Weg nach Pointe-a-Pitre, doch ohne Motor schaffen wir natürlich keinen direkten Kurs. Langsam mache ich mir Gedanken über einen Plan B.

Wir geben alles, segeln unter Vollzeug und bekommen natürlich entsprechend auch eine feine Schräglage. Man sieht Eike die Strapazen der letzten neun Tage deutlich an. Aber ich sehe auch nicht fitter aus.

Von Jens kommt wieder ein Update rein, eigentlich sagt das Update nur, dass der Abschlepper immer noch nicht erreichbar ist. Dafür hat die Marina aber angeboten, dass wenn wir es bis 19:30 Uhr schaffen, der Hafenmeister herauskommen wird und uns herein holt. Der Wind hat wieder ein wenig aufgefrischt, Sissi konnte anluven und so sagt mir der Bordcomputer, dass es 50:50 steht. Vielleicht klappt es ja mit dem Hafenmeister. Der Wind lässt eine Stunde später wieder stark nach, unser Kurs ändert sich so, dass wir Backbord in Richtung der Untiefen fahren. Wir müssen noch einen Schlag machen. Das wirft uns wieder eine Dreiviertelstunde zurück auf dem direkten Kurs. Langsam wird es dunkel.

Blick auf den Bordcomputer gegen 18 Uhr. Steuerbord voraus ist der Seenotrettungskreuzer mit dem Trimaran beschäftigt. Backbord von uns ist die Swing.

Auf dem AIS ist der Rettungskreuzer bei seiner Arbeit gut zu sehen. Die Seenotrettung hier in der Gegend wird wiederum von Fort-de-France in Martinique aus koordiniert. Außerdem fällt mir ein Segelboot auf, die Swing. Sie ist auf dem gleichen Kurs wie wir unterwegs, dabei sehr nahe an den Untiefen und so halte ich sie für ein Boot von hier oder zumindest jemanden, der sich hier richtig gut auskennt. Außerdem gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, zu denen man von unserer Position aus sinnvoll segeln kann. Ich gehe davon aus, dass die Swing ebenfalls nach Pointe-a-Pitre möchte und greife zum Funkgerät. Nach drei Versuchen habe ich eine sehr freundliche Frauenstimme im Lautsprecher.

Ich wünsche guten Abend und frage, ob sie nach Pointe-a-Pitre unterwegs sind. Danke Hafenmeister Paul aus Aruba, dass Du mir geholfen hast, mein Französisch zu reaktivieren. Sie sind nach Pointe-a-Pitre unterwegs. Ich erkläre unser Problem und frage, ob sie uns in den Hafen ziehen können. Nach einer kurzen Pause kommt die Frage nach dem Gewicht unserer Sissi. Dann kann ich es förmlich im Funk knistern hören, wie an Bord der Swing diskutiert wird. Dann kommt die Antwort, ja es ist möglich. Ich bedanke mich und ab diesem Moment beobachten wir uns gegenseitig auf dem AIS. Als wir einmal den Wind verlieren und einen 360° Törn fahren müssen, kommt sofort die Frage, ob etwas passiert sei. Toll!

Die Swing hat Sissi an die Tankstelle geschleppt. Wir liegen fest. Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich bin.

Kurz vor der Einfahrt ist der Wind komplett weg. Während uns ein Frachtschiff entgegen kommt, treiben wir antriebslos im Wasser. Die Swing ist uns inzwischen weit davon gefahren und hat noch ein wenig Wind. Sissi läuft bei leichtem Wind überhaupt nicht, dazu ist sie zu schwer. Während die Swing umdreht, nehme ich die Segel weg. Das Großsegel kommt herunter und herunter und herunter und dann liegt es zu meinen Füßen. Der Stopper, der das normalerweise verhindern soll, hat sich verabschiedet. Hauptsache ist, dass das Segel unten ist. Die Swing übernimmt unsere Ankerleine, an deren Ende ich einen Fender angebunden habe, dann beginnt ein vollkommen unspektakulärer Abschleppvorgang. Derweil schwätzen wir über Funk, die Swing ist im Dezember aus Europa in die Karibik gesegelt, war schon in Guadeloupe, Saint Martin, Antigua und Barbuda. Ich erzähle von Aruba und Kuba. Bei vollkommener Windstille machen wir an der Tankstelle fest. Ich übergebe zwei Flaschen Rum (Diplomatico aus Venezuela und Ritual aus Kuba), Zigarren wollten sie nicht haben. Vollkommen entkräftet gehen wir zu Bett. Wir sind angekommen.

Ein früher Vogel singt auf unserem Windgenerator ein schönes, aber sehr sehr lautes Lied.

Um sieben Uhr stehe ich am folgenden Morgen schon auf, denn die Tankstelle öffnet um Acht. Eike macht sich zu Fuß auf den Weg zum Bäcker und schlägt das Angebot der Swing aus, mit dem Dinghi mitzufahren. Er will sich die Füße vertreten, weiß aber noch nicht, dass er kilometerweit um das Hafenbecken herum laufen muss. Die Swing verabschiedet sich, nach dieser Nacht gehen sie Ankern. Der Hafenmeister kommt und schleppt mich für 80 Euro in die Werft. Bei der Ankunft am Anleger treffe ich Eike wieder, der so wenigstens einen kürzeren Rückweg hatte. Die ersten Pain-au-Chocolat und das erste Baguette sind so unsagbar lecker.

Das Großsegel muss wieder klariert werden.

Wir beginnen die Aufräumarbeiten und machen Sissi hafenfertig. Als wir uns um das Großsegel kümmern, lächele ich innerlich über Sissi. Den kleinen Stopper, der das Herausrauschen des Großsegels verhindert, haben wir schon öfter verloren. Ich habe auch einen Ersatz dafür an Bord. Den brauche ich aber nicht, denn Sissi wirft diesen Stopper anscheinend niemals ab.

Hier ist der Stopper liegengeblieben

Immer ordentlicher und ordentlicher wird es. Dann kann ich mich um das Telefonproblem von Eike kümmern. Wir machen ihm mein Zweitgerät klar, damit er endlich wieder mit seinen Freunden kommunizieren kann. Er nimmt das Fahrrad und fährt in einen Telefon-Reparaturladen. Dort kann er seine SIM-Karte befreien lassen, das Telefon hat aber das Zeitliche gesegnet. Es ist unreparierbar kaputt.

Sissi liegt hafenfertig im Arbeitsbereich der Marina Bas-le-Fort

Ich sehe mich in der Gegend um, spreche mit Werftarbeitern und mir wird auch schon ein Motorenspezialist empfohlen. Der ist gerade nicht da und ich habe nicht den Antrieb, nach ihm zu suchen. Noch bin ich sehr, sehr müde. Im örtlichen Ausrüstungsladen sehe ich Batterien, doch die passen nicht zu den von uns verbauten. Ich sollte alle drei tauschen, dann sind aber 1500 Euro weg. Erst einmal teste ich weitere die beiden verbliebenen, bisher halten sie sich gut.

Windstille. Absolute Windstille in unserer zweiten Nacht. Man merkt, dass Guadeloupe eine große Insel ist und eigenes Wetter macht. Eine Stunde nach Sonnenuntergang fällt die Temperatur merklich und es wird feucht.

Am ersten richtigen Abend gehen wir zum Abendessen in ein Restaurant. Herrlich, die Auswahl an Speisen ist jenseits von Steak und Burgern. Natürlich gibt es das, aber es gibt auch noch viel mehr. Ich bestelle mir Entenbrust, auf den Punkt zartrosa gebraten. Genau so kommt sie auch auf den Tisch. Eike ist begeistert von seinem Entrecote, ich sehe ihn zum ersten Mal sein Essen fotografieren. Gemessen an dem, was ich vom Kontinent gewöhnt bin, ist das Essen sehr einfach. Gemessen an dem, was ich aus Aruba gewöhnt bin, ist es Gourmet-Essen vom Allerfeinsten.

Blick auf Sissi von der Werft aus

Morgens um Acht beginnen die Arbeiter zu arbeiten. Mit Schleifmaschinen, Hochdruckreinigern und allen anderen Geräten, die Lärm verursachen können. Das geht dann bis 18 Uhr. Und hier wird richtig gearbeitet, kein Vergleich mit dem, was ich in Aruba beobachten konnte.

Unser neuer Ausblick von Sissi

Der neue Ausblick ist nicht schön, aber er verheißt Reparatur. Deswegen schließe ich nun diesen Beitrag. In den kommenden Tagen muss ich mich um Sissi kümmern und werde eher nicht viel veröffentlichen. Wir planen, einen Mietwagen zu nehmen und die Insel zu erkunden. Wenn der Motor wieder läuft, suchen wir ein paar schöne Ankerplätze auf. Und vielleicht kommen wir noch einmal auf eine andere Insel, in ein anderes Land. Das hängt von so vielem ab, darüber möchte ich noch nicht nachdenken.

Muss definitiv gereinigt werden.

Festgemacht haben wir in Pointe-a-Pitre gegen 23 Uhr, also noch am Dienstag. Zu den Meilen des neunten Reisetages kamen noch 41 nm hinzu.

Land in Sicht!

Jede Seereise findet irgendwann ihr Ende, auch diese. So lasse ich Sissi gerade durch die Dunkelheit galoppieren, immer die Lichter von Basseterre, der Hauptstadt von Guadeloupe zu meiner linken Seite. Eike hat sich vor fünf Stunden ins Bett gelegt. Wir haben mal wieder versucht, eine Partie Schach zu spielen. Es wurden deren zwei, aber nicht mehr. Dann hat sich bei ihm die Seekrankheit wieder gemeldet und er hat sich hingelegt. Seit mehr oder minder acht Tagen hat er einen flauen Magen. Die Reisetabletten sind alle aufgegessen, genau wie das frische Fleisch, das frische Gemüse und die Schokoriegel auch. Ein paar Karotten liegen noch im Kühlschrank, doch Eike ist kein Esel, Karotten sind nicht sein Ding.

Die drei Heiligen. Diese Inseln hindern uns noch am direkten Kurs zum Ziel.

Irgendwie passt es mir nicht, den Riesenumweg zu fahren. Ich lade eine frische Wettervorhersage herunter, vielleicht finde ich eine Lösung. Wenigstens etwas Frisches hier an Bord. Beim Betrachten der windtoten Zone hinter den Bergen von Guadeloupe fällt mir auf, dass es möglich ist, diese zu durchqueren. Auch ohne Motor. Denn der Wind dreht um einige Grad und bläst diese Zone einfach weg. Wenn wir es schaffen, zwischen 19 Uhr und Mitternacht über diesen Bereich zu kommen, können wir eine gewaltige Strecke abkürzen. Der Seegang hat schon abgenommen, Guadeloupe klaut nicht nur den Wind, die Insel schützt auch vor den großen Wellen. Sissi beschleunigt auf 6,5 kn. Warpgeschwindigkeit. Die müssen wir nur noch sechs Stunden durchhalten und schwupp haben wir den traurigen Bereich hinter uns.

Zweisamkeit auf einem Segelboot ist so eine Sache. Die Kommunikation mit der Außenwelt ist auf eine dünne Satellitenverbindung beschränkt. Klar, Emails kann man immer senden und empfangen, auch Eike hat diesen Luxus genutzt. Es ist aber ein zweischneidiges Schwert. Heute kam eine Mail für Eike von einem guten Freund, der Gesprächsbedarf hat. Eike würde gerne mit ihm sprechen. Das geht halt nicht. Internet – bei uns immer verfügbar, hier ist es nicht vorhanden. Das Handy ist zu einer teuren Uhr mit Kamera degradiert. Nicht einmal die heruntergeladenen Serien kann er sich ansehen, das würde nur die Seekrankheit anfeuern. Und mit mir kann man sich auch nicht immer gut unterhalten. Während ich versuche, das Schleppen in den Hafen zu organisieren, habe ich meinen Kopf mit anderen Dingen gefüllt und bin auch nicht immer ansprechbar.

Derweil prescht Sissi mit Höchstgeschwindigkeit dorthin, wo sonst immer die tote Zone ist. Die Sechs steht eigentlich immer auf dem Tacho. Stunde um Stunde setze ich Wegpunkte in der Wetter-App und beobachte, wie sich die verbotene Zone mehr und mehr zurückzieht. Es sieht so aus, als würden wir doch schon am Dienstag ankommen. Moment – mir fällt auf, dass sich der Winddreher erst morgen ereignen wird. Heute ist Montag. Ich eile ins Cockpit und komme gerade rechtzeitig, um die Segel einfallen zu sehen. Sofort gehe ich auf Südkurs, der uns aus der Zone herausbringen soll. Sissi fährt nur noch mit dreieinhalb Knoten. Wir haben die tote Zone gefunden.

Aber eins sei mal gesagt: Mit dreieinhalb Knoten ohne nennenswerte Wellen vor Guadeloupe cruisen ist allemal besser, als mit zweieinhalb Knoten unter Motor durch die Wellen zu stampfen. Das Segeln ist sehr angenehm. Ich erinnere mich an die vielen Segeltörns mit Christoph, der mir viel über Segeltrimm beigebracht hat. So kann ich das Beste aus dem wenigen Wind herausholen. Und mir kommt eine Idee, wie Sissi selbständig den Weg um die tote Zone finden kann. Etwas luvgierig getrimmt, zieht sie bei viel Wind direkt auf das Ziel zu, bei wenig Wind hält sie sich per Leeruder aus der Zone raus. Theoretisch. Es funktioniert sogar einigermaßen.

Am Morgen stellt sich heraus, dass der Plan zur Hälfte funktioniert hat. Wir können es heute noch schaffen, es wird aber spät am Nachmittag. Die Marina hat bis 20 Uhr geöffnet, den Abschleppdienst habe ich gerade angeschrieben. Jetzt warten wir ab und segeln.

Spezielle Adresse an alle Freunde von Eike: Sein Telefon ist kaputt, er kann im Augenblick weder Whatsappen noch Telefonieren. Erst brauchen wir einen Handyshop, der es reparieren kann. Das Problem ist, dass wir die SIM-Karte nicht herausbekommen. Deswegen können wir sie leider noch nicht in mein Ersatztelefon stecken, um ihn wieder online zu bringen.

9. Etmal: 89 nm
Wir sind beinahe da…. doch die letzten Meilen ziehen sich am längsten.