Während ich den Beitrag zu unserer Überfahrt hochlade, wird plötzlich unser Funkgerät aktiv. Die Marina in Santiago de Cuba ruft uns in perfektem Englisch. Ich stehe Rede und Antwort. Sie wollen wissen, wo wir herkommen, welche Nationalität wir haben, wie viele Leute an Bord sind und ob wir uns alle gesund fühlen. Dann werden wir angewiesen vor der Marina zu ankern und auf den Arzt zu warten. In absoluter Windstille werfen wir den Anker einfach in den Schlamm, wir fahren ihn nicht einmal ein. Das rächt sich nach zwei Stunden Wartezeit in der knallenden Sonne, denn als die erste kleine Brise aufkommt, beginnen wir langsam abzutreiben. Dabei steht ständig ein Mann mit schwarzer Hose und weißem Hemd am Ufer und beobachtet uns. Niemand darf das Boot verlassen. Wir treiben noch ein paar Meter weiter.
Das ist nach drei Stunden Warten aber egal, denn nun werden wir an den Steg gerufen. Der Arzt ist da. Nun erfahre ich den ersten Covid-Test meines Lebens und lasse mir mit einem Wattestäbchen in der Nase bohren. Dabei dokumentiert ein anderer Offizieller das mit seinem Smartphone. Anschließend gehe ich mit den üblichen Schiffsdokumenten zur Immigration. Der übliche Prozess nimmt seinen Lauf als plötzlich derjenige, der unseren Covid-Test fotografisch dokumentiert hat in das kleine Büro kommt. Wir müssen den Test wiederholen, denn die Fotos sind nichts geworden. Es wird aber nicht der Test wiederholt, sondern der Doktor tut nur so für die Kamera. Puh.
Man erklärt uns, dass wir bis zum Testergebnis, das in ca. 72 Stunden da sein wird, die Marina nicht verlassen dürfen. Damit haben wir gerechnet, das ist kein Problem für uns. Im Kühlschrank liegen schließlich noch zwei leckere Quarantänesteaks und für den ersten Tag haben wir noch Lasagne. Wir beginnen uns zu entspannen. Wir sind in Kuba. Der Zoll soll erst am folgenden Tag kommen, das gibt mir die Gelegenheit diesen Beitrag zu verfassen und hoffentlich auch noch über das Satellitentelefon zu versenden.
Die Kubaner dürfen nicht auf das Gelände der Marina. Deswegen stehen sie am Zaun und beobachten uns. Das einzige Boot in der Marina sind wir, damit sind wir garantiert Stadtgespräch. Eine Frau spricht mich in sehr gutem Englisch an, sicherlich hat sie irgendwas zu verkaufen. Auch einige Kinder beobachten uns und wir werden ständig von dem Mann im weißen Hemd mit der schwarzen Hose beobachtet. Nach der Zahlung von 205 US$ für Covid-Test und Einreisegebühren haben wir uns auch mit Jorge angefreundet, der heute die Verantwortung für die Marina hat.
Jorge erzählt uns, wie man in die Stadt kommt, wann die Fähre in die Stadt fährt (dreimal am Tag), dass der Bus nicht zuverlässig ist und er uns gerne ein Taxi ruft. Wir werden instruiert, weder Rum noch Zigarren auf der Straße zu kaufen, weil man da nur Schrott bekommt. Wir bekommen Tipps, wo man in Santiago kostenlose Toiletten findet und wo man einen schönen Blick über die Stadt hat. Den Landstrom bekommen wir nicht ohne Weiteres an Bord, ich kann nämlich keine Steckdose finden, auf der Spannung ist. Jorge muss erst die Sicherung suchen und einschalten. Die Marinadusche ist lustig, Teil des Abenteuers… Wenn ich dort zehn Liter Wasser verduschen wollte, müsste ich eineinhalb Stunden unter dem Rinnsal stehen.
Hinsichtlich des Wassers in der Marina mein Jorge, dass er es trinken würde. Er würde es seit sieben Jahren trinken, er wüsste aber nicht, was dieses Wasser mit unseren Körpern anstellen würde. Als ich ihm sage, dass wir einen Watermaker haben, ist er etwas beruhigt. Spannend immer wieder, dass er uns nach den Tonbandgeräten fragt, mit denen wir das Gespräch aufzeichnen. Kuba ist nun einmal eine Diktatur, da führt kein Weg dran vorbei. Immer wieder wird beobachtet, dokumentiert, fotografiert. Ich kenne zwar das Gefühl, von den Nachbarn beobachtet zu werden, doch die Rundum-Überwachung ist neu.
Jeden Schritt, den wir in der Marina machen, machen wir unter Beobachtung. Jorge empfiehlt uns, das Boot nicht zu oft zu verlassen. Warum sollten wir auch, wir können sowieso nirgendwo hin. Jorge erklärt uns die Währung. Es gibt konvertible Pesos, die 1:1 in Dollar umgetauscht werden können. Und es gibt die inländischen Pesos. Ein konvertibler Peso ist 25 inländische Pesos wert. Die konvertiblen Pesos gibt es jedoch nur noch bis zum Jahresende, wir sind inmitten einer Währungsreform gelandet. Jorge erklärt uns, dass die Gehälter im nächsten Jahr ordentlich steigen werden, die Preise werden allerdings noch mehr steigen. Es ist spannend.
Landschaftlich ist Kuba ein Traum. Hohe, grüne Berge umrahmen den Fjord, in dem sich die Marina befindet. Die direkt ans Wasser gebauten Häuser passen wunderbar in die Gegend. Eine kleine Fähre kommt immer wieder vorbei und verbindet kleine Ortschaften links und rechts des Fjords miteinander und mit dem Fähranleger neben der Marina, von dem die Fähre nach Santiago abfährt. Wir wollen diese Fähre unbedingt benutzen, sie sieht lustig aus.
In der Marina liegen wir wunderbar geschützt. Einzig die Schlote einer nahegelegenen Zementfabrik stören das Ambiente. Da kann man halt nichts machen. Die Schlote können wir von unserem Liegeplatz aus nicht mehr sehen, die Abgasfahnen schon. Gelegentlich landet ein Flugzeug auf dem nahegelegenen Flughafen.
In der Nacht erfahre ich ein lange nicht mehr gefühltes Phänomen. Wir sind etwa 600 Meilen nach Norden gefahren und ich friere. Ich friere, obwohl es im Boot noch 26°C hat. Es ist aber ein echter Unterschied zu Aruba, hier kühlt es in der Nacht merkbar ab und der Schlaf ist sehr erfrischen. Auch Jens sagt, dass er lange nicht mehr so gut geschlafen hat.
Während wir den Morgenkaffee genießen, werden wir von einem Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose beobachtet. Wir räumen das Boot noch ein wenig auf, ich verfasse diese Zeilen und hoffe, sie vor dem Besuch des Zolls hochladen zu können.