Wir räumen auf. Wir machen das Boot ein wenig sauber, denn wir haben sonst nichts zu tun. Wir sitzen herum und warten auf den Zoll, auf die Veterinärbehörde, auf die Lebensmittelkontrolleure und auf den Drogensuchhund. Wir warten, warten und warten.
Gegen Mittag stellt sich Norbert uns vor. Norbert ist der Verantwortliche für den heutigen Tag. Die Hafenmeister arbeiten immer 24 Stunden am Stück, dann haben sie zwei Tage frei. Jorge kommt am Donnerstag wieder, den Hafenmeister von morgen lernen wir morgen kennen. Norbert kann uns Zugangskarten für das Internet verkaufen. Eine Karte ist gut für eine Stunde Internetnutzung und kostet zwei US$. Die Preise sind ganz schön happig, wir haben aber nichts anderes erwartet. Deswegen schreibe ich diesen Artikel auch vor, um ihn später nur noch ins Blog hochzuladen. Jens backt ein Brot. Dass wir gestern einen Müllsack zur Entsorgung gegeben haben, kommt uns heute teuer zu stehen. Fünf US$ kostet die Entsorgung eines Sacks. Wir beschließen, allen Müll, der nicht stinkt, im Ankerkasten zu parken und nach Jamaika mitzunehmen. Dort ist die Entsorgung auf jeden Fall billiger.
Norbert ist der Meinung, dass der Zoll sich heute nicht mehr sehen lassen wird. Dabei war es den Leuten gestern noch sehr wichtig, dass unser Satellitentelefon möglichst schnell versiegelt wird. Außerdem haben wir noch eine Drohne an Bord, die wir zwar noch nie benutzt haben, die aber bei den Kubanern pures Entsetzen in die Gesichter gezaubert hat. Eine Drohne ist ein absolutes No-Go in Kuba. Strengstens verboten, sie soll ebenfalls versiegelt werden. Vorher macht ein Offizieller noch ein paar Bilder von der Drohne. Kein Zoll, keine Versiegelung. Wir lassen die Drohne trotzdem nicht fliegen.
Norbert meint, dass wir uns entspannen sollen. Nichts anderes machen wir seit Tagen, seit wir Aruba verlassen haben. Die Entspannung muss auch einmal ein Ende haben. Vielleicht bekommen wir morgen das negative Testergebnis.
Außerhalb unseres kleinen Kosmos spielt sich das Leben ab. Die Fähre, die dreimal täglich die Marina mit der Stadt verbindet, ist hin und wieder zu sehen, sie braucht sehr lange, denn sie hat viele Haltepunkte auf beiden Seiten des Fjords. Kleine Fischerboote und Transportboote fahren hin und her. Ich befreie die Cockpitfenster von ihrer Salzkruste, damit wir besser sehen können.
Irgendwann fährt das Lotsenboot heraus und eskortiert ein kleines Frachtschiff in den Fjord. Es sieht so aus, als hätten sie in Santiago de Cuba kein Containerterminal, denn die Schiffe, die wir bislang ein- und ausfahren gesehen haben, hatten entweder eigene Ladekräne oder sind Ro-Ro-Containerschiffe, auf die die Container mit LKWs gefahren werden können.
Am Zaun der Marina sehen wir immer wieder neugierige Passanten, die sich das neue Segelboot anschauen wollen. Manche rufen zu uns herüber, wir ignorieren das jedoch. Schließlich dürfen wir die Marina noch nicht verlassen. An dem Tag, an dem wir das erste Mal vor die Tür gehen können, werden wir wohl von einer Traube Einheimischer umringt werden, wie man von Eseln umringt wird, wenn man ein paar Karotten in den Händen hält. Nur sind die Karotten hier Dollars.
Die Luftfeuchtigkeit in Kuba ist viel geringer als in Aruba. Während es dort zumeist 75% waren, sind wir nun auf 65% herunter. Das macht das Leben angenehmer, denn bei Windstille sind wir nicht mehr sofort schweißgebadet, sondern erst nach ein paar Minuten. Glücklicherweise weht immer eine sanfte Brise.
Ich baue die WLAN-Verstärkerantenne auf. Das WIFI-Signal vom naheliegenden Hotel ist ohne Verstärker grenzwertig schlecht, mit dem Verstärker kommt es sehr gut zu Sissi herüber. Außerdem können über den zusätzlichen Router gleich mehrere Geräte ins Netz gehen, ohne dass man mehrere Internetvouchers verbrauchen müsste. So weit der Gedanke. Wie viele Daten wir übertragen werden können steht noch in den Sternen. Eine Stunde ist nicht viel.
In der Literatur steht, dass eine Zensur des Internets in Kuba praktisch nicht stattfindet. Lediglich ein paar amerikanische Seiten, die gegen die kubanische Regierung agitieren, seien gesperrt. Die eigentliche Zensur würde dadurch stattfinden, dass es praktisch kaum Möglichkeiten für die Einheimischen gibt, im Internet zu surfen. Für den Preis von einer Stunde Internetnutzung bekommt man auf Lebensmittelmärkten zwei bis drei Kilo Tomaten, dazu noch zwei Kilo Kartoffeln und ein Kilo Reis.
Wie sollen wir uns verhalten, wenn unser negatives Testergebnis da ist, der Zoll aber noch nicht bei uns war? Können wir dann einfach die nächste Fähre in die Stadt nehmen? Norbert meint ja. Wir wären frei, wenn wir das Testergebnis haben. Ich bin mir da nicht so sicher. Falls der Zoll vor dem verschlossenen Boot steht, könnte das den Humor der Zöllner vielleicht ein wenig beeinträchtigen. Abwarten, es geht hier schließlich alles ganz langsam.
Wir lesen Bücher. Das sind die Klötze aus zusammengeklebten, bedruckten Papierblättern. Auf jedem dieser Blätter sind Buchstaben aufgedruckt, auf jedem Blatt unterschiedliche Wörter. So wird eine ganze Geschichte daraus. Das funktioniert offline. Was bin ich froh, dass mir die Stegnachbarn in Aruba eine ganze Kiste voller Bücher geschenkt haben. Die wenigen Bücher, die wir vorher an Bord hatten, sind alle schon ausgelesen. Das ist der Nachteil von Büchern, man kann sie nicht updaten, sie verändern sich nicht mehr.
Auch Quarantäneschach ist ein prima Zeitvertreib. Ich fotografiere absichtlich keine Stellung, denn wir dilettieren ziemlich herum. Seit der Überfahrt über den Atlantik habe ich das Schachspiel nicht mehr in den Händen gehabt, das ist beinahe ein Jahr her. Auch Jens ist ein wenig aus der Übung und wir tun uns im Endspiel beide schwer. Das ist egal, es vertreibt die Zeit. Wir würden gerne mehr Musik hören oder Filme schauen, doch ich habe das Dateisystem der Festplatte mit den Videos und Audios zerstört. Seit 48 Stunden läuft das Restore aus dem Backup. Wenn man knapp vier Terabyte auf kleinen USB-Festplatten kopiert, kann das eine Woche oder gar länger dauern.
Schon jetzt kann ich jedem, der sich von den alltäglichen digitalen Zwängen wie WhatsApp, Instagram und Facebook für eine Weile befreien möchte, einen Aufenthalt in Kuba wärmstens ans Herz legen. Kuba ist digital detox. Jetzt aber schnell das Passwort vom Voucher freikratzen und online gehen, ich halte es bald nicht mehr aus offline.
Wow. Die Internetverbindung ist teuer, aber sie ist irre schnell. Hätte ich nicht gedacht.
Hi Jörg und Jens,
vielen Dank für euren Bericht! Kuba steht ganz oben auf der Liste bei uns, da sind solche quasi live Berichte sehr hilfreich. Spannend und vor allem lustig, wie immer. Haltet durch! Viel spannende und interessante Erfahrungen auf Kuba wünschen wir Euch. Stay safe and healthy!
Liebe Grüße, wir kommen auch bald,
Alfred und Petra
Hi Petra und Alfred,
wir hoffen ebenfalls auf spannende Erfahrungen. Wenn ihr nach Kuba kommt, vergesst eure Kreditkarten. Nehmt genug Bargeld mit.
Viele Grüße aus Santiago de Cuba