So ist es nicht ganz. Seit Columbus sind schon ziemlich viele Schiffe hin und her über den Atlantik gesegelt oder motort. Doch eins hat sich nicht geändert, auf dem Ozean ist man etwa so weit weg von allem, als würde man in den Weltraum fliegen.
Wir haben genau das zur Verfügung, was wir an Bord genommen haben. Wir haben keine Möglichkeit, unterwegs etwas nachzuladen. Wir können nicht mal eben anhalten. Wir sind zu zweit in unserem Raumschiff. Die Welt draußen erreichen wir über Funk bzw. Satellitentelefon. Die Datenübertragung dauert unendlich lang. Unsere Energie müssen wir selbst produzieren. Der Brennstoff für das Raketentriebwerk ist sehr begrenzt. Sogar die Nahrung ist inzwischen vorproduziert und muss nur noch angerührt werden.
Seit unserem Start in Guadeloupe vor 2672 Meilen (oder knapp 5000 Kilometern) sind wir 24 Tage unterwegs. Seit wir die Doldrums passiert haben, befinden wir uns in einer stabilen Umlaufbahn. So langsam wird es Zeit, dass wir diese Umlaufbahn wieder verlassen und in den Landeanflug gehen.
Die Bodenkontrolle spricht von schlechtem Wetter in der Landezone. Wir sollen den Landeanflug verzögern, weil in der Nacht von Sonntag auf Montag ein Tiefdruckgebiet durchzieht. Das ist gar nicht so leicht, wenn man von den Fliehkräften des Planeten getrieben wird, welche wiederum die Tiefdruckgebiete rund um die Erde antreiben.
Die letzten zwei Tage waren herrliches Segeln. Viel Wind, keine unangenehme Welle und hohe Geschwindigkeit. Als ich heute morgen um 11 Uhr aufgestanden bin, stehen 8 kn auf dem Tacho. Wir müssen bremsen und reffen, das reduziert aber nur auf 7 kn. Wir reffen noch ein Stück und fahren weiterhin mit 7 kn. Also reffen wir weiter und die 7 kn stehen immer noch da. Manchmal auch nur 6 kn, Sissi möchte in den Hafen.
Es hat seit der Nacht, in der wir die Notreparatur durchgeführt haben, nicht mehr geregnet. Trotzdem hat Jens fast nur noch nasse Kleidung. Der neue Bolzen hält das Achterstag prima, doch in jener Nacht habe ich den Bolzen nicht gegen Wasser abgedichtet. Weder Jens noch ich haben daran gedacht, außerdem hätte ich gar nicht mehr den Nerv dafür gehabt. In Horta wird es viel zu tun geben für die Waschmaschinen. Nun ist die Stelle von außen mit ordentlich Sikaflex zugeschmatzt. Das wird mich später nerven, wenn die Reparatur ordentlich wiederholt werden wird. Trotzdem geht es uns gut, wir sind in bester Stimmung. Es fühlt sich nach Ankommen an.
Hinsichtlich der Reparaturen unterwegs empfehle ich, sich mit einer Tüte Chips und leckeren Getränken noch einmal den Film Apollo 13 anzusehen.
Seit ein paar Tagen funken wir regelmäßig mit einem anderen Raumschiff, einem US-Amerikanischen Katamaran mit einem thailändischen Skipper. Der schickte uns heute früh die Nachricht, dass beide Notausgangsluken durch Wasserschlag kaputt gegangen sind. Katamarane haben diese Luken unten (!), falls sie in schlechtem Wetter kentern. Nun stopfen sie alles mögliche da rein, damit nicht noch mehr Wasser ins Boot kommt. Das sind echte Probleme. Wir haben keine Zwiebeln mehr in der Küche. Zum Glück kann der Katamaran Faial schon sehen, sie müssen nur noch ca. 40 Meilen segeln.
Wir setzen eine Nachricht mit der Positionsmeldung an die Bodenkontrolle ab. Die ganze Welt kann unsere Position verfolgen. Wir überlegen, ob es zum Abendessen Trockenlasagne, Rippchen mit Kraut oder Spaghetti Bolognese geben wird. Sissi Space Station verabschiedet sich für heute, wir zünden die Bremsraketen. Das Leben ist schön.
24. Etmal: 120 nm
Position: 38°23‘N 33°07‘W
Reststrecke: 208 nm